Von Handwerk bis Hightech
Ackermann+Raff Architekten haben kürzlich in Tübingen die Werkhalle Pflug fertiggestellt. Hellmut Raff beantwortet unsere Fragen zum Projekt.
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?Das Projekt befindet sich im Unipro-Gewerbepark in Gomaringen, einem speziellen Gewerbegebiet, in dem sich nur Firmen mit anspruchsvollen Technologien und Kontakten zur nahe gelegenen Universität Tübingen ansiedeln dürfen. Die Firma Pflug hat sich von einer Schreinerei zu einem Betrieb entwickelt, der mit computergestützter Fertigungstechnik eine große Bandbreite von Materialien und Anwendungsbereichen bearbeitet. Das Spektrum reicht vom anspruchsvollen Innenausbau bis zu Objekten im Museumsbereich, wie beispielsweise eine maßstabsgetreue Modellierung des Mondes für ein Museum in Mekka.
Die neue Werkhalle sollte diesen Anspruch architektonisch umsetzen. Das Highlight ist ein Ausstellungsraum in Form einer Blackbox, die nur durch ein Oberlicht belichtet wird. Hier wird unter anderem die museumsdidaktische Wirkung von Ausstellungsobjekten in Kombination mit digitalen Animationen entwickelt.
Da es sich um eine sensible Situation am Ortsrand und in landschaftlich reizvoller Lage an der markanten Traufe der schwäbischen Alb handelt, war es uns wichtig, mit natürlichen Materialien und gedeckten Farben zu arbeiten, die das Gebäude gut in die Landschaft integrieren. Insofern setzen wir uns bewusst von den gängigen gestalterischen Haltungen im Gewerbebereich ab und vermeiden metallisch glänzende Materialien.
Schon vor Beginn unserer Entwurfsphase haben sich die Auftraggeber mit ihren Mitarbeitern gründlich mit dem Raumprogramm und dem Flächenlayout beschäftigt. Als Planungsgrundlage erhielten wir CAD-Pläne mit den Maschinenstandorten und den Arbeitsabläufen. Aufgrund dieser guten Vorarbeit konnten wir die Planung zügig und ohne gravierende Änderungen vorantreiben.
Die Konstruktionsweise und Materialwahl berücksichtigt grundlegende ökologische Aspekte. Daher ist die Werkhalle als Skelettkonstruktion konzipiert, die sich flexibel umnutzen und erweitern lässt. Die nichttragenden Außenwände der Halle bestehen aus vorgefertigten Tafelelementen in Co2-neutraler Holzbauweise, die bei Bedarf ausgebaut, wiederverwendet oder problemlos rezykliert werden können - ein wichtiger Aspekt des aktuellen Themas Cradle-to-Cradle. Die Fassade am Bürotrakt besteht aus langlebigem Profilit-Industrieglas und ist daher ebenfalls nahezu rückstandsfrei in den Stoffkreislauf zu integrieren. Verbundwerkstoffe wurden weitmöglichst vermieden.
Die gestalterische Haltung beruht auf der Verwendung von traditionellen Materialien, die auf handwerkliche Weise nach sorgfältig abgestimmter Detailplanung verbaut wurden. Im Bereich der Werkhalle ist die Fassade mit einer in Anthrazit lasierten Holzschalung verkleidet. Der dunkle Farbton und die Materialstruktur schaffen eine angenehm lebendige Textur. Im Kontrast hierzu entwickelt die vorgehängte Glasfassade im Büro- und Eingangsbereich einen hellen, samtigen Ton. Hierbei entsteht eine Tiefe, die sich je nach Sonnenstand und Wetterverhältnissen verändert. Ein feststehender Sonnenschutz verbindet die beiden Fassadenthemen.
In den Büroräumen und im Ausstellungsraum dominiert Sichtbeton an Decken und Wänden, der durch den Parkettboden aus Esche und mit den Trennwandregalen aus weiß lasierten OSB-Platten ein ausgleichendes Pendant in warmen Farbtönen erhält. Sämtliche Materialien rangieren in der typologischen Werkstoffreihe im unteren einfachen Bereich, dennoch – oder gerade deswegen – entstand ein hochwertiges und langlebiges Gebäude.
Heinrich-Hertz-Straße 5
72810 Gomaringen
Nutzung
Bürobau, Werkhalle
Auftragsart
Direktbeauftragung
Bauherrschaft
Pflug GmbH, Gomaringen
Architektur
Ackermann+Raff, Tübingen
Fachplaner
Statik: Gustav Epple Bauunternehmung GmbH, Stuttgart
Ausführende Firmen
Generalunternehmer: K & L Bau GmbH, Dußlingen
Hersteller
Esche Parkett: Herter GmbH & Co. KG
Holzlamellen. Pflug GmbH
OSB-Holzständerwände, weiß lackiert mit Edelholz furnierten Einbauten (Nussbaum/ Zebrano): Pflug GmbH
Beschläge: FSB Max Bill
Bruttogeschossfläche
2.600 m²
Gesamtkosten
k.A.
Fotos
Marcus Ebener