Gemeindehaus der Freien evangelischen Gemeinde Kaiserslautern-Nord

Veredelter Rohbau

Bayer & Strobel Architekten
23. Januar 2019
Gemeindehaus mit Vorplatz - Pflaster und Besenstrich

Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?
Die Freien evangelischen Gemeinden finanzieren sich durch Spenden ihrer Mitglieder. Nachdem die Gemeinde lange Jahre nur Mieter in verschiedenen Gebäuden war, entstand durch das enorme Wachstum der Gemeinde der Wunsch und die Notwendigkeit eines eigenen Gemeindehauses. Dabei stand von Beginn an der Platzbedarf im und um das Gebäude dem engen wirtschaftlichen Rahmen gegenüber. Insofern galt es, das vorgegebene Budget im Sinne von Qualität und Quantität optimal zu nutzen.

Vor Ort geschalte und betonierte Beton-Unterzüge gliedern die weit gespannte Foyerdecke

Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?
Innerhalb des engen wirtschaftlichen Rahmens haben wir nach architektonischen Themen gesucht und haben, ganz im Sinne von Nachhaltigkeit und der Achtung des Werkes eines jeden Einzelnen, die Idee des „veredelten Rohbaus“ aufgegriffen. Möglichst wenig soll nachträglich wieder versteckt oder kaschiert werden. Nichts, was schon einmal da war sollte durch einen nächsten Arbeitsschritt wieder abhandenkommen. Das fertige Bauteil erzählt noch die vollständige Geschichte seiner Entstehung.

Die Saaldecke ist aus Betonfertigteilen konstruiert und akustisch optimiert. In den Elementstößen werden die notwendigen Leitungen geführt

Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?
Das Grundstück liegt am Rande eines Neubaugebiets. Das Umfeld ist heterogen und mit Ein- und Mehrfamilienhäusern bebaut. Der Neubau des Gemeindehauses ist derart gegliedert und auf dem Grundstück platziert, dass zur Straße ein einladender Platz entsteht, der zugleich in der recht weitläufigen Umgebung eine gewisse Fassung erhält. Gleichzeitig entsteht auf der Rückseite ein grüner, ebenfalls zweiseitig gefasster Hof für Feste und den Aufenthalt im Sommer. Beide Außenräume sind im Innenraum über das große Foyer miteinander verknüpft.

Das große Foyer im Erdgeschoss ist die räumliche und kommunikative Mitte des Hauses

Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren NutzerInnen den Entwurf beeinflusst?
Die Zusammenarbeit mit dem Bauausschuss war sehr eng und intensiv. Die funktionalen Anforderungen an das Gebäude, gestalterische Fragen und immer wieder die Kosten wurden ausführlich diskutiert und optimiert. Beispielsweise die in Relation zum Saal sehr große Grundfläche des Foyers wurde erst in der Zusammenarbeit mit der Gemeinde entwickelt, weil hier vor und nach dem Gottesdienst gesprochen und diskutiert, gegessen und gefeiert wird. Inzwischen ist dieser Raum so beliebt, dass beispielsweise Jugendgruppen und Bastelkreise hier ungeplant arbeiten.
Daneben war auch der Wunsch nach Eigenleistung in einigen Details entscheidend. So wurde die komplette Saalwandverkleidung derart geplant, dass sie von den Gemeindemitgliedern im Laufe der Herbstferien selbst realisiert werden konnte.

Großer Saal mit mobilen Bühnenelementen und der in Eigenleistung hergestellten Akusitkverkleidung

Wie hat sich das Projekt vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk verändert?
Insbesondere der Saal hat eine fortschreitende Veränderung und Optimierung erfahren. Die Atmosphäre des Innenraums ist zunächst von seiner strukturellen Ordnung geprägt. Diese Struktur bezieht sich dabei vollständig auf die Stahlbetonfertigteile der Saaldecke mit einer Spannweite von ca. 12,10 m. Jedes der zehn Elemente ist im Querschnitt schalenförmig ausgebildet und wirkt statisch sowie akustisch. Mithilfe akustischer Simulationen wurde die nun ausgeführte Schalenform entwickelt, die die Schallwellen im Raum günstig mehrfach bricht und diffus reflektiert. Im Zusammenspiel mit der schallabsorbierenden und in Eigenleistung realisierten Wandverkleidung entstand eine Akustik, die den unterschiedlichen Anforderungen von Sprache und Musik – verstärkt und unverstärkt – sehr gut gerecht wird.

Übergang der Putzrillen im Erdgeschoss zum gebürsteten Verputz des Obergeschosses

Welche speziellen Produkte oder Materialien haben zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?
Von außen präsentiert sich das Gebäude als traditionell verputzter Mauerwerksbau. Aus Gründen der Proportionierung und um allzu große ungegliederte Wandflächen zu vermeiden, sind die Erdgeschosswände mit einem sehr plastisch wirkenden Rillenputz versehen. Auf diese Weise ergibt sich eine Zonierung zwischen Erdgeschoss und Obergeschoss, und durch das Spiel von Licht und Schatten wirkt die Oberfläche sehr wertvoll.
Auch der Innenraum ist von der handwerklichen Verarbeitung einfacher Materialien geprägt: mit Lehmputz geschlämmte Mauerwerkswände, grün-grauer Naturstein und sichtbar belassene Betonoberflächen werden im Gebrauch nicht ihre Wertigkeit verlieren.

Lageplan
Grundriss Erdgeschoss
Schnitt
Gemeindehaus der Freien evangelischen Gemeinde Kaiserslautern-Nord
2018

Alex-Müller-Straße 93
67657 Kaiserslautern

Auftragsart
Direktauftrag

Bauherrschaft
Freie evangelische Gemeinde Kaiserslautern-Nord

Architektur
Bayer & Strobel Architekten, Kaiserslautern
Peter Strobel, Thorsten Rheinheimer, Lazarina Stoilkova

Fachplaner
Tragwerksplanung: Frank Lederer, Lederer Ingenieure, Heltersberg
Akustik und Energie: Müller BBM, Planegg
Haustechnik: HKM Ingenieure, Kaiserslautern

Ausführende Firmen
Baumeister: Z-Bau, Friedrichsthal
Innen- und Außenputz, Trockenbau: Burgard Ausbau und Fassade, Homburg
Fenster: Löffel Fenster, Herxheim bei Landau
Schreinerarbeiten: Tischlerei König, Sembach
Metallbauarbeiten: Shiald, Bexbach
Freianlagen: Ledig, Kaiserslautern

Hersteller
Außenputz: Saint Gobain Weber
Fenster: Schüco
Beton-Fertigteildecke: hemmerlein Ingenierubau, Bodenwöhr
Teppichboden: Carpet Concept
Naturstein: Schulte Naturstein, Anröchte
Akustikplatten: Heraklith

Energiestandard
EnEv 2016 (- 10%)

Bruttogeschossfläche
752 m² BGF

Gesamtkosten
KG 200-600, brutto: 1.550.000 €

Auszeichnung
BDA-Preis Rheinland-Pfalz 2018, Auszeichnung

Fotos
Peter Strobel, Bayer & Strobel Architekten

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