Niederschwelliger Verwaltungsbau
Verwaltungsgebäude müssen nicht kühl und nüchtern erscheinen, beweisen LRO mit dem Neubau in Plochingen. Katja Pütter und Sophie Röcker haben unsere Fragen zum Projekt beantwortet und zeigen Bilder und Pläne dazu.
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?Vordergründig ging es bei dem Projekt um ein rein funktionales Bürogebäude. Das Eigentliche der Aufgabe liegt aber in der Bereitstellung einer angenehmen Arbeitsumgebung für die Verwaltungsmitarbeitenden des Landkreises Esslingen und freundlich wirkender Räume für das Publikum des Ausländeramts. Dies an einem vielschichtigen Standort, an dem ein markanter Aussichtsturm, ein Parkhaus und das ehemalige Krankenhaus mit jeweils eigener Formensprache zu einem Ensemble geformt werden muss, innerhalb dessen sich der Erweiterungsbau wiederum als Solitär behaupten kann. Die deutlichste Geste dazu ist der überdachte Verbindungsgang auf geschwungenem Grundriss, der eine gewisse Heiterkeit ins Spiel bringt und es beim Zusammenbinden der beiden Verwaltungsbauten bei einem zarten Berühren belässt.
Die Lage hoch über dem Neckartal ermöglicht nach allen Seiten beeindruckende Ausblicke. Zudem ist der Neubau an seinem prominenten Standort bereits aus der Ferne gut zu erkennen. Somit zeigt er nach allen Seiten ein gleiches Erscheinungsbild – es gibt kein Vorne und kein Hinten. Die immerhin fünfgeschossige Struktur tritt recht zurückhaltend auf und erscheint durch ihre horizontale Gliederung flach gelagert. Es geht nicht um ein Auftrumpfen, sondern vielmehr um ein freundliches Signal, um Niederschwelligkeit und willkommenheißende Gestik.
Die Höhenbegrenzung nimmt Rücksicht auf den benachbarten Aussichtsturm. Außerdem wird die Hanglage ausgenutzt; selbst die Räume im untersten Geschoss haben ihren Anteil an der Aussicht, wie auch die Aufenthaltsräume unter dem Verbindungsgang. Der Charakter der von Streuobstwiesen und Kleingärten geprägten Umgebung bleibt auf dem gesamten Gelände spürbar
Mit der funktionalen Leistungsbeschreibung im Zuge des ÖPP-Verfahrens waren alle Anforderungen und Wünsche bereits detailliert erfasst. Im weiteren Prozess wurden dann die Raumkonstellationen seitens der Nutzer angepasst.
Im Grunde blieb der Entwurf unverändert. Die Verfahrensart ÖPP lässt wesentliche Abweichungen ohnehin kaum zu. Lediglich Details wie das Raster der Fassadenstützen oder die Materialität der flügelartigen „Welle“ mit den Besprechungsräumen über dem Eingang haben wir angepasst.
Zur grundsätzlichen Haltung des Büros LRO, Nachhaltigkeit durch flexibel nutzbare, vor allem dauerhafte Konstruktionen und pflegeextensive Materialien zu gewährleisten, tritt eine Reihe weiterer Überlegungen zu kompakter Gebäudestruktur und ausgeklügelter Haustechnik. Mit geringem Hüllflächenanteil und hocheffizienter Energienutzung aus Photovoltaik und Wärmepumpentechnik ergibt sich der Standard eines KfW 40-Effizienzhauses. Das wesentliche Merkmal des stark optimierten Lüftungssystems sind dezentrale Lüftungsgeräte in den Fassadenbrüstungen.
Wichtig ist aber auch die Neuinterpretation der Grünfassade, bei der umlaufende Balkone gleichermaßen Sonnenschutz bieten wie auch Aufstellfläche für automatisch bewässerte Pflanzkübel.
Eben jene Balkone aus weit auskragenden Betonfertigteilen bieten auch den nötigen konstruktiven Schutz für die Holzfenster, die dem gesamten Gebäude einen menschlichen Maßstab und die angenehme, beinahe schon freizeitmäßige Anmutung verleihen, selbst wenn der blau-weiß-gestreifte textile Sonnenschutz nicht heruntergefahren ist.
2022
Am Aussichtsturm 7
73207 Plochingen
Nutzung
öffentliche Verwaltung
Auftragsart
Öffentlich-Private Partnerschaft (ÖPP) nach europaweitem Vergabeverfahren mit Teilnahmewettbewerb / Generalübernehmer Georg Reisch GmbH & Co. KG, Bad Saulgau, mit LRO, Stuttgart
Bauherrschaft
Landratsamt Esslingen
Architektur
LRO Lederer Ragnarsdóttir Oei GmbH & Co. KG, Stuttgart
Katja Pütter, Sophie Röcker, Sandra Pirmann, Margherita Adamo
Generalübernehmer
Reisch GmbH, Bad Saulgau
Fachplaner
Tragwerksplanung: tragwerkeplus, Reutlingen
Prüfstatik: Sigler Schumer Spieth Beratende Ingenieure, Nürtingen
Haustechnik: K+P (Kaufer + Passer), Tuttlingen
Elektroplanung: Ingenieurbüro Werner Schwarz, Ravensburg
Bauphysik: Herz & Lang, Weitnau
Freianlagenplanung: Kovacic Ingenieure, Sigmaringen
Abdichtungsplaner: SRP Sennewald + Räsch, München
Geologe: BWU Boden-Wasser-Untergrund, Kirchheim unter Teck
Brandschutzgutachter: Ingenieurbüro Manfred Oelmaier, Biberach
Vermessungstechnik: Vermessungsbüro Joachim Sigmund, Plochingen
SiGeKo: Hess-Sachverstaendige, Kirchheim unter Teck
Bauleitung
Göppel Strittmatter Halling Architekten, Ludwigsburg
Ausführende Firmen
Totalunternehmer und Betonfertigteile: Georg Reisch GmbH & Co. KG, Bad Saulgau
Rohbau: Luczky-Bau, Kirchheim u. Teck
Holzfenster: R. u. R. Schmid GmbH, Unlingen
Holzfassade Innenhof: Gekeler Holzbau GmbH & Co. KG, Römerstein
Sonnenschutz: Solaplan Sonnenschutztechnik, Markdorf
Dachabdichtung: M & D GmbH Flachdachtechnik, Laupheim
Hersteller
Lüftungsgeräte: Hersteller: LTG Aktiengesellschaft, Stuttgart
Energiestandard
etwa KfW 40 Effizienzhaus
Bruttogeschossfläche
9.918 m² (8.497 m² Regel-, 1.421 qm Sonderfall)
Gebäudevolumen
35.610 m³
Kubikmeterpreis
570 €/m³
Gebäudekosten
3.700.000 €
Gesamtkosten
20.500.000 €
Fotos
Roland Halbe, Stuttgart