Kombination von Prototypen

hammeskrause architeken bda
16. November 2022
Das ZAQuant der Universität Stuttgart ist äußerlich ein homogener Quader, dem man sein futuristisches Innenleben nicht ansieht. Hinter der fein gegliederten Glas-Aluminium-Fassade findet Spitzenforschung im Bereich der Quantensensorik statt. (Foto: Brigida González)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Die Komplexität der Bauaufgabe ergibt sich aus der Vielzahl der spezialisierten Nutzungen, für die es zwar jeweils prototypische Gebäude gibt, jedoch ist das ZAQuant in Kombination und Konzentration der unterschiedlichen Experimentalflächen einzigartig. Jeder Lösungsansatz und Teilaspekt musste daher sehr individuell erarbeitet werden, um in Summe eine funktional und wirtschaftlich angemessene Antwort auf die gestellte Aufgabe geben zu können.

Isolation, Abschirmung, Störung, Entkopplung, Kommunikation, informeller Austausch, spontane Treffen man könnte meinen, diese Begriffe bilden Gegensätze ab. Im ZAQuant sind sie jedoch in ihrer Ganzheitlichkeit essentielle Voraussetzung, die zum Gelingen der Forschung notwendig ist und Innovationen fördert. Die Architektur trägt dem Rechnung, indem auf der einen Seite mit hohem baukonstruktiven Aufwand die erforderlichen technischen Rahmenbedingungen geschaffen werden und auf der anderen Seite der Raum gemeinschaftliche Erlebnisse ermöglicht. 

Das Gebäude öffnet sich im Süden mit lichtdurchfluteten Seminar- und Büroflächen zur Grünen Mitte und den studentischen Nachbarn. (Foto: Brigida González)
Verbunden durch eine raumhohe Verglasung bilden Foyer und Reinraum gemeinsam den Auftakt in die Hochpräzisionswelt. Besucher werden mit dem charakteristisch warmen Gelblicht empfangen und erhalten größtmöglichen Einblick in das Forschungslabor, im Gegenzug können die Forscher Blickkontakt mit der Außenwelt aufnehmen. (Foto: Brigida González)
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?

So, wie die Forschung im Innern auf höchste Präzision ausgelegt ist, werden die Gebäudekanten ganz exakt formuliert. Es gibt keine Vor- und Rücksprünge und auch keine aufgesetzten Dachzentralen. Die Präzision des Volumens steht im Vordergrund.

Das Herzstück des Gebäudes ist die dreigeschossige Versuchshalle, in der sich vier Hochpräzisionslabore aneinanderreihen. Die Messkabinen mit Abmessungen von 6 x 8 x 10 Meter ermöglichen isolierte Messvorgänge unter größtmöglichem Ausschluss von mikroseismischen Schwingungen und niederfrequenten Magnetfeldern. (Foto: Wolf-Dieter Gericke)
Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?

Körnung und Positionierung des ZAQuant orientieren sich am Bestand in östlicher Nachbarschaft. Die klare Raumkante zur Grünen Mitte wird fortgeführt und die Prämissen aus dem städtebaulichen Masterplan für die Innenentwicklung des Campusareals werden umgesetzt. 

Der Entwurf fügt sich ebenfalls in den topografischen Kontext ein. Das Grundstück weist in seiner Nord-Süd Ausrichtung einen deutlichen Geländeanstieg von 5m auf.

Der Baukörper artikuliert sich in Richtung Allmandring dreigeschossig, zur südlich gelegenen Grünen Mitte zweigeschossig und bietet somit auf beiden Seiten eine ebenerdige Anbindung an das bestehende Gelände.

Die Flure um die Experimentierhalle wurden als Rundgang angelegt. Große runde Fenster ermöglichen den Einblick in die Halle sowie Blickbezüge aus der zentralen Forschungsfläche in die anderen Labor- und Büronutzungen. (Foto: Brigida González)
Im obersten Geschoss befindet sich ein begehbarer Dachgarten, der die Kubatur der darunter liegenden Versuchshalle nachzeichnet. Ein transparent gestalteter umlaufender Flur ermöglicht Blickbezüge quer durch das Geschoss, angrenzende Flächen laden zum ungezwungenen Austausch ein. (Foto: Brigida González)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren NutzerInnen den Entwurf beeinflusst?

Die Entwicklung eines so prototypischen Bauwerks ist nur in enger Abstimmung mit den Wissenschaftlern möglich. Es ist unerlässlich, den späteren Nutzer von Beginn an in die Planungsprozesse zu integrieren, ihn teilhaben zu lassen, sich gemeinsam auf den Weg zu machen.

Um die konkreten Anforderungen der Forschung im ZAQuant und die Funktionsabläufe im Gebäude zu verstehen, wurden Vorschläge zur Grundrissorganisation sowie Alternativen zur baulichen Fügung erarbeitet und untersucht. Die Zukunftsfähigkeit der unterschiedlichen Raumkonzepte im Hinblick auf eine räumlich und inhaltlich flexible Forschungslandschaft wurde intensiv mit Nutzer und Bauherr diskutiert. 

Schwarzplan (Zeichnung: hammeskrause architeken bda)
Grundrisse Ebene 0, Ebene +1 und Ebene +2 (Zeichnungen: hammeskrause architeken bda)
Längs- und Querschnitt (Zeichnung: hammeskrause architeken bda)
BIM-Koordinationsmodell, Längsschnitt (Zeichnung: hammeskrause architeken bda)
BIM-Koordinationsmodell, Querschnit (Zeichnung: hammeskrause architeken bda)
Zentrum für Angewandte Quantentechnologie (ZAQuant)
2021
Allmandring 13
70569 Stuttgart
 
Nutzung
Forschungsgebäude der Universität Stuttgart
 
Auftragsart
VOF-Verfahren mit Projektskizze
 
Bauherrschaft
Land Baden-Württemberg vertreten durch Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Universitätsbauamt Stuttgart und Hohenheim
 
Architektur
hammeskrause architekten bda, Stuttgart
Team: Markus Hammes (verantwortlicher Partner), Astrid Karr (Projektleitung), Jürgen Naverschnigg (Projektleitung bis LPH 5), Dana Bilek, Jacqueline Dörner, Emine Sarikaya, Deborah Schäfer, Hafize Yigit
 
Fachplaner
Tragwerksplanung: Weiske + Partner, Stuttgart
HLSK: Planungsgruppe M+M, Böblingen
Elektro: Müller & Bleher, Radolfzell
Laborplanung: Planungsgruppe M+M, Dresden 
Bauphysik: Brüssau Bauphysik, Fellbach 
Baudynamik: Müller BBM, Stuttgart
EMV-Abschirmung: Müller BBM, Planegg
 
Bauleitung
hammeskrause architekten bda mit ERNST² ARCHITEKTEN, Stuttgart

Kunst am Bau
Christoph Poetsch, Heidelberg
‚Ein gleiches’ (LED-Displaywand und Server)
 
Ausführende Firmen
Rohbau: Gottlob Brodbeck GmbH & Co. KG, Metzingen
EMV-Abschirmung: Systron EMV GmbH, Schwabach
Membran-Luftfedern: Bilz Vibration Technology AG, Leonberg
Fassade: Neumayr High-Tech Fassaden GmbH, Eggenfelden
Dachabdichtung: W. Müller GmbH & Co. KG Bedachungen, Weinstadt-Endersbach
Metallbauarbeiten: Metallbau Weber, Schweinfurt
Trockenbau: Ullrich & Schön GmbH, Fellbach-Schmiden
Systembodenanlagen: HG Fußbodensysteme GmbH, Heinrichsthal
 
Hersteller
Betonbewehrung aus Glasfaserverbundwerkstoff: Schöck Bauteile GmbH, Schöck Combar®
Fassaden- und Fenstersysteme: Schüco International KG
High-Tech-Vinylboden für Reinraum Colorex nora: Forbo Flooring Systems
Holorib Verbunddecke: Montana Bausysteme AG
Fugenprofile für Bauteilfugen: Migua Fugensysteme GmbH

Bruttogeschossfläche
8.564 m²
 
Gebäudevolumen
46.001 m³
 
Gesamtkosten
41.500.000 € (brutto)
 
Fotos
Brigida González
Wolf-Dieter Gericke

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