In neuem Gewand

Wandel Lorch Götze Wach
14. November 2018
Die Giebelfassade prägt den Ausdruck des Gotteshauses in Überlingen. (Foto: Nils Kochem)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Eine Kirche zu bauen ist seit jeher eine besondere Aufgabe für uns Architekten und Baumeister gewesen. Das gilt natürlich besonders auch dann, wenn es sich um die Umgestaltung einer Kirche handelt. Denn dann baut man immer auch im Spannungsfeld von Zeit, Geschichte und der Veränderungen, die sich im Laufe der Jahre in der Kirche und in der Gesellschaft abgespielt haben.
Ziel der Überlinger Initiative zur Umgestaltung und Sanierung der Auferstehungskirche zum Anfang des
21. Jahrhunderts war die Kirche für die Zukunft zu rüsten: Die Nutzung des Sakralraums sollte an aktuelle Anforderungen angepasst werden, ein Raum für Musik und Gemeinschaft geschaffen werden. Die Kirche sollte barrierefrei und der energetische Standard verbessert werden.
Hinzu kam, dass eine Vielzahl von An- und Umbauten immer wieder zu Änderungen der inneren und äußeren Gestaltung sowie der Raumwirkung geführt haben, was nach und nach den Charakter des Gebäudes verunklärt und schließlich gänzlich uneindeutig gemacht hat.
Die letzte Umgestaltung des Innenraums in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war schließlich Zeuge einer gänzlich neuen Interpretation des Bestands. Profilierungen und historische Einbauten wurden abgeschlagen oder überformt. Dunkle und schallweiche Oberflächen prägten den dumpfen und drückend dunkel wirkenden Innenraum. Das äußere Erscheinungsbild wirkte austauschbar eintönig. Vorhanden war aber eine sehr aufgeschlossene und lebendige Gemeinde, die sich über alle Maßen für ihre Kirche engagiert habt. Die Baumaßnahme wurde zu einem erheblichen Teil aus Spenden finanziert.

Die neue Giebelfassade greift historische Motive von Kirchenportalen auf und transportiert sie in eine moderne Architektursprache (Foto: Nils Kochem)

Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?
Die Aufgabe im Architektenwettbewerb mit einer Umgestaltung im Rahmen der Sanierung war auch die Außenwirkung und Präsenz der Kirche als Gebäude und Institution im Stadtraum zu schärfen. Die Rolle der Kirche ist ja nicht nur in der Gesellschaft einem starken Wandel unterworfen. Die zunehmende Säkularisierung wirkt sich ja auch auf die Architektur aus. Kirchen werden zusammengelegt, in Gemeindezentren untergebracht oder abgerissen. Das ist eine Entwicklung, die sich auch auf das Bild unserer Ortskerne auswirken wird. Kirchen werden als Bauwerke gemeinhin als identitätsstiftend empfunden. Wo Kirchen verschwinden geht möglicherweise also auch ein Stück der Identität des Ortes verloren. Das ist ein kultureller Aspekt, den wir bei unseren vielfältigen Projekten im Bereich des Sakralbaus immer im Fokus haben. Viel wichtiger ist aber natürlich die Herangehensweise an das Bauwerk als ein Haus mit dem die Gläubigen sehr innige Gefühle verbinden. Das ist eine große Verantwortung, weil das Haus eben doch immer eine gewisse Wirkung auf den Menschen hat. Wir wollen den Ausdruck des Hauses als Einladung verstehen einzutreten und teilzuhaben. Als Architekten müssen wir diese Rolle gerecht werden. Dabei spielt die Kommunikation mit der Bauherrschaft und der Gemeinde eine zentrale Rolle. Die Gemeinde muss das Haus mögen. Sie muss darin Heimat finden. Sie muss sagen „Das ist unsere Kirche!“

Die Gestalt des Inneraums wurde nah an das historischen Original zurückgeführt. Neuzeitliche Überformungen aus Rabitz wurden entfernt und bauzeitliche Ornamentik wieder sichtbar (Foto: Nils Kochem)

Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren NutzerInnen den Entwurf beeinflusst?
Wir haben schon in der Wettbewerbsarbeit versucht den Geist der Gemeinde zu erfassen, was uns wohl gelungen ist. Das ist immer eine wichtige Voraussetzung um die Umsetzung des Entwurfs zur Zufriedenheit aller zu gestalten. Die weitere Zusammenarbeit war sehr eng und die Bauherrschaft hat uns bei der Entwicklung unserer Ideen vertraut. Für ein gelungenes Projekt braucht man vor allem einen guten Bauherrn und dessen Unterstützung. Bei der Weiterentwicklung ging es beispielsweise auch darum für das vielfach umgestaltete Gebäude eine gültige Fassung zu finden und dem Gebäude einen einprägsamen Charakter zu verleihen. Dabei wurden wir durch die Verantwortlichen bei der Gemeinde insbesondere mit vielen historischen Bildern und Plänen, Hinweisen auf ortstypische Bauweisen und Bräuche unterstützt. Das war eine große Hilfe und hat den Entwurf sicherlich positiv beeinflusst.

Der Innenraum wurde insbesondere mit Blick auf die Nutzeranforderungen modernisiert. Beispielsweis wurden die Sichtlinien der Empore verbessert. (Foto: Nils Kochem)

Wie hat sich das Projekt vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk verändert?
Wir versuchen bei allen Entwürfen eine kühne und neue Entwurfsidee zu realisieren. Das passiert nicht als Selbstzweck, sondern weil wir glauben, dass alle Projekte – insbesondere jene im Bereich der Sakralarchitektur – besondere Herausforderungen und Anforderungen haben und daher auch eine individuelle architektonische Antwort erfordern. Bei unserem Entwurf für die Umgestaltung der Auferstehungskirche war das ganz klar das neue Eingangsportal. Die Referenz der historische Bauformen mit klassischen eingezogenen Spitzbögen sollte hier zeitgenössisch interpretiert werden. Es sollte ein Portalfenster in die Logik des Mauerwerks integriert werden und dadurch die Fassade auch auf den Innenraum Einfluss nehmen lässt. Auch wenn wir uns im Bereich der Klinkerfassaden sehr wohl fühlen hatte diese selbstgestellte Aufgabe viele Herausforderungen für uns parat. Umso glücklicher sind wir, dass wir mit einem engagierten Bauherren und hervorragenden Firmen sehr nah an der Wettbewerbsidee bleiben konnten. Wir und auch die anderen Beteiligten sind mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Das freut uns , denn es bedeutet, dass es sich gelohnt hat sich der Herausforderung zu stellen.

Der weiß geschlämmte Klinker verspringt nach innen und gibt der Fassade Tiefe (Foto: Nils Kochem)

Welche speziellen Produkte oder Materialien haben zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?
Die Beschäftigung mit traditionellen Materialien und Bauformen in Überlagerung mit zeitgenössischen Neuinterpretationen ist zentrales Motiv der neuen Giebelfassade, die prominent auf dem Vorplatz mit Blickrichtung auf den Bodensee steht. Für die Umsetzung haben wir uns für einen weiß geschlämmten Klinker im Dünnformat entschieden. Klinker ist als Material sehr vielseitig und erlaubt die handwerkliche Umsetzung von Ideen, die selbst mit modernen Fertigungstechniken oft zu aufwendig sind. Der Kniff mit dem einfachen Spiel der verspringenden Klinker die archetypische Grundform des Portals zu nobilitieren und eine Vielzahl von Aussagen, wie die Tiefe der Fassade, die Flächen der Leibung, den Übergang des linearen Giebels zur Spitzbogenform des Portalfensters und schließlich das Fenster selbst zu einer komplexen Gesamtform zu vereinigen, zeigt die Wichtigkeit die das Material und der Umgang mit ihm für die Umsetzung des Entwurfs hat.

Lageplan (Zeichnung: Wandel Lorch Götze Wach)
Im Grundriss zeigt sich die Erweiterung des bestehenden Kirchenbaus mit dem neuen Portal zum Vorplatz mit Blick auf den Bodensee. (Zeichnung: Wandel Lorch Götze Wach)
Längsschnitt (Zeichnung: Wandel Lorch Götze Wach)
Ansicht Süd-West
Sanierung und Erweiterung der ev. Auferstehungskirche Überlingen
2018
Christophstraße 23
88662  Überlingen

Bauherrschaft
Evangelisch Kirchengemeinde Überlingen

Architektur
Wandel Lorch Götze Wach, Frankfurt am Main und Saarbrücken
Prof. Andrea Wandel, Prof. Wolfgang Lorch, Florian Götze, Thomas Wach
Projektbearbeitung: Thomas Wach, Cansu Önel

Fachplaner
Statik: Tragwerksplanung Pfoser - Halblaub, Überlingen
Bauphysik und Akustik: Müller BBM, Planegg
Haustechnik HLS: Planungsbüro Rimmele, Überlingen
Haustechnik ELT: Tag Engineering, Tuttlingen

Bauleitung
Architekturbüro Hütz, Markdorf

Ausführende Firmen
Rohnbau: Bauunternehmen Straßer, Salem
Zimmerer: Holzbau Walter Oppold, Herdwangen-Schönach
Klinkerarbeiten: Güstrower Klinkerbau GmbH & Co. KG, Güstrow
Trockenbau: Stuckateurarbeiten Arthur Endraß, Uhldingen-Mühlhofen
Maler: Maler und Lackierermeister G. Dauwalter, Owingen
Schlosser: Metallbau Oschwald GmbH, Meßkirch
Schreiner: Kram Möbelwekstätten e.K, Burgebrach
Estrich und Terrazzo: Terrazzo Classic Ranft, Finningen
Parkett: Reiner Ley Parkett, Owingen
Restaurierung: Colic Restaurierung GmbH, Friedrichshafen
Restaurierung: Restaurierungen M. Steidle, Rottenburg am Neckar
Restaurierung: ITTA Bildhauerwerkstatt, Überlingen
Glaser: Glasgestaltung Dierig UG, Überlingen

Bruttogeschossfläche
480 m²

Gebäudevolumen
3.326 m³

Gebäudekosten
ca. 1.200.000 €

Gesamtkosten
ca. 2.000.000 Mio €

Fotos
Nils Kochem

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