Generationenübergreifend nutzbares Quartierszentrum

Freivogel Mayer Architekten
2. November 2022
Foto: Dietmar Strauß
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Seiner Funktion entsprechend verfügt der Baukörper am Übergang zu dem angrenzenden Einfamilienhausgebiet mit 1960er-Jahre-Nachkriegsarchitektur über einen hohen Wiedererkennungswert. Auf der Fläche eines stillgelegten Bolzplatzes bewahrt sich der Neubau mittels eines einheitlich durchgängigen Fassaden-Gestaltprinzips, der Fassadenmaterialität sowie der Baukörpergestaltung eine Eigenständigkeit innerhalb der umgebenden Wohnbebauung. 

Durch die bauliche wie funktionale Integration eines Familienzentrums wird ein Ort der Begegnung für Jung und Alt geschaffen. Gleichzeitig entsteht ein soziales Zentrum, das als Ortsteilzentrum durch die Doppelnutzung in den Abendstunden Raum für kulturelle Veranstaltungen bietet und so zur Stärkung des Quartiers beitragen soll.

Foto: Dietmar Strauß
Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?

Das Projekt reagiert auf den Generationenwechsel im Wohngebiet Löscher in Möglingen, den vermehrten Zuzug von jungen Familien mit Kleinindern und den gestiegenen Bedarf an Betreuungsplätzen. Gleichzeitig soll mit dem Familienzentrum ein Ort der Begegnung und eine bis dahin fehlende kommunale Begegnungsstätte für alle Anwohner geschaffen werden.

Die geforderte Programmfläche spiegelt sich in der hohen Kompaktheit des zweigeschossigen Baukörpers wider. So fungiert die zentrale Erschließungssituation parallel als Spielflur. Auch der umlaufende Balkon übernimmt mehrere Funktionen: Als Rettungsweg, Reinigungsbalkon, feststehender Sonnenschutz und als Witterungsschutz für die Fassadenbekleidung und die Fenster aus Holz. Durch die gute Tageslichtversorgung des zentralen Bereichs (längs, quer und von oben) ergeben sich trotz des geringen Allgemeinflächenteils helle Erschließungsbereiche.

Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren NutzerInnen den Entwurf beeinflusst?

Der Bauherrschaft war es von Beginn an ein zentrales Anliegen, ein Gebäude zu errichten, das nicht nur den gestiegenen Bedarf an Kinderbetreuungsplätzen im Wohngebiet deckt, sondern eine Begegnungsstätte in Form eines Quartierszentrums bildet. Entsprechend wurde ein Gesamtkonzept für die Neuorganisation des Gesamtareals, mit bereits bestehendem Pavillon-Kindergarten, der neuen KITA mit Familienzentrum und einer gemeinsam genutzten Außenanlage als Kommunikationsbereich, entwickelt.

Foto: Dietmar Strauß
Wie hat sich das Projekt vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk verändert?

Im ersten Schritt haben wir, aufgrund der sehr beengten Platzsituation und aus Aspekten der Nachhaltigkeit, einen dreigeschossigen Entwurf vorgeschlagen und den Bau dabei zunächst als kompakte Würfelform geplant. Aufgrund nachbarschaftlicher Anliegen konnte dieses ursprüngliche Konzept im weiteren Entwicklungsprozess jedoch leider nicht beibehalten werden. Die Gebäudehöhe musste auf zwei Geschosse begrenzt und die überbaute Grundstücksfläche entsprechend vergrößert werden.

Foto: Dietmar Strauß
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?

Die für das Gebäude prägende kompakte Kubatur und ein energetischer Standard über den aktuellen Vorgaben bilden eine solide Basis für einen energieeffizienten Betrieb. Die Wärmeversorgung erfolgt über ein neu im Aufbau befindliches Nahwärmenetz (BHKW), für dessen Ausbau das Projekt als eine „Art Motor“ fungiert hat. Ergänzt wird das Energiekonzept durch die geplante großflächige Photovoltaikanlage auf dem hierfür vorbereiteten Gründach. Dämmungen konnten mit Holzfaserplatten ausgeführt werden, für die Massivbauteile wurde RC-Beton eingesetzt.

Foto: Dietmar Strauß
Welche speziellen Produkte oder Materialien haben zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?

Eine einheitliche Materialisierung und Farbigkeit von Fassadenbekleidung und Fenstern mit vorvergrautem Massivholz prägen die Außenerscheinung im Wesentlichen. Die erwünscht hohe Dauerhaftigkeit dieser Bauteile wird nicht nur mit dem konstruktiven Holzschutz der auskragenden Balkone und des Daches erreicht. Im Sinne des Bauherrn wurden für Fenster und Fassadenbekleidung anstatt der vorgeschlagenen Weißtanne das etwas beständigere Lärchenholz gewählt. 

Das Material Holz setzt sich im Innenausbau und dem zentralen Spiel- und Erschließungsflur fort. Hier haben wir, wie bei allen realisierten Projekten mit Kindern und Jugendlichen als Zielgruppe, besonderen Wert auf den Erhalt der Eigenwertigkeit der eingesetzten Materialien gelegt. Unbehandelte Holzoberflächen und sichtbar belassene Betonbauteile bieten differenzierte haptische Qualitäten und unterstützen die Erlebbarkeit der Licht- und Raumsituation. Außerdem bildet das Materialkonzept einen robusten Rahmen für die Aneignung und sich wandelnde Konzepte in der künftigen Nutzung des Gebäudes.

Lageplan (Zeichnung: Freivogel Mayer Architekten)
Grundriss Erdgeschoss (Zeichnung: Freivogel Mayer Architekten)
Grundriss Obergeschoss (Zeichnung: Freivogel Mayer Architekten)
Schnitt (Zeichnung: Freivogel Mayer Architekten)
KITA und Familienzentrum Möglingen
2022
Silcherstraße 10
71696 Möglingen
 
Bauherrschaft
Gemeinde Möglingen
 
Architektur
Freivogel Mayer Architekten, Ludwigsburg
Petra Stadelmaier, Björn Sippel
 
Fachplaner
Mundsinger + Hans, Freie Landschaftsarchitekten, Ostfildern
Wh-p Ingenieure, Fachplanung Tragwerksplanung, Stuttgart
 
Ausführende Firmen
Rohbauarbeiten: Karl Wildermuth Bauunternehmen GmbH & Co. KG, Bietigheim-Bissingen
Zimmererarbeiten: Holzbau Link GmbH, Ludwigsburg
Fensterarbeiten: Trefz Fenster GmbH, Wüstenrot
Oberlichtarbeiten: Noll Fensterbau GmbH, Mühlheim am Main
Sonnenschutzarbeiten: Hoffmann Sonnenschutztechnik GmbH, Ispringen
Tischlerarbeiten: Zeeb Innenausbau GmbH, Stuttgart
Parkettarbeiten: Raumgestaltung Treßelt, Kirchberg
Heizung, Sanitär & Lüftung,: Heizungs- und Sanitärtechnik Schmid GmbH Bietigheim-Bissingen
Elektro: Elektro Lillich GmbH, Asperg
 
Hersteller
Dreischicht-Fassadenplatten: K1 multiplan, 3-Schicht, Lärche, B/C
Holzfaserdämmung: Gutex Thermoflex
Glas-Oberlicht: System Raico Therm + 56 HI
Fassadenmarkisen: Warema 

Bruttogrundfläche
1.371m²
 
Gebäudekosten
3.400.000 € (brutto)
 
Gesamtkosten
5.3000.000 € (brutto)
 
Fotos
Dietmar Strauß, Besigheim

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