Gefaltet, nicht geknickt

Hild und K
1. Mai 2019
Ein Relief horizontaler Einschnitte nimmt die „Schräge“ der Außenwand ebenso auf wie die unterschiedlichen Fensterfluchten der Nachbargebäude (Bild: Michael Heinrich)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Mit etwa vierzig Metern war das nur neun Meter breite Baugrundstück sehr tief. Um den in den Obergeschossen gelegenen Büros trotzdem eine natürliche Belichtung zu ermöglichen, wurde ab dem zweiten Obergeschoss ein Teil der zum Nachbargrundstück hin gelegenen Fläche freigelassen. Für die straßenabgewandten Räume entsteht so eine ruhige Innenhofsituation. Ab dem fünften Obergeschoss nehmen die Büroetagen, die in diesem Bereich als Maisonette-Geschosse ausgeführt wurden, nur etwa ein Drittel der Gebäudetiefe ein. Die restliche Dachfläche wird als Dachterrasse und Technikgeschoss genutzt. Für harmonische Proportionen der schmalen Straßenansicht sorgt eine nach oben hin abnehmende Höhe der Fenster.

Aus dem selbsttragenden, monolithischen Ortbeton erscheint das Relief wie mit dem Meißel herausgehauen (Bild: Michael Heinrich)
Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?

Das Büro- und Geschäftshaus wurde inmitten des denkmalgeschützten Ensembles „Münchner Altstadt“ errichtet. Der Baukörper schließt eine kriegsbedingte Lücke in der Straßenflucht, die ein zweistöckiges Gebäude zuvor eher provisorisch ausgefüllt hatte. Das bereits erwähnte Fassadenrelief stellt Bezüge zu den Nachbargebäuden her. So entsteht ein zeitgenössisches Gebäude, das sich in der Vertrautheit der Strukturen dennoch optimal ins Altstadtensemble einfügt. 

Das Motiv der „Faltung“ ist auch für den repräsentativen Eingangsbereich bestimmend. Hier prägt es beispielsweise Absturzsicherungen und Handläufe (Bild: Michael Heinrich)
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?

Eine weitere Besonderheit des Baugrundstücks – ein „Knick“ in der Sendlinger Straße wirkt sich auf den Verlauf der Blockrandstruktur aus – wurde zur grundlegenden Inspiration für den Fassadenentwurf. Ein Relief horizontaler „Faltungen“ nimmt die „Schräge“ der Außenwand auf und überformt dabei zugleich gewohnte Elemente wie Sockel, Faschen und Gesimse. Aus dem selbsttragenden, monolithischen Ortbeton erscheint es wie mit dem Meißel herausgehauen; ein Eindruck, der durch unterschiedliche, handwerklich erzeugte Oberflächenstrukturen – schalungsglatt, gestockt oder scharriert – verstärkt wird.
Auch für den Innenausbau wurde das Bild der „Faltung“ zum Leitmotiv. In unzähligen Variationen prägt es Handläufe, Absturzsicherungen oder Türblätter bis hin zu dem Fliesen in den Sanitärräumen.

Die straßenabgewandten Räume sind zu einem ruhigen Innenhof hin ausgerichtet (Bild: Michael Heinrich)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren NutzerInnen den Entwurf beeinflusst?

Der Entwurfsgedanke der „aus dem Stein herausgehauenen“ Fassade erforderte eine Reihe von Innovationen jenseits des bautechnischen Standardrepertoires. Von der Bauherrnschaft verlangte dies eine weit überdurchschnittliche Flexibilität hinsichtlich der Kosten- und Terminplanung. Eine solche Investition in Stadt und Gestaltung ist nicht selbstverständlich!
Erst bei der Vermietung der Ladenfläche stellte sich heraus, dass die gemeinsam entwickelte Lösung auch der Implementierung des Corporate Identity Konzeptes durch den Nutzer hervorragend entgegenkam. 

Auch im Dachgeschoss ist Büroraum entstanden. Die obersten beiden Etagen wurden als Maisonette-Geschosse ausgeführt (Bild: Michael Heinrich)
Welche speziellen Produkte oder Materialien haben zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?

Die selbsttragende Fassade aus Ortbeton verdankt bestimmten Zuschlagstoffen ihre sandsteinartige Färbung. Darauf abgestimmt ist der Messington von Fensterrahmen, Absturzsicherung und Sonnenschutz. Auch beim Innenausbau stehen die verwendeten Materialien und ihre handwerkliche Verarbeitung im Mittelpunkt. In den Treppenhäusern kamen vor allem Stahl, Messing, Bronze und Naturstein zum Einsatz. Die Atmosphäre in den Büros wird geprägt von Eichenholz, Glas und Sichtbeton.

Lageplan (Bildquelle: Hild und K)
Grundriss 2. Obergeschoss (Bildquelle: Hild und K)
Längsschnitt (Bildquelle: Hild und K)
Büro- und Geschäftshaus Sendlinger Straße
2018 
Sendlinger Straße 44
80331 München

Nutzung
Einzelhandel und Büros
 
Auftragsart
Direktauftrag
 
Bauherrschaft
TP erste Grundvermögen GmbH, München 
 
Architektur
Hild und K Architekten BDA, München
Andreas Hild, Dionys Ottl, Matthias Haber
Projektleitung: Sebastian Klich
Team: Pavla Ryzlerova, Miriam Sempere, Thomas Kulhanek, Mateja Mele
 
Fachplaner
Tragwerksplanung: bwp Burggraf + Reiminger. Beratende Ingenieure, München
Technische Gebäudeausrüstung: Ingenieurbüro G. Bittner GmbH, Waldkraiburg
Heizung, Lüftung, Sanitär: S + H Stelzig GmbH, Nürnberg
Brandschutz: KAUPA Ingenieure, Windorf
Bauphysik: PMI Dipl.-Ing. Peter Mutard. Ing.ges. für Technische Akustik, Schall- und Wärmeschutz mbH, Unterhaching
 
Bauleitung
baubar ingenieurgesellschaft mbH, München 
 
Ausführende Firmen
Baugrube: Ettengruber GmbH, Dachau
Rohbau: HSG. Hochbau- & Sanierungsgesellschaft mbH, München
Stahlfenster: Stegmüller Stahl- und Metallbau GmbH, München 
Dachdecker- und Spenglerarbeiten: Traub GmbH & Co. Haustechnik KG. Grünwald
Trockenbau-, Maler- und Spachtelarbeiten: Diva Bau GmbH, München
Schreinerarbeiten: Gleißner GmbH. Schreinerei und Innenausbau, Arrach
Natursteinarbeiten: Marmor Stettinger GmbH, Weißenburg
Schlosserarbeiten: Stegmüller Stahl- und Metallbau GmbH, Arnstorf 

Hersteller
Dachdeckung: Prefa
Granitstein Eingangsbereich / Treppenhaus: Marmor Stettinger (Nero Impala), Helgert (Flossenbürger Granit) 
Sonnenschutz: Warema
Fensterprofile: Schüco-Jansen
Klingelanlage: Elcom
Beleuchtung Eingangsbereich / Treppenhaus: Selux
Tür- und Fenstergriffe: FSB
Beleuchtung Büroräume: Zumtobel

Bruttogeschossfläche
ca. 2.500 m²
 
Gebäudevolumen
ca. 11.200 m³

Gesamtkosten
k.A.
 
Fotos
Michael Heinrich

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