Flora und Fauna erleben
Bez+Kock Architekten
11. September 2024
Die große Herausforderung für die Architekten bestand darin, den Neubau Teil der historischen Parklandschaft ringsherum werden zu lassen. (Foto: Brigida González)
Bez+Kock Architekten konnten im Mannheimer Luisenpark einen Neubau mit Großvoliere und Restaurant verwirklichen. Für Martin Bez verschwimmen bei dem Projekt die Grenzen zwischen Architekturentwurf und Landschaftsgestaltung.
Herr Bez, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?
Unsere Aufgabe bestand darin, ein neues Gebäude möglichst behutsam in eine historisch gewachsene Parklandschaft einzufügen. Unser Neubau sollte dem Park ein neues, zeitgemäßes Gesicht geben. Die entscheidenden Fragen waren also: Wie entwerfen wir einen Bau mit rund 5000 Quadratmetern Nutzfläche, ohne den wunderbaren Park zu zerstören? Wie kommen Landschaftsarchitektur, Architektur, Pflanzen und Tiere zusammen?
Natürlich war für uns das »Bauen für Tiere« etwas Besonderes – das ist keine alltägliche Aufgabe und tatsächlich etwas ganz Neues für unser Büro. Unser Ziel war, zusammen mit der benachbarten Gastronomie ein großes Ganzes zu schaffen, das über eine geschwungene Dachkonstruktion die vielfältigen Funktionen des Hauses miteinander verbindet. Die Besucher des Luisenparks sollen intensiv die Nähe zu Flora und Fauna erleben können und dadurch für die Natur und deren Schutz sensibilisiert werden.
Die gekurvte Stampfbetonwand des Neubaus folgt dem Uferverlauf des Kutzerweihers. (Foto: Brigida González)
Welche Inspiration liegt diesem Projekt zugrunde?
Unser wichtigstes Anliegen war, kein Gebäude im klassischen Sinne zu bauen, sondern vielmehr der Landschaft, die ja schon immer den Luisenpark geprägt hat, ihre Präsenz zu lassen. Gemeinsam mit dem Team von Koeber Landschaftsarchitektur haben wir uns deshalb für ein Konzept entschieden, das die organisch geformten Pavillons in die vorgefundene Landschaft einbettet. Wie selbstverständlich sollen sie vom Park umspielt werden und auf die vorhandene Topografie reagieren. Architektonisch haben uns zum Beispiel das Multifunktionsgebäude Grace Farms von SANAA oder die Casa do Baile von Oscar Niemeyer inspiriert, weil sie für Leichtigkeit und Eleganz stehen.
Filigrane Stützen tragen das weit auskragende Dach an der begehbaren Großvoliere. (Foto: Brigida González)
Die Fassade vor den Nebenräumen besteht aus glänzenden, dunkelgrün glasierten Keramikelementen. (Foto: Brigida González)
Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?
Topografisch ist vor allem die Stampfbetonfassade interessant, da wir diese als landschaftliches Element interpretiert haben. Dazu wurde der Höhenversprung zum vier Meter tiefer gelegenen Kutzerweiher über eine Stampfbetonwand abgefangen, die dem Ufer des Weihers mit leichtem Schwung folgt. Durch ihre Porosität und die deutlich ablesbaren Schichten des lagenweise eingebrachten Materials erinnert sie an die Sedimentschichten eines Steinbruchs. So wird die Wand vom baulichen zum landschaftlichen Element.
Ganz anders sieht es im Bereich der Gastronomie aus. Hier öffnet sich das Haus sehr viel stärker mit geschosshoch verglasten Innenräumen. Unter den weit auskragenden Dachflächen entwickelt sich so ein fließender Übergang zwischen innen und außen.
Blick auf die zentral positionierte Freitreppe und die geschwungene Stampfbetonwand. Das in Schichten eingebrachten Material weckt Erinnerungen an Sedimentschichten. (Foto: Brigida González)
Blick von Süden auf den Gastronomiebereich. Die raumhohe Verglasung, die dem Schwung des Daches folgt, stärkt die Verbindung von Innenraum und Landschaft. (Foto: Brigida González)
Wie hat sich das Projekt vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk verändert?
Im ersten Entwurf hatten wir als Ergänzung zur Neuen Parkmitte und der Sanierung der bestehenden Pflanzenschauhäuser noch eine »Grüne Schule« und ein Freizeithaus geplant. Diese beiden Neubauten waren als Solitäre für die gegenüberliegende Seite des Kutzerweihers gedacht und sollten eine ganz ähnliche, organisch geschwungene Formensprache besitzen.
Nun sind diese Häuser als zweiter Bauabschnitt geplant – wann und ob sie gebaut werden, ist allerdings noch nicht klar. Ich bin mir aber sicher, dass sie eine Bereicherung für den Park wären.
Blick in Richtung der 18 Meter hohen, mit 3 Pylonen gestalteten Großvoliere, die von einer Seilnetzkonstruktion umspannt wird. (Foto: Brigida González)
Welche Überlegungen stecken hinter den Entscheidungen für die eingesetzten Materialien?
Wir wollten auf jeden Fall möglichst robuste und dauerhafte Materialien verwenden, zum Beispiel Keramik für die Fassade. Das ist ein sehr langlebiges und wartungsfreies Material. Außerdem hat das Haus aus meiner Sicht ein vorbildliches Energiekonzept, das wir gemeinsam mit den Ingenieuren von Transsolar entwickelt haben. Wir heizen und kühlen über einen Wärmetauscher im städtischen Abwasserkanal. Außerdem haben wir die bestehenden Pflanzenschauhäuser aus den 1950er-Jahren thermisch saniert. Das waren die größten Energieschleudern überhaupt! Nachdem nun ihre Gebäudehüllen und haustechnischen Anlagen erneuert worden sind, brauchen diese Häuser nur noch ein Zehntel der Energie, die sie vorher benötigten.
Blick in die Unterwasserwelt: Umrahmt von Wänden aus leicht glimmerndem Kratzputz werden hier in 21 Aquarien Fische aus aller Welt gezeigt. (Foto: Brigida González)
Beschäftigten Sie sich im Büro mit den Tendenzen des zirkulären Bauens und der sozialen Nachhaltigkeit?
Ja, das zirkuläre Bauen ist für uns ganz sicher ein wichtiges Thema. Wir bilden uns ständig zu Themen wie Suffizienz oder einfachem Bauen fort. Vor ein paar Monaten hatten wir die Architektin Kerstin Müller von Zirkular aus Basel in unserem Büro zu Gast. Das war für uns eine sehr interessante und im besten Sinne nachhaltige Veranstaltung.
Lageplan (© Bez+Kock Architekten)
Grundriss Erdgeschoss (© Bez+Kock Architekten)
Grundriss Untergeschoss (© Bez+Kock Architekten)
Schnitt (© Bez+Kock Architekten)
2023
Theodor-Heuss-Anlage 3
68165 Mannheim
Nutzung
Gastronomie, Großvoliere, Pinguinanlage, Aquarien
Auftragsart
Wettbewerb
Bauherrschaft
Stadtpark Mannheim gGmbH
Architektur
Bez+Kock Architekten, Stuttgart / Projektteam: Erik Bossog (PL), Anna-Katharina Piontek, Thorsten Hannig, Jana Lang, Almut Reuter, Katharina Rindtorff
Fachplaner
Tragwerksplanung: wh-p Ingenieure, Stuttgart
HLS-Planung: Henne & Walter GbR, Reutlingen
Elektroplanung: Raible + Partner GmbH, Frankfurt a.M.
Bauakustik, Raumakustik, thermische Bauphysik: Müller BBM GmbH, Planegg
Klima- und Energiekonzept: Transsolar Klima Engineering, Stuttgart
Lichtplanung: Bartenbach GmbH, Aldrans (AT)
Brandschutz: Müller BBM GmbH, Planegg
Landschaftsplanung: Koeber Landschaftsarchitektur, Stuttgart
Örtliche Bauleitung
Planungsgruppe Wörmann GmbH, Ostbevern/ Mannheim
Ausführende Firmen
Sanitär: Morsch GmbH & Co. KG
Heizung: Kleissner Service GmbH
Interimsstromversorgung: EB Elektrotechnik
Umschluss Heizung Pflanzenschauhäuser: Rainer Dietrich Gewächshausbeheizung und Energieberatung GmbH
Baumfällarbeiten: Baumpflege Rohlfing GmbH
Zugang Gondoletta: Weiland Grünbau GmbH
Infrastruktur 1: Omexon GA Süd GmbH
Infrastruktur 2 (Hauptunternehmer): Schmitt & Scalzo Straßenbau GmbH
Infrastruktur 3 (Nachunternehmer Rohbau): Wehe & Kiesling GmbH & Co. KG
Infrastruktur 4 (Nachunternehmer Fernwärme): Effycor GmbH
Infratsruktur 5 (Nachunternehmer Asphalt): Straub KG
Abbruch: F&R Industriedemontage und Abbruch GmbH
Baustelleinrichtung und Baustrom: BplusL Infra Log GmbH
Wasserhaltung: Sax + Klee GmbH
Erdarbeiten: M. Korz Baggerbetrieb GmbH
Rohbau: Dreßler Bau GmbH
Stahlbau Voliere: Jakob GmbH
Dach: REFA Dachbau GmbH
Glasfassade: Berger GmbH & Co. KG
Keramikfassade: S+T Fassaden GmbH
Stampfbeton: Ritter-Bau GmbH
Edelstahlschlosser: Melzer und Co. GmbH Jahnsbach
Trockenbau: Haring Ausbau+Fassade GmbH
Maler: Heinrich Schmid GmbH & Co. KG
Nassputz: Kraft GmbH
Estricharbeiten: Rohrwick GmbH
Sichtestrich: R. Bayer Betonsteinwerk GmbH
Schlosser: Hestermann GmbH
Schreiner: Werkstätten Dickerhoff GmbH
Türen: Friedrich & Thomas Wandinger GbR
Vorhänge / Textilien: BauerHeilig GmbH
Beschichtungen: Hamann + Hirschwitz GmbH
Fliesen: Fliesen Amrhein GmbH
Beschilderung: Holub Werbetechnik GmbH
Aquarium Innenausbau: dekaform GmbH
Aquarium Medienhardware: promedia audiovisuelle Geräte GmbH
Aquarium Grafik: Oschatz Visuelle Medien GmbH
Aquarium Exponatebau: Bürolang
Aquarium Mediensoftware: Südstudio
Hersteller
Keramikfassade: NBK Keramik GmbH
Seilnetzkonstruktion Voliere: Jakob Rope Systems
Flüssig-Abdichtung Stahlbetondach: Remmers GmbH
Gründachaufbau: Paul Bauder GmbH
Innentüren: Domoferm GmbH & Co. KG / Köhnlein GmbH / Hörmann KG / GEZE GmbH
Edelkratzputz: Knauf Gips KG
Fliesen: Agrob Buchtal GmbH
Sanitärtrennwände: Schäfer Trennwandsysteme GmbH
Mobile Trennwand: Franz Nüsing GmbH & Co. KG
Außenbelag: Arena Pflaster, Braun Steine GmbH
Bruttogeschossfläche
4.125 m² Neubau / 4.583 m2 Pflanzenschauhäuser
Gebäudevolumen
24.857 m³ Neubau / 28.278 m3 Pflanzenschauhäuser
Gesamtkosten
k. A.
Auszeichnung
best architects 25 Award
Fotos
Brigida González