Clusterschule als Stadtbaustein

gernot schulz : architektur
19. Februar 2020
Links die denkmalgeschützte Grundschule mit Anbau, in der Mitte das Studienhaus und rechts das Gebäude der Realschule (Foto: Gernot Schulz)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Das Projekt ist schon als „Kommunales Forschungsprojekt“ bezeichnet worden. Dahinter steckt, dass es gleich mehrere „Modelle“ zum Thema Schule gibt, die mit ihm erstmalig gedacht und projektiert worden sind:

1. Ein innerstädtischer Schulcampus, der existierende Bildungseinrichtungen (Gymnasium, Abendgymnasium und zwei Jugendeinrichtungen) und neue (Kita, Grundschule, Realschule) zu einem Verbund zusammenfasst und gemeinsam genutzte Gebäude (Studienhaus und Mensa- beziehungsweise Ateliergebäude), die auch dem Quartier, seinen Bürgern und externen Nutzern zur Verfügung stehen, implantiert. 

2. Die Realschule nutzt den bestehenden Park nebenan als Schulhof. Keines der Gebäude ist eingezäunt – mit Ausnahme geschützter Außenbereiche beziehungsweise Gärten für die Kita und die Grundschule. Die Häuser werden direkt vom Stadtraum aus betreten. Die Flächen und Räume zwischen ihnen sind öffentlich. 

3. Der Planung wurde einer Leistungsphase 0 vorgelagert – das gab es bei noch fast keinem Schulprojekt in Deutschland. Zum ersten Mal ist der Bau einer Schule durch alle weiteren Planungsphasen von einem partizipativen Verfahren für Lehrer, Eltern und Schüler begleitet worden.

4. Als erstes Schulprojekt – zumindest in Köln – haben die Gebäude keine Flure im Sinne der LBauO. Alle Flächen „zwischen den Räumen“ sind Lernflächen, sie dürfen möbliert und genutzt werden. An die Wände in den Clustern wurden – mit Ausnahme jener der Fluchttreppenhäuser – keine Anforderungen hinsichtlich des Brandschutzes gestellt.

Links das Gebäude der Realschule, im Hintergrund das Studienhaus und im Vordergrund der Kindergarten (Foto: Simon Wegener)
Blick aus dem Park mit dem Gebäude der Realschule im Hintergrund; der Grünraum dient der Schule als Pausenhof und integriert so die Umgebung in den Schulalltag (Foto: Simon Wegener)
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?

Eine starke Gemeinschaft organisiert sich aus einer ersten Zelle heraus zu einem starken Ganzen. Dieses Grundprinzip der Biologie wurde auf die Organisation der Cluster und der Gebäudegrundrisse übertragen. Das Fünfeck stellte sich als ideale geometrische Form heraus, um das Arrangement aus drei Klassenräumen, Vertiefungs- und Nebenraumbereichen zu organisieren. 

Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?

Die Umgebung ist heterogen. Eine stadttypologische Struktur, auf die man sich beziehen könnte, ist nicht vorhanden. Die neue Schule prägt als Quartierzentrum das Viertel und darf aus dieser Position heraus einen neuen Ort kreieren.

Auflösung der klassischen Schulfassade: links das Studienhaus und rechts die Realschule (Foto: Simon Wegener)
Holz und Lamellenfenster im Wechsel (Foto: Simon Wegener)
Klinkerdetail am Aufgang zur Dachterrasse des Kindergartens (Foto: Simon Wegener)
Wie hat sich das Projekt vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk verändert?

Das einzige, was wir nach dem Wettbewerbsentwurf infrage gestellt haben, waren die Fassaden. Sie waren im Wettbewerb – obwohl das Innere schultypologisch völlig neu gedacht war – noch sehr an den Bandfassaden klassischer Schulbauten orientiert. Die nun sichtbare Fassadentypologie ist für Schulbauten neu und eher einer skalierten Wohnungsbaufassade entlehnt. Dies ist Absicht, stellt Schule heute doch einen Lern- und Lebensort dar – ein Zuhause auf Zeit. Die großen Fenster dienen der Kommunikation zwischen Innen- und Außenraum. Die kleinen aus Holz setzen die Schülerinnen und Schüler in die Lage, aus einer geschützten Position heraus das städtische Leben zu beobachten.

Mensa und Werkstättenhaus für alle Nutzer der Bildungslandschaft (Foto: Simon Wegener) 
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?

Die Grundrisse sind – in Anlehnung an die 400qm-Regel im Bürobau – multifunktional und flexibel ausgelegt. Die dadurch in Zukunft mögliche Umnutzung sichert dem Haus eine lange Lebenszeit und somit die Bindung seiner grauen Energie. Auf Verbundmaterialien wurde komplett verzichtet. Der angemessene Fensteranteil ohne großflächige Verglasungen und Sichtbetonwände im Inneren sichert ein träges Raumklima, das bedeutet, es gibt keine Aufheizungs- oder Abkühlungsspitzen in den Räumen.

Kindergarten, Aufgang zu den oberen Gruppenräumen (Foto: Simon Wegener) 
Grundschule, Allgemeine Unterrichtsräume mit Blick in den Gruppenraum (Foto: Simon Wegener) 
Grundschule, jeder Gruppenraum verfügt über eine eigene Kinderküche (Foto: Simon Wegener) 
Welche speziellen Produkte oder Materialien haben zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?

Sehr beschäftigt hat uns die Klinkerfassade mit den nicht rechtwinkligen Ecken und die Implementierung der Fenster. Alle Details sind auf Langlebigkeit und einen geringen Bewirtschaftungsaufwand sowie gute Alterungsfähigkeit ausgelegt.

Grundschule, Allgemeine Unterrichtsräume mit Blick in den Gruppenraum, hier gut zu erkennen, die unterschiedlichen Fenstergrößen und Brüstungshöhen. (Foto: Simon Wegener) 
Grundschule, Unterrichtsraum, Lehrmittelschrank mit Akustischer Ertüchtigung und Pinnwand (dunkelblau) oben und Garderobe, Schuh und Ranzenfächern unten (Foto: Britta van Hüth)
Lageplan der gesamten Bildungslandschaft Altstadt Nord (Zeichnung: gernot schulz : architektur)
Erdgeschossgrundriss des Baufelds B.1 mit Grundschule, Studienhaus, Realschule und Kindergarten (Zeichnung: gernot schulz : architektur)
Modell (Foto: gernot schulz : architektur)
Bildungslandschaft Altstadt Nord (BAN)
2020
Gereonswall 57
50670 Köln

Nutzung
Bildungscampus
 
Auftragsart
Begrenzter, zweiphasiger, architektonisch-freiraumplanerischer Realisierungswettbewerb mit freiraumplanerischem Ideenteil „Bildungslandschaft Altstadt Nord“ in Köln gem. RAW 2004
 
Bauherrschaft
Gebäudewirtschaft der Stadt Köln mit dem Amt für Schulentwicklung 
 
Architektur
gernot schulz : architektur GmbH, Köln
Entwurf: Prof Gernot Schulz, André Zweering
Projektleiterin: Raphaella Burhenne den Cayres
Mitarbeitende: Bernd Klepper, Martin Amme, Benedikt Reipen, Linda Hegenberg, Lara Ahrens McCarthy, Anne Maldener, Alexander Phan, Roman Beier, Sarah Klöpping, Cathérine Minnameyer, Maarten Naumann, Andrea Zoll
 
Fachplaner
Landschaftsarchitektur: topotek1, Berlin
 
Bauleitung
gernot schulz : architektur GmbH, Köln mit Ernst², Düsseldorf
 
Ausführende Firmen
Rohbau: Franz van Stephoudt GmbH & Co. KG, Weeze
Fenster Außentüren Rolläden: Tischlerei Berg GmbH & Co. KG, Overath
Maurerarbeiten: Lagierski Klinkerbau GmbH & Co. KG, Neckarsulm
Metallbauarbeiten, Montage + Anlagenbau: Gründken, Nottuln
Trockenbauarbeiten TischlerInnen: Peter Ruben Ausbau GmbH, Floh-Seligenthal
Fliesen und Plattenarbeiten: Fliesen-Naturstein Theo Deckers e.K. Heinsberg
Malerarbeiten: Claßen Malerwerkstätten, Euskirchen
Feste Möblierung, Peters GmbH, Sohren
Sanierung, Klunge Sanierung GmbH, Iserlohn
Landschaftsbau, Kring + Huppertz GmbH, Eschweiler
 
Hersteller
Sanitär: Keramag / Corian
Fliesen: Mosa
Licht: Prolicht / XAL / Trilux
Dachdeckung: Kalzip
Boden: Linoleum DLW / Forbo
Betonfertigteile: Meinders/ Steinfelder Betonwerk
Tür Drücker Schließanlage: FSB / Dorma / Geze
Lamellenfenster: Fiegar
Sonnenschutz: Warema
Türen: Neuform
Klinker: Backsteinkontor
 
Energiestandard
EnEv 2016
 
Bruttogeschossfläche
12.899 m² 
 
Gebäudevolumen
48.733 m³ 
 
Gesamtkosten
k.A.
 
Auszeichnung
1. Preis im Wettbewerb
 
Fotos
Simon Wegener
Gernot Schulz
Britta van Hüth

Andere Artikel in dieser Kategorie

Aus vielerlei Holz
vor einem Tag
Kompakte Vielfalt
vor 2 Wochen
Als Teil des Quartiers
vor einem Monat
-273°C in Berlin
vor einem Monat