Auftakt für den Campus Melaten

sop architekten
6. Februar 2019
Der neue Auftakt des RWTH Campus Melaten (Bild: B+E Fotografie)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Das CT² stellt zum einen städtebaulich den Auftakt für den dahinter liegenden Campus Melaten dar, zum anderen bildet es auch symbolisch das Initial für das neue Cluster Biomedizintechnik – das erste der 16 Forschungscluster, die in den kommenden Jahren auf einer Fläche von rund 800'000 m² entstehen werden. Dementsprechend hoch waren die Erwartungen an das neue Lehrgebäude, seitens des Bauherren, des Nutzers und natürlich auch seitens der Hochschule.

Neben den Anforderungen an einen repräsentativen Kopfbau und der dazugehörigen Adressbildungsfunktion, sollte das Auftaktgebäude einladend und kommunikativ sein, und das in einer modernen, technischen Formensprache, die der RWTH als führende, technische Hochschule entspricht. 

Der Baukörper steht auf einem Plateau und bildet das Tor zum dahinterliegenden Campus  (Bild: B+E Fotografie)
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?

Das CT² sollte nicht weniger als das «Tor zur Welt der Biomedizin» verkörpern. Der architektonischen Leitidee folgend verkörpert das Gebäude mit seinen geschlossenen Seiten und den transparenten, einladenden Glasfronten genau das: Ein Tor, eine Durchgangsgeste zum dahinterliegenden Campus.

Das Edelstahlgewebe der Flanken mit seiner begrenzten Transparenz verleiht dem Baukörper seinen geheimnisvollen Charakter. Als metallische Gaze erinnert es an die High-Tech Materialien der Medizin und Biomedizin und macht den Innovations- und Forschungsgeist der RWTH nach außen weithin sichtbar.

Die Konzeption des Atriums mit offenen Galerien, Brücken, Lern- und Leselounges kreiert eine offene und kommunikative Welt der Lehre und Forschung. 

Betonfertigteile erzeugen einen eleganten Übergang zwischen Edelstahlhaut und Glasfassade (Bild: B+E Fotografie)
Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?

Den enormen Erwartungshaltungen entsprechend haben wir ein Gebäude entworfen, das als Würfel nicht weiter reduziert werden kann. Durch seine überhöhte Position auf dem Plateau ist es ausdrucksstark und im Stadtraum präsent. Die stark reduzierte Architektur und die harten Oberflächen aus Edelstahl, Glas und Beton bilden darüber hinaus einen spannungsvollen Dialog mit der weichen, natürlichen Durchgrünung und Vegetation des Ortes.

Eine breite Treppe führt in die Foyerflächen des Untergeschosses und dient gleichzeitig als Kommunikationszone (Bild: B+E Fotografie)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren NutzerInnen den Entwurf beeinflusst?

Das Projekt ist das Ergebnis eines intensiven, iterativen Abstimmungsprozesses mit allen Beteiligten, insbesondere mit den späteren Nutzern des Universitätsklinikums Aachen. Erst diese gründliche, schrittweise Herangehensweise konnte den Entwurf von seiner ersten Vision wirtschaftlich und funktional in die tatsächlich realisierte Architektur überführen und dabei konnten die hohen konzeptionellen Anforderungen und gestalterischen Ansprüche bewahrt bleiben, insbesondere durch das Mitgehen der Bauherrenschaft, der Unternehmensgruppe Frauenrath, über vertraglich geschuldete Leistungen und Qualitäten hinaus. Diesen «guten Geist» unter allen Beteiligten erkennt man in der fertiggestellten Form des Gebäudes wieder.

Sitzgruppen und Raumtrenner sind elektrifiziert und mit speziellen Akustikstoffen ausgestattet (Bild: B+E Fotografie)
Wie hat sich das Projekt vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk verändert?

Der Grundriss des Gebäudes wurde über die Jahre der Planung und Realisierung ständig weiterentwickelt und optimiert. Die Umsetzung des Raumprogrammes und die Durcharbeitung des Entwurfes mit Brandschutz, Tragwerk und Haustechnik führten zu einem vergrößertem Footprint des Gebäudes.

Um die Proportionen des Würfels und die Gleichheit aller beteiligten Kanten einzuhalten, musste die Gebäudehöhe vergrößert werden und die Fassaden wurden nach oben hin verlängert. Dadurch konnte die auf dem Dach vorgesehene Haustechnik ins Innere des Gebäudes integriert werden. So erbrachte die Verbesserung der Gebäudeproportion gleichzeitig die Vermeidung sichtbarer Dachzentralen und unschöner Aufbauten.

Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?

Im Projekt tragen verschiedene Anlagen und Einbauten zu einer deutlichen Energieeinsparung bei. Die durchgängige LED-Beleuchtung, die Nutzung von Solarthermie sowie der Einbau eines Eisspeichers steigerten allesamt die Investitionskosten, senken nun jedoch erheblich den Energieverbrauch.

Besonders hervorzuheben sind die Luftbrunnen zur natürlichen Belüftung des zentralen Atriums. Dabei wird die Außenluft über Erdkanäle geführt, die auch unterhalb des Gebäudes verlaufen. Dort erzielt die Luft einen Kältegewinn im Sommer und einen Wärmegewinn im Winter von jeweils ca. 6 Grad. Dadurch reduziert sich die übliche Erwärmung bzw. Kühlung der Zuluft um diese Beträge vollkommen kostenfrei.

Die Garderobe kann dank integrierter Monitorwand auch als Präsentationsfläche genutzt werden (Bild: B+E Fotografie)
Welche speziellen Produkte oder Materialien haben zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?

Das eingesetzte Edelstahlgewebe ist ein gelungenes Beispiel dafür, wie die erforderliche Balance zwischen gestalterischem Anspruch und nötiger Wirtschaftlichkeit ideal gelingen kann. Das Gewebe symbolisiert die Innovationsfähigkeit einer technischen Elite-Universität und weckt die Assoziation des Biomedizin-Werkstoffs Edelstahl, andererseits erzeugt es durch die dahinterliegende Funktionsfassade aus Wärmedämmverbundsystem und Fensterbändern eine unter dem Strich sehr wirtschaftliche Gesamtfassade.

Die Klarheit und Deutlichkeit der Architektur beruht auf der Reduktion auf wenige, eingesetzte Materialen. Dabei sind hier insbesondere die sehr präzise gefertigten und montierten Betonfertigteile hervorzuheben, die einen eleganten Übergang zwischen Edelstahlhaut und Glasfassade ermöglichen.

Das im Inneren geplante Farb- und Möblierungskonzept aus Sitzgruppen, elektrifizierten Raumtrennern oder multifunktionalen Empfangstresen und Garderoben bricht bewusst die rigide Geometrie des Gebäudes und erzeugt so eine „Wohlfühl“-Atmosphäre für konzentriertes Arbeiten und den Wissensaustausch unter den Studierenden und Auszubildenden.

Grundriss Erdgeschoss
Schnitt
Cluster aus der Luft
CT² Center for Teaching and Training
2018
Forckenbeckstraße 71
52074 Aachen


Nutzung
Lehrgebäude


Auftragsart
Neubau


Bauherrschaft
Unternehmensgruppe Frauenrath, Heinsberg
A. Frauenrath Bau Concept, Heinsberg, als Generalübernehmer


Architektur
sop architekten | slapa oberholz pszczulny, Düsseldorf


Team
Wolfgang Marcour, Jörg Hartig, Jan Nosewicz, Kyra Ostrowski, Iljana Slapa, Viet Hoang, Pablo Uriona, Ryszard Rzadki


Fachplaner
TGA: Ten Technische Gebäudeausrüstung, Aachen
Landschaftsarchitektur: KRAFT.RAUM Freianlagenplanung, Krefeld
Tragwerk, Brandschutz, Bauphysik: Kempen Krause, Aachen
Innenarchitektur: sop architekten | slapa oberholz pszczulny, Düsseldorf


Bauleitung
A. Frauenrath Bau Concept, Heinsberg


Ausführende Firmen
Rohbau: Gebrüder Lorenz Bauunternehmung, Waltrop
Gewebefassade: GKD Gebrüder Kufferath, Düren


Bruttogeschossfläche
7.510 m²


Gebäudevolumen
37.796 m³


Gesamtkosten
k.A.


Fotos

B+E Fotografie

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