Architektonischer Dialog

Max Dudler
10. März 2021
Ostfassade mit Blick vom Hof (Foto: Stefan Müller)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Ein Hotel und ein Büro an einer Ausfallstraße, das ist ja so etwas wie die Kohlhaassche Generic-City par excellence. Aus der Bauaufgabe selbst lässt sich schwerlich ein Thema gewinnen. Der Reiz bestand für uns darin, aus den Bedingungen dieses speziellen Ortes eine Architektur zu entwickeln, die etwas Besonderes, etwas Einmaliges darstellt, ohne dabei ästhetisch zu spekulieren oder beliebig zu werden. Es stellte sich heraus, dass der architektonische Dialog mit dem benachbarten Sawade-Bau sehr gewinnbringend war. Beide Gebäude zusammen entwickeln jetzt etwas unheimlich Zeichenhaftes. Vor allem von der S-Bahn aus, die in einem langen Bogen längs an dem Ensemble entlangfährt, wirkt die Verbindung der beiden großen Baukörper signifikant.

Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?

Gerade die Einfachheit dieser Idee, die städtebauliche Figur des Sawade-Baus umzukehren, erzeugt die starke Identität des neuen Ensembles. Durch unsere Einfügung wird dieser Ort erst richtig erkennbar. Man könnte fast sagen, er erscheint überhaupt erst richtig auf der Landkarte. Die architektonische Gestaltung ordnet sich im Grunde der städtebaulichen Idee unter. Da das Haus in zweiter Reihe steht, versucht die Architektur die figürliche Qualität herauszuarbeiten, welche vor allem aus der Ferne wirkt.

Nordfassade mit dem Eingang zum Hotel (Foto: Stefan Müller)
Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?

In unserer Materialwahl reflektieren wir die durch den Klinkerbau geprägte Identität der Nachbarschaft. Die wollten wir stärken, da sie durch Sawades Bürobau aus den 1990er-Jahren negiert wird. Nebenan steht eine hübsche, als Klinkerbau errichtete Kapelle des früheren Baudirektors Paul Eggeling, nicht weit steht das imposante Stellwerk Ebertstraße von Brademann, auch der Bahnhof Schöneberg und die dazugehörigen Beamtenwohnhäuser sind Klinkerbauten. Wir finden, dass das natürliche Material, trotz des enormen Maßstabssprunges einen ruhigen angenehmen Hintergrund für den Friedhof abgibt. Bei genauer Betrachtung wird in der Fassade ein raffiniertes Relief erkennbar, welches ganz der Qualität des verwendeten Steins vertraut. 

Ostfassade (Foto: Stefan Müller)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren NutzerInnen den Entwurf beeinflusst?

Beim Bauen ist es wichtig, dass alle Beteiligten ihre Rolle verstehen und wahrnehmen. Wir haben hier glücklicherweise einen sehr intelligenten Bauherrn, der genau das verstanden hat. Wir hatten im Rahmen der Bindungen der Aufgabe alle Freiheiten, solange die wirtschaftlichen Ziele erfüllt waren. Nicht mehr und auch nicht weniger.

Wie hat sich das Projekt vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk verändert?

Gute Projekte werden mit jedem Bearbeitungsschritt immer besser. Dies war so ein Projekt. Wobei die Grundidee sehr schnell da war und wir insgesamt auch zügig vorangeschritten sind.

Ensemble aus Richtung Sachsendamm (Foto: Stefan Müller)
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?

Alle Dachflächen, insbesondere aber die kaskadierenden Terrassen der städtebaulichen Figur sind intensiv begrünt. Wenn alles angewachsen ist, sollen diese Terrassen wie die hängenden Gärten von Babylon wirken. Wenn man so will, schließt das an die Diskussionen zur begrünten Stadt an.

Welche speziellen Produkte oder Materialien haben zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?

Besonders stolz sind wir darauf, dass das Ziegelmauerwerk des Baus keine erkennbaren Dehnfugen aufweist. Das oben erwähnte Relief findet in dieser speziellen Detaillösung seine Begründung.

Lageplan (Zeichnung: Max Dudler)
Grundriss Erdgeschoss (Zeichnung: Max Dudler)
Schnit (Zeichnung: Max Dudler)
Hotel- und Bürogebäude Werdauer Weg
2020
Werdauer Weg 3
10829 Berlin
 
Auftragsart
Direktauftrag
 
Bauherrschaft
Werdauer Weg 3 Immobilien Projektentwicklungs GmbH & Co. KG

Architektur
Max Dudler, Berlin
Projektleiter: Alexander Bonte, Stellvertr. Projektleiter: Erik Lippold
Team: Miriam Barona, Hera Kastanaki, Liliya Lukynchuk, Clara Wellbergen

Fachplaner
Tragwerksplaner: Bornscheuer Drexler Eisele GmbH
TGA: Ingenieubüro ASTARA GmbH
Bauphysik/Akustik: BeSB GmbH Berlin Schalltechnisches Büro / WISSBAU Beratende Ingenieurgesellschaft mbH
Brandschutz: lenzenarchitekten
Verkehrsplanung: Hoffmann-Leichter / Ingenieurgesellschaft mbH
Landschaftsplanung: TDB Landschaftsarchitektur / Thomanek Duquesnoy Boemans Partnerschaft

Bruttogeschossfläche
12.983,5 m²
 
Gebäudevolumen
46.563,9 m³

Gesamtkosten
k.A.

Fotos
Stefan Müller, Berlin

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