Transparent und einladend

BHBVT
23. d’octubre 2019
Blick auf den Bibliotheksneubau ULMICUM (Visualisierung: BHBVT)
Auf dem zentrumsnahen, geisteswissenschaftlichen Campus der Universität Rostock soll ein Bibliotheksgebäude mit ergänzenden Seminar-und Nebenflächen entstehen. Welche Ausgangssituation haben Sie vorgefunden?

Die Universität Rostock hat sich mit geisteswissenschaftlichen Fakultäten in der ehemaligen Kasernenanlage an der Ulmenstraße eingerichtet. Die Anlage aus dem späten 19. Jahrhundert orientiert sich mit einer typischen, orthogonalen Strenge um einen zentralen Exerzierplatz und schirmt sich dabei vom öffentlichen Raum der Stadt weitgehend ab. Dem Universitätscampus wird dadurch die Möglichkeit genommen mit der Stadt in einen produktiven räumlichen Dialog zu treten. Es ist bisher auch keine klare Eingangssituation zum Campus formuliert und die Universität präsentiert sich derzeit nicht adäquat im Stadtraum. Dennoch ist der Campus stark frequentiert, was auch an der S-Bahn- und Tramhaltestelle im Südosten liegt. Es haben sich Wegeverbindungen diagonal über den Campus entwickelt, die auch von den Bewohnern der umliegenden Quartiere genutzt werden. Das Baufeld für die Neubauten spannt sich zwischen der ehemaligen Kasernenanlage und den Bahngleisen im Süden als nahezu dreieckige Fläche auf. 

Lageplan (Zeichnung: BHBVT)
Wie organisieren Sie das Projekt?

Ganz wesentlich ist die Zuweisung der unterschiedlichen Nutzungen in denkmalgeschützte Bestandsbauten und in neu zu errichtende Gebäude. Das Institut für Ur- und Frühgeschichte mit seinen Labor-, Büro- und Archivflächen haben wir in die bestehende Exerzierhalle und in das Arrestgebäude gelegt. Das Staatliche Schulamt Rostock und das Institut für Qualitätsentwicklung M-V bekommen einen gemeinsamen Neubau mit eigener Adresse an der Arno-Holtz-Straße. Bibliothek und Seminarzentrum werden in einem circa 130 Meter langen Hauptbaukörper entlang den Bahngleisen zusammengefasst. Ziel ist es, ein städtebauliches Ensemble zu schaffen, das zwischen Kasernenanlage und Stadt räumlich vermittelt, attraktive Außenräume bietet, einen adäquaten Eingang zum Campus schafft und den angrenzenden Freiraum „Am Röper“ räumlich fasst und aufwertet. Der Bibliotheksneubau verleiht der Universität Rostock mit seiner Größe, der eigenständigen Form und kraftvollen Materialität einen angemessenen und selbstbewussten Ausdruck.

Grundriss Erdgeschoss (Zeichnung: BHBVT)
Grundriss 1. Obergeschoss (Zeichnung: BHBVT)
Können Sie uns durch den Bibliotheksneubau führen, als ob er schon fertiggestellt wäre?

Der Eingang der Bibliothek orientiert sich zentral zum neuen polygonalen Vorplatz und ist gut auffindbar. Die Außenbestuhlung rechts des Eingangs weist auf die Cafeteria im Erdgeschoss hin, die auch Flächen des Foyers bespielt. Wenn man den Neubau betritt, steht man einem zweigeschossigen Atrium gegenüber, das Licht von oben auf eine großzügige Sitztreppe fallen lässt. Die Sitztreppe ist der kommunikative Treffpunkt des Hauses. Nimmt man die Treppe im Atrium nach oben, gelangt man in das Seminarzentrum im 1. Obergeschoss. Geht man rechts an der Sitztreppe vorbei steht man in der sogenannten Agora mit Cafeteria und angrenzenden Selbstlernflächen, die öffentlich und zum Teil 24/7 zugänglich sind. Biegt man vor der Sitztreppe nach links ab, gelangt man in den kontrollierten Bereich der Bibliothek mit den wichtigsten Servicefunktionen im Erdgeschoss. Hier liegt ein zweites Atrium, ebenfalls mit Oberlicht, jedoch dreigeschossig. Dieses Atrium verbindet alle 4 Fachzonen und die Forschungsbibliothek im 3. Obergeschoss miteinander. Auf allen Ebenen orientieren sich Kommunikations- und Gruppenarbeitsflächen um das Atrium, was diesen Raum zum lebendigen Zentrum der Bibliothek werden lässt. Die angrenzenden Fachzonen mit den Freihandbeständen und Stillarbeitsplätzen sind räumlich abgeschirmt, um hier eine jeweils deutlich ruhigere Arbeitsatmosphäre zu schaffen. Im 3. Obergeschoss liegt die Forschungsbibliothek, deren Lesesaal durch die Anordnung von Oberlichtern eine besondere Atmosphäre erhält. Das Lesecafe im 3. Obergeschoss liegt am vertikalen Atrium, hat jedoch auch Zugang zu einer eigenen Dachterrasse. 

Atrium (Visualisierung: BHBVT)
Welches architektonische Thema war Ihnen besonders wichtig?

Universitäten und Bibliotheken sind seit jeher sehr öffentliche und lebendige Orte. Dass die neue Bibliothek innerhalb eines gewachsenen städtischen Quartiers entstehen soll, hat diesbezüglich ein enormes Potential. Zudem wandeln sich derzeit die Lehrformate an den Universitäten, was sich unter anderem an dem enormen Bedarf an Selbstlernflächen ablesen lässt. Die Universitätsbibliotheken sind daher nicht mehr nur Bücherspeicher, sondern werden zu einem beliebten Lernort. Ziel unseres Entwurfes ist es, eine zeitgemäße Bibliothek zu schaffen, die darüber hinaus so flexibel und robust konzipiert ist, dass sie auf zukünftige Entwicklungen reagieren kann. Im Inneren möchten wir eine optimale Lernumgebung schaffen, nach Außen soll der Neubau transparent und einladend wirken.

Lesesaal (Visualisierung: BHBVT)
Welche Materialstrategie schlagen Sie vor?

Die beiden Neubauten beziehen sich mit dem gewählten Fassadenmaterial, einem roten Klinkermauerwerk, auf die bestehenden Gebäude des Campus und auf die regionale Bautradition und schaffen dadurch einen kraftvollen Ausdruck analog zu den historischen Gebäuden. Die Bibliothek wird durch ein strenges Raster mit tiefen horizontalen und vertikalen Mauerwerkselementen gegliedert. Nach Norden, zum Campus, wird das Raster mit großflächigen Festverglasungen und somit maximaler Transparenz ausgeführt. Die Seiten zur Stadt werden graduell opaker. Neben großen Glasöffnungen werden die Rasterausfachungen ganz oder teilweise mit transluzentem Gittermauerwerk oder komplett geschlossenem Mauerwerk gefüllt.

Gibt es schon einen geplanten Fertigstellungstermin?

Die gesamte Maßnahme wird voraussichtlich 2026 abgeschlossen sein.

Bibliotheksneubau ULMICUM an der Universität Rostock
Nichtoffener Realisierungswettbewerb

Auslober/Bauherr: Betrieb für Bau und Liegenschaften Mecklenburg-Vorpommern, Rostock, Schwerin, Greifswald, Neubrandenburg 

Jury
Prof. Jórunn Ragnarsdóttir, Vors. | Anja Epper | Prof. Dörte Gatermann | Prof. Joachim Andreas Joedicke | Dr. Anke Schettler | Stefan Wenzl | Prof. Oliver Hantke

1. Preis
Architekt: BHBVT Gesellschaft von Architekten mbH Berlin: Haberer Vennes Tebroke Jaeger, Berlin 
 
2. Preis
Architekt: Sinning Architekten, Darmstadt
Architekt: mtp architekten gmbh Martin Rudolf, Nana Busch, Frankfurt am Main
Fachplaner: LaboTech Planungs GmbH, Griesheim
 
3. Preis
Architekt: Baumschlager Eberle Architekten, Lustenau, Vaduz, Wien, Zürich, Hong Kong, Berlin, Hanoi, Paris, Hamburg, Saigon, Kraków

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