Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma

bez+kock architekten
13. d’octubre 2021
Blick auf den Haupteingang (Visualisierung: Renderbar)
Mit der geplanten Sanierung und einem Neubau soll für die nationale Minderheit der Sinti und Roma in Deutschland eine historisch signifikante Repräsentanz geschaffen werden. Welche Ausgangssituation haben Sie vorgefunden?

Bereits heute hat das Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma seinen Sitz auf dem spitzwinkligen Grundstück an der Ecke Zwingerstraße / Bremeneckgasse, mitten im Herzen der Heidelberger Altstadt. Es bespielt aktuell jedoch ein Gebäudeensemble von sehr heterogener Qualität. Ein denkmalgeschütztes, ehemaliges Lagerhaus aus dem frühen 18. Jahrhundert, sowie ein Gewölbekeller sind zu erhalten. Spätere Anbauten minderer Qualität aus den 1960er und 1990er-Jahren prägen das derzeitige Erscheinungsbild des Ortes sehr stark, so dass er aktuell weder der Bedeutung der Institution noch seiner prominenten Lage am Fuße des Heidelberger Schlosses gerecht wird. 

Bestand (Foto: bez+kock architekten)
Wie fanden Sie zum vorgeschlagenen Baukörper?

Die Findung einer stimmigen baukörperlichen Figur erforderte in diesem Fall aufgrund der äußerst komplexen städtebaulichen Rahmenbedingungen tatsächlich einen recht langen und nicht immer geradlinigen Entwurfsprozess. Wichtig war uns dabei stets, die für das Grundstück sehr große Baumasse so zu gliedern, dass eine dem Ort angemessene Maßstäblichkeit gewahrt wird. Dies gilt für Grundriss und Aufriss gleichermaßen. Der Topografie folgend, staffelt sich der Baukörper in seiner Höhe, es entsteht eine reizvolle Dachterrasse mit Blick über die angrenzende Altstadt. Dem sehr spitzwinklig zulaufenden Grundstück begegnet das polygonale Gebäude mit einer einladenden, konkaven Geste, die dem dichten Stadtraum einen baumbestandenen Eingangsvorplatz abtrotzt. Zur sehr schmalen Zwingerstraße hin weicht der Neubau zurück und stellt so die vorhandene historische Sandsteinmauer frei. Der rückwärtige Anschluss an das denkmalgeschützte, ehemalige Lagerhaus erfolgt durch eine weitere Höhenstaffelung unterhalb von dessen Traufe. Der Baukörper entstand also zu großen Teilen als logisches Resultat der Bedürfnisse von Ort und Funktion. Die zentrale entwurfliche Herausforderung war deshalb für uns, trotz dieses engen Korsetts, dem Haus ein gleichermaßen prägnantes wie selbstverständliches Gesicht zu verleihen.

Lageplan (Zeichnung: bez+kock architekten)
Wie organisieren Sie das Gebäude?

Das Erdgeschoss verzahnt das Gebäude mit der umgebenden Stadt. Hier sind deshalb die öffentlichsten Funktionen des Hauses versammelt. Neben dem Foyer und Empfang sind dies ein großer Veranstaltungssaal, der Seminarraum und das Café mit seiner Außengastronomie am Vorplatz. Der doppelgeschossige Veranstaltungssaal lässt sich mit dem Foyer zu einer vielfältig bespielbaren Zone zusammenschalten. Eine großzügige Wendeltreppe führt hinauf in die Dauerausstellung, die sich über zwei Etagen erstreckt und auch den zentralen Ort des Gedenkens aufnimmt. Der innenräumliche Zusammenhang der Dauerausstellung wird über einen verbindenden Luftraum und eine zusätzliche interne Treppe unterstützt. Das oberste Geschoss ist der Sonderausstellung und einem Künstleratelier vorbehalten. Von hier aus ist auch der Ausgang auf die Dachterrasse möglich. Verwaltung und Bibliothek nutzen den denkmalgeschützten Altbau. 

Gundriss Erdgeschoss - Foyer, Veranstaltung (Zeichnung: bez+kock architekten)
Schnit (Zeichnung: bez+kock architekten)
Können Sie uns durch das Projekt führen als ob es schon fertiggestellt wäre?

Bis zur Fertigstellung des Hauses ist es bestimmt noch ein weiter Weg. Dennoch kann ich gerne unsere Raumidee erläutern: Die beengte Grundstückssituation hat es erforderlich gemacht, die öffentlichen Funktionen des Hauses auf insgesamt vier oberirdischen Etagen übereinander zu stapeln. Diese Stapelung ist für ein öffentliches Gebäude funktional nicht ganz einfach zu bewältigen, darum war es uns wichtig diese mit einer attraktiven Erschließung und innenräumlichen Verknüpfungen anzureichern. Eine sehr breite Wendeltreppe mit offenem Treppenauge und zenital einfallendem Licht ist dabei das zentrale und Orientierung gebende Erschließungselement. Jeweils zwei benachbarte Etagen haben wir dann über doppelgeschossige Situationen räumlich zueinander in Beziehung gesetzt, um so ein vertikales Raumkontinuum entlang des Weges durchs Gebäude zu schaffen. So ist der doppelgeschossige Veranstaltungssaal im Erdgeschoss auch im Bereich der darüberliegenden Dauerausstellung präsent. Diese wiederum verfügt über einen internen Luftraum mit offener Treppe zum 2.Obergeschoss. Dort haben wir den Ort des Gedenkens angeordnet, der ebenfalls über zwei Geschosse die Sonderausstellung im 3.Obergeschoss durchdringt und über das Dach belichtet wird. 

Bei der Dramaturgie der Wegeführung durchs Haus spielt zudem das Licht eine entscheidende Rolle. Das Foyer als Auftakt des Weges ist zum Eingang hin großzügig befenstert und führt dann durch die eher introvertierten Ausstellungsgeschosse dem Licht folgend hinauf, um sich dort zur Dachterrasse hin wiederum zu öffnen. So ergibt sich für die Besucher eine innere Raumgestalt mit vielfältigen räumlichen Verknüpfungen und überraschenden Blick- und Wegebeziehungen.

Blick in die Dauerausstellung (Visualisierung: Renderbar)
Welches architektonische Thema war Ihnen besonders wichtig?

Das Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma hat zwei enorm wichtige Aufgaben in unserer Gesellschaft zu übernehmen. Es ist einerseits öffentliche Plattform für das reichhaltige und lebendige kulturelle Schaffen der Sinti und Roma und andererseits aber auch Ort der Erinnerung an das Unrecht, welches dieser Minderheit in Deutschland widerfahren ist. Insofern muss das Haus in gleichem Maße bauliche Hülle für Zukunft und Vergangenheit sein. Es muss Spielerisches und Ernsthaftes in seiner Baulichkeit vereinen. Dabei war es der Ausloberin sehr wichtig, nicht die naheliegenden, folkloristischen Reflexe zu bedienen. Die schlüssige Verbindung einer funktional stimmigen Innenraumfigur mit einem identitätsstiftenden und stadtverträglichen äußeren Erscheinungsbild war für uns das zentrale architektonische Thema des Entwurfes.

Ansicht Nord-Ost (Zeichnung: bez+kock architekten)
Ansicht Süd-Ost (Zeichnung: bez+kock architekten)
Welche Materialstrategie schlagen Sie vor?

Die Heidelberger Altstadt ist geprägt vom ortstypischen roten Sandstein des Neckartales. Diesen Stein möchten wir auch gerne als massive Vormauerschale für die Fassade des Dokumentations- und Kulturzentrums einsetzen. Er verleiht dem Haus Handwerklichkeit, Authentizität und Dauerhaftigkeit. Da die Oberfläche des Sandsteins glatt gesägt etwas monoton wirkt, schlagen wir vor, seine Oberfläche steinmetzmäßig zu behauen. Im Bereich der Fensterflächen wird die Fassade als plastisches Reliefband fortgesetzt, um die Skulpturalität des Volumens zu stärken. Im Inneren denken wir an einen hellen Terrazzoboden, verputzte Wandflächen als Ausstellungsträger und eine Deckenuntersicht mit sichtbar belassenen Betonrippen.

Schnitt (Zeichnung: bez+kock architekten)
Gibt es schon einen geplanten Fertigstellungstermin?

Nein. Die nächsten Planungsschritte sind noch mit unserem Auftraggeber abzustimmen. Bis zur Fertigstellung wird es noch etwas Geduld erfordern.

Modell (Foto: IBA Heidelberg)
Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma in Heidelberg
Nicht offener Wettbewerb
 
Auslobung: Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma e.V., IBA Int. Bauausstellung Heidelberg GmbH
Betreuung: stadt.bau.plan GmbH, Darmstadt
 
Jury
Prof. Markus Neppl, Köln/Karlsruhe, Vors. | Dr. Sonja Beeck, Berlin | Prof. Johannes Kuehn, Berlin/Weimar | Jürgen Odszuck, 1. Bürgermeister, Heidelberg | Prof. Jórunn Ragnarsdóttir, Stuttgart | Carl Zillich, IBA Heidelberg | Dr. Joachim Baur, Historiker, Berlin | Herbert Heuss, Zentralrat Dt. Sinti und Roma | Romani Rose, Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma | Andreas Schüle, MWK Baden-Württemberg | Emran Elmazi, Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma
 
1. Preis
bez+kock architekten, Stuttgart
Martin Bez, Thorsten Kock
Mitarbeit: Rouhollah Ghaderi, Tilman Rösch, Yong Liang
Modell: Boris Degen, Esslingen
Visualisierung: Renderbar, Stuttgart

ein 3. Preis
Georg · Scheel · Wetzel Architekten, Berlin
 
ein 3. Preis
meck architekten, München

Altres articles d'aquesta categoria