Das Pendant oder: Berlin Babylon

Ulf Meyer
4. de setembre 2019
Foto: Andreas Rost

Als der Suhrkamp-Autor Robert Menasse mit seinem Buch „Die Hauptstadt“ den Deutschen Buchpreis gewann, muss es sich für seinen Verleger wie ein doppelter Ritterschlag angefühlt haben: Die Brüsseler Geschichte hat dem Verlag nicht nur Erfolg und Umsatz gebracht, der Verleger selbst freute sich derweil, in einer anderen europäischen Hauptstadt ein neues Domizil für den berühmten Verlag einzurichten; In Berlin. Nicht irgendwo, sondern im besten Teil von Mitte, unweit der Volksbühne, am Rosa-Luxemburg-Platz. Der große frühmoderne Architekt Hans Poelzig, hatte 1929 rund um den Platz eine Randbebauung mit dem berühmten Kino Babylon entworfen. Die ockerfarbenen Putzfassaden der acht Gebäude prägen den damals Bülowplatz genannten Stadtraum bis heute. Nördlich des Platzes hat der Berliner Architekt Roger Bundschuh einen Neubau für den Suhrkamp Verlag gebaut, der vergangene Woche eingeweiht wurde und der auf Poelzigs städtebauliches Ensemble eingeht. Wie der große Meister des Werkbunds zuvor, so hat auch Bundschuh nicht zum ersten und einzigen Mal an dem Platz ein Haus entworfen. Das schwarze Wohn- und Geschäftshaus mit dem prosaischen Namen „L40“ markiert bereits den Eingang an der Rosa-Luxemburg-Straße. Bauherr ist nicht nur der bekannte Suhrkamp-Verlag, sondern mit der IBAU AG, genau die Baugesellschaft, die schon in den 1920er-Jahren die Neuordnung des ärmlichen Scheunenviertels nach den Plänen von Poelzig initiiert hatte. Die Flächensanierung sollte die Wohnverhältnisse dramatisch verbessern.

Foto: Andreas Rost

Der Suhrkamp Verlag, einer der bekanntesten Literatur-Verlage in Deutschland, hatte seine Stammsitz in Frankfurt am Main, wo er 1950 von Peter Suhrkamp gegründet wurde. Nach Berlin umgezogen war er bereits 2010, zunächst in ein Provisorium. Es ist nicht zuletzt der Birgit Steenholdt-Schütt zu verdanken, dass der Verlag und sein Sitz nun die Hauptstadt schmücken. Die Hamburger Juristin will aus der Umgebung ein Kulturquartier machen und einen Kunstverein ansiedeln. Steenholdt-Schütt ist im Vorstand der “Industriebaugesellschaft Centrum am Bülowplatz“ und leitet auch den Verein zur Förderung von Kunst und Kultur am Platz. Die Chance, eine Baulücke an der Ecke Tor-/Rosa-Luxemburg-Straße, im Rücken der Volksbühne, mit einem Verlagssitz zu schließen, war einfach zu verlockend. 

Bundschuh bekam den Bauauftrag ohne Ausschreibung. Seine Referenz ist das bereits genannte und auch von ihm entworfene gegenüberliegende L40 – ein zerklüftetes, aber dennoch monolithisch wirkendes Wohn- und Geschäftsgebäude. Beim Suhrkamp-Haus hat Bundschuh den Treppenhaus-Kern in sichtbarer Beton-Ästhetik belassen. Die Sammlerwohnungen besetzten eine städtebaulich schwierige Ecke der Stadt mit einem Wohnhaus für Kunstsammler auf einem dreieckigen Grundstück. Die verschachtelten Volumen führten zu vielgestaltigen Wohnungen hinter schwarzem Beton.

Wohn- und Geschäftshaus L40 (Foto: © Jan Bitter)

Auch wenn Bundschuhs zweiter Bau am Platz, der Suhrkamp-Verlagssitz, mit seinen großen Glasflächen und einer hellen Aluminiumfassade mit seinem Pendant architektonisch wenig gemein zu haben scheint, bilden die beiden Bauten doch wie ein Tor zur Torstraße. Eine kleine Grünfläche mit Bäumen wird dort bald wieder begehbar sein, am Eingang wird ein Restaurant eröffnet sowie der Durchgang von der Torstraße direkt unter dem Gebäude, der quer auf einen dreieckigen Vorplatz mündet. Die Grünfläche auf dem Platz – noch eine Baustelle – ist wohl Erinnerung an den früheren Park an selber Stelle. Innen hingegen ging es dem Architekten darum, Orte des Geistes zu schaffen, an denen man mal konzentriert lesen und schreiben kann, mal mit Kollegen oder Gästen angeregt sprechen kann. Nicht nur die Räume sind von Bücherregalen gesäumt, selbst die Treppen werden an einer Seite von Bücherregalen flankiert. Darin liegt der Schatz des Hauses aufbewahrt. Die „narrative Treppe“ wird von Regalen begleitet, in denen die farbigen Buchrücken des Verlags gut zur Geltung kommen. Die Einzelbüros liegen zur Torstraße hin, aber auch in den Großraumbüros, die nach Süden orientiert sind, gibt es Rückzugs- und Kommunikationsinseln – mit Bücherregalen als Raumteiler. Der Neubau dient nicht nur den 130 Mitarbeitern, mit direktem Anschluss an die Poelzig-Bauten gibt es auch einen Wohntrakt. Über einen zweigeschossigen Bau verbunden, rahmen die beiden Volumen einen dreieckigen Platz, in dessen Ecke sich ein Durchgang befindet mit „Späti“. Die Nachbarschaft bietet zudem noch weitere Attraktionen: Buchhandlung, Galerien Bars und Läden.

Axonometrie: Bundschuh Architekten

Auch wenn Bundschuhs neuester Neubau am Luxemburg-Platz weniger skulpturalen Mut beweist als sein Vorgängergebäude, sind Schale wie Kern zweifellos ein Schmück für Berlin. Die Stadt erlebt derzeit eine Welle von interessanten Verlags-Neubauten: Das taz-Haus in Kreuzberg wird bald von Rem Koolhaas‘ Neubau für den Springer-Verlag in Kontrast gesetzt. Verlage bauen wieder!

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