Nach oben schauen

Barkow Leibinger
31. de maig 2017
Der Kopfbau der Erweiterung verleiht der Produktions- und Montagehalle zur Straße hin ein Gesicht (Foto: Stefan Müller)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Regine Leibinger: Vielleicht klingt es trivialer als es ist – die besondere Herausforderung bestand vor allem darin, eine bestehende Produktionshalle aus dem Jahr 2004 bei laufendem Betrieb zu erweitern. Hierfür haben wir die vorhandene Halle quasi „aufgeschnitten“ und mit einer temporären Leichtbauwand verschlossen, damit dort weiter gearbeitet werden konnte. Ebenso anspruchsvoll war dann das Zusammenführen der beiden Gebäudeteile, denn schlussendlich muss ja auch die gesamte Technik wieder ein geschlossenes System ergeben. An zwei Wochenenden, also außerhalb der Arbeitszeiten, wurden Leitungen und andere Installationen aus der alten in die neue Halle hineinverlängert. Heute ist die „Nahtstelle“ nur für jemanden sichtbar, der diesen Hintergrund kennt.

Erweiterung im gleichen Bild - der Bestand ist heute um zwei Hallenschiffe ergänzt (Zeichnung: Barkow Leibinger)
Nach oben schauen: Ein Stahlrost überspannt die Halle wie eine Schachbrettstruktur, in der punktuell Oberlichter zur Belichtung eingesetzt sind. (Foto: Stefan Müller)
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?

Regine Leibinger: Da die Halle eine Erweiterung unserer Montagehalle von 2004 ist, haben wir uns natürlich an deren gestalterischen Prinzipien orientiert. Der vorhandene Raum wurde um zwei weitere Hallenschiffe ergänzt, außerdem kam ein Kopfbau mit Verwaltungsfunktionen hinzu, der dem Ganzen nun zur Straße hin ein Gesicht gibt.

Frank Barkow: Die amerikanische Architekturprofessorin Sarah Whiting hat zu unserem Buch Spielraum ein Essay beigetragen, das looking up heißt, also „nach oben schauen“. Sie schrieb darin, dass sich bei unseren Projekten immer ein Blick nach oben lohnt – auch in der Montagehalle in Neukirch. Sarah findet, dass wir eine besondere Beziehung zu Decken haben und diese unterschätzte Oberfläche als ein Experimentierfeld der Architektur nutzen – und nicht nur als einen Ort der technischen Pflichterfüllung.„Ihre Decken“, so steht es da, „definieren den Raum, sie inszenieren den Lichteinfall oder sind einfach derjenige Bereich, an dem ein gewünschter architektonischer Umgang mit einer Oberfläche so frei ausgelebt werden kann, wie er an einer Wand oder auf dem Boden unmöglich wäre.“ Besser kann ich es nicht sagen.

Regine Leibinger: Die Halle in Neukirch wird von einem Stahlrost überspannt, der eine Spannweite von 25m zwischen den Betonstützen erlaubt. Das ist für die Produktion so erforderlich. Punktuell haben wir Oberlichter eingesetzt, die zusammen mit einem Profilglasband viel Tageslicht in die Halle einlassen. Eine gute Arbeitsatmosphäre und beste Bedingungen am Arbeitsplatz waren dem Bauherrn und uns besonders wichtig.

Ein „Lichtgraben“ trennt Kopfbau und Halle und sorgt für mehr Licht an den ... (Foto: Stefan Müller)
... dahinter liegenden Arbeitsplätzen. (Foto: Stefan Müller)
Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?

Frank Barkow: Der Standort ist von einer langen industriellen Tradition geprägt, es fing in den 1920er-Jahren mit einer Rucksackfabrik an, zu DDR- Zeiten war hier ein Landmaschinenkombinat. Es wurde immer irgendetwas hinzugebaut, aber der große Zusammenhang hat gefehlt. Nach der politischen Wende ist Trumpf eingestiegen, und wir haben ab 1993 einen Masterplan entwickelt und umgesetzt. Wir haben auch viele ältere Bestandsbauten aufgewertet und weitergebaut. Es ging und geht vor allem darum, Ordnung herzustellen, klare räumliche Zusammenhänge zu schaffen und auch die Freiflächen aufzuwerten. Die neue Montagehalle ist ein wichtiger Baustein in diesem Masterplan.

Die Galerieebene über dem Wareneingang ermöglicht einen Überblick in das Halleninnere. (Foto: Stefan Müller)
Die Fassade besteht aus großen, glatten Sichtbeton-Fertigteilen, am Kopfbau sind diese in die Fensterlaibungen hinein abgeschrägt. Eine weite Auskragung ermöglicht eine stützenfreie Lkw-Ausfahrt. (Foto: Stefan Müller)
Welche speziellen Produkte oder Materialien haben zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?

Regine Leibinger: Ich denke, im Speziellen vor allem die Qualität des Sichtbetons. Die Fassade besteht aus großformatigen Sichtbeton-Fertigteilen, am Kopfbau sind sie in die Fensterlaibungen hinein abgeschrägt, sodass über die ganze Länge der Fassade eine leicht gefaltete Struktur mit einer gewissen räumlichen Tiefe entsteht. Insgesamt waren die einfachen, robusten, in ihrer Eigenheit belassenen industriellen Materialien wichtig für das Projekt.

Die neue Montagehalle ist ein wichtiger Baustein des seit 1993 für Trumpf erarbeiteten Masterplans (Zeichnung: Barkow Leibinger)
Grundriss Erdgeschoss (Zeichnung: Barkow Leibinger)
Schnitt (Zeichnung: Barkow Leibinger)
Erweiterung Montagehalle
2017
Leibingerstraße 13
01904 Neukirch

Nutzung
Industrie, Büro

Auftragsart
Direktauftrag

Bauherr
Trumpf Sachsen GmbH

Architektur
Barkow Leibinger, Berlin
Frank Barkow und Regine Leibinger
Lukas Weder (Projektleiter), Johanna Burkert, Andreas Hertel, Henrike Kortemeyer

Fachplaner
Bauleitung/ Ausschreibung/ Objektüberwachung: Bauplanung Bautzen
Landschaftsarchitektur: capatti staubach, Berlin
Tragwerksplanung: HHT-Bauingenieure, Berlin
Klima – und Energiekonzept/ Bauphysik: Ingenieurbüro für Bauphysik Horstmann + Berger, Altensteig
Heizung/ Lüftung/ Sanitär: Planungsgruppe M+M AG, Dresden
Elektroplanung: Ingenieurbüro Lehner & Sachse, Wilthen
Fassadenplanung Kopfbau: KFE Kucharzak Fassaden Engineering, Berlin
Tiefbau/ Verkehrsanlagen: Ingenieurbüro Hauswald GmbH, Bischofswerda

Bauleitung
Bauplanung Bautzen, Bautzen

Bruttogeschossfläche
5.622 m²

Gebäudevolumen
44.109 m³

Gesamtkosten
k.A.

Fotos
Stefan Müller, Berlin

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