Gemeinsam für sich sein

Autor:
Thomas Geuder | Praxis
Veröffentlicht am
Okt. 10, 2012

Ob Zellen-, Gruppen- oder Großraumbüro – moderne Bürokonzepte stellen den Menschen und die Arbeitsatmosphäre in den Mittelpunkt. Welche Bandbreite des Fürsichseins und Zusammenarbeitens dabei möglich ist, zeigen Ippolito Fleitz, Strähle und schlaich bergermann in Stuttgart.
In der Stuttgarter Hauptzentrale des Ingenieurbüros schlaich bergermann und partner ist ein modernes Bürokonzept entstanden, das sich an den Bedürfnissen des Menschen orientiert. (Foto: Zooey Braun) 
Es könnte doch so schön sein: Jeder Büroarbeiter hat seinen eigenen Raum mit eigenem Tisch, Schrank und Ablage – das eigene Reich eben! Für viele ist das Zellenbüro nach wie vor die einzig wahre Lösung einer angenehmen Arbeitsumgebung, letztendlich weil sie hier uneingeschränkte Individualisierungs- und Rückzugsmöglichkeiten haben. Experten wissen jedoch auch: Gerade solche Bürostrukturen führen dazu, dass sich die einzelnen Mitarbeiter einigeln und in der Folge die Kommunikation und die Zusammenarbeit auf der Strecke bleiben. Der Gegenentwurf zum Zellenbüro wäre das Großraumbüro, bei dem Teamworking zwar nahezu grenzenlos möglich ist, der Individualität jedoch nur wenig Raum bleibt und man jedes Wort der Kollegen mithören muss – ein ebenso wenig zukunftsträchtiges Konzept also. Neue Technologien in der Arbeitswelt vor allem im digitalen Bereich lassen Planerherzen seit Anfang der 1990er-Jahre jedoch wieder höher schlagen. Da ist plötzlich die Rede von non-territorialen Büros, Lounge-Workspaces, Business-Clubs und Desksharing-Arbeitsplätzen. Hinter all diesen „Erfindungen“ steckt die Erkenntnis, dass individuelle Rückzugsmöglichkeiten für konzentriertes Arbeiten ebenso wichtig sind, wie spontane Treffen in informellen Zonen, der berühmten Kaffee-Ecke also. Es geht also darum, die Mitarbeiter mehr oder minder gezielt zusammenzuführen und ihnen gleichzeitig die Möglichkeit zu geben, sich zurückzuziehen.
Im Wartebereich, in dessen Rücken ein freistehendes Glasregal die Auszeichnungen des Büros ausstellt, erhält der Besucher bereits einen Einblick in die offenen Kommunikationsstrukturen des Unternehmens. (Foto: Zooey Braun) 
Die glückliche Mischung zwischen offen und geschlossen ist eine Kombination aus mehreren Einzelbüros, abgetrennten Team-Arbeitsbereichen mit gänzlich offenen Zonen. Spielerisch umgesetzt wurde dies bereits vor einigen Jahren im Google EMEA Engineering Hub in Zürich von Camenzind Evolution, wo den Mitarbeitern neben dem Standard-Schreibtisch auch Arbeitsplätze zum Beispiel in Gondeln oder im Gewächshaus eingerichtet wurden. Derartige Arbeitsatmosphären bringen zwar Farbe in den Alltag, doch um den Mitarbeitern gute Arbeitsbedingungen zu geben, bedarf es nicht unbedingt der Erschaffung solcher Raumwelten. Eindrucksvoll zeigen dies Ippolito Fleitz mit ihrem Umbau eines siebenstöckigen Bürohauses aus den 1970er-Jahren für das international renommierte Ingenieurbüro schlaich bergermann und partner in Stuttgart. Trotz nicht vorhandener bunter Spielwiesen ist hier eine interessante Collage aus kommunikativen Zonen mit ganz unterschiedlichen Atmosphären entstanden, in denen sich die Mitarbeiter ganz unterschiedlich begegnen können. Kommunikatives Herz der Raumkonfiguration ist die erste Etage, in der sich Empfang, Treffpunkt, Bistro und Besprechung mischen. In den fünf Stockwerken darüber befinden sich die Arbeitsplätze.
Die spiegelnde Oberfläche der Metallrasterdecke reflektiert das durch die raumhohen Glaswände tief eindringende Licht zusätzlich. (Foto: Zooey Braun) 
Transparenz und Nachbarschaft und doch akustische Trennung werden in allen Stockwerken durch  raumhohe Glaswände erzeugt. Deren bis auf ein konstruktives Minimum reduzierte Präsenz entsprach der Entwurfsidee der Planer einer maximalen räumlichen Durchgängigkeit. Mit einer Profilhöhe von nur 35 mm und den nur wenig sichtbaren Fugen zwischen den einzelnen Scheiben strukturieren die Glastrennwände den Raum nur dezent. Leichte, semitransparente Vorhänge erlauben das zeitweise zusätzlich optische Abtrennen einzelner Büros. 16 mm starkes Verbundsicherheitsglas bei einigen Büros erzielt in Verbindung mit der SI-Akustikfolie einen Schalldämmwert von 41 dB.

Ein zentraler Kommunikationsort, der zum Treffpunkt aller Abteilungen wird war das Ziel für die Planer von Ippolito Fleitz. Entstanden ist darüber hinaus eine moderne Arbeitswelt, die unter einem gemeinsamen Layout verschiedene Raumsituationen vereint. Transparente Wände, akustische Trennung, optische Verbindung, Rückzugsmöglichkeit, Sehnsucht nach Individualität und kommunikatives Miteinander – all das ist gleichzeitig möglich in der neuen Hauptzentrale von schlaich bergermann und partner in Stuttgart.  tg
 

Strähle Trennwandsystem 3400, Details Ganzglastür und Fuge. (Abbildung: Strähle) 
In der ersten Etage befindet sich das kommunikative Herz, in dem in unterschiedlich großen und abgetrennten Raumsituationen Gespräche geführt werden können. (Foto: Zooey Braun) 
Aufbau der fünf oberen Bürogeschosse 
Schwebende, an der Stützkonstruktion des Gebäudes aufgehängte Möbel separieren die offenen Bereiche in einzelne Einheiten und signalisieren gleichzeitig Offenheit. (Foto: Zooey Braun) 
Eine Lichtwand am Ende der Achse in den oberen Arbeitsplatz-Geschossen setzt einen visuellen Fokuspunkt. (Foto: Zooey Braun) 
Die neue Firmenzentrale von schlaich bergermann und partner fällt durch ihre offene Fassade mit großzügigen Büros im Innenraum auf. (Foto: Zooey Braun) 
Beispielgrundriss 3. OG 
Grundriss 1. OG 
Zonierung 1. OG 
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Strähle Raum-Systeme GmbH
Waiblingen, D

Projekt
Firmenzentrale schlaich bergermann und partner
Stuttgart, D

Hersteller-Kompetenz
Ganzglas-Trennwandsystem 3400

Innenarchitektur
Ippolito Fleitz Group
Identity Architects

Stuttgart, D

Architektur
steinbrink . krumpe  architekten + stadtplaner gbR
Stuttgart, D

Bauherr
sbp GmbH
Stuttgart, D

Fertigstellung
2011

Bildnachweis
Zooey Braun
Strähle