Das neue Herz des Klinikums

Autor:
Peter Petz
Veröffentlicht am
Sept. 7, 2010

Arcass Freie Architekten BDA, Otmar Müller, Lucas Müller, Erika Putz, Bernhard Kullak, Manfred Ehrle, gewinnen den Wettbewerb um das Zentrum für Innere Medizin und Zentrum für Operative Medizin Klinikum Stuttgart. Lucas Müller stellt sich unseren Fragen zum Wettbewerb.
 
Welche Bedeutung hat der Wettbewerb für das Klinikum Stuttgart?
Die Wettbewerbsaufgabe wird auch „Das neue Herz des Klinikums“ genannt. Mit der Zusammenführung des Zentrums für Innere Medizin, des Zentrums für Operative Medizin und des Neurozentrums auf dem Gelände des Katharinenhospitals wird der künftige Dreh- und Angelpunkt des Klinikum-Standorts Mitte geschaffen. Kurze Wege bei gleichzeitig maximalem Angebot für die Patienten charakterisieren dieses neue medizinische Zentrum. Das Klinikum erwartet durch die Integration der Zentren mit der Neuvernetzung der medizinischen Funktionsstellen optimierte Betriebsabläufe. Nach der Einschätzung des Preisgerichts ist mit unserem Entwurf die Prozessoptimierung auch unter ökonomischen Gesichtspunkten überzeugend umgesetzt.
 
Wie binden Sie das Projekt in den städtebaulichen Kontext ein?
Das Areal für die Neubauten liegt am Rand der Innenstadt an der verkehrsreichen Kriegsbergstraße, zwischen dem viergeschossigen Eingangs- und Funktionsgebäude und dem Hegelplatz. Direkt gegenüber befindet sich der Stadtgarten. Der Neubau neben dem heutigen Eingangs- und Funktionsgebäude setzt das viergeschossige Erscheinungsbild am künftigen baumbestandenen Stadtboulevard fort. Über dem Sockel „schweben“ senkrecht zur Straße die dreigeschossigen Riegel der Bettenhäuser, welche die städtebaulichen Gliederungsprinzipien der Nachbargebäude fortsetzen und sich mit dem Stadtgarten verzahnen. Der Neubau am Hegelplatz setzt mit seiner größeren Gebäudehöhe und besonderen Fassadengestaltung ein markantes Vis-a-vis zum denkmalgeschützten Lindenmuseum.
 
Welche Bau- und Umbaumaßnahmen stehen an? Wie schaut die Terminschiene aus?
Da während der gesamten Bauzeit der Krankenhausbetrieb in vollem Umfang aufrecht erhalten werden muss, wird das Bauvorhaben in aufeinander folgenden Bauphasen realisiert. So werden die Ablöseprozesse für die einzelnen Abteilungen sicher gestellt. Das ist ein sehr komplexer Vorgang, der sorgfältig mit den Nutzern des Klinikums zu planen ist. Die erste Bauphase bildet der Neubau am Hegelplatz, da sich dort die einzige von Beginn an verfügbare Fläche befindet. In diesen Neubau ziehen unter Anderem die Abteilungen ein, die sich im heutigen Gebäude der Urologie befinden. Danach wird dieses Gebäude abgebrochen und als zweite Bauphase der Neubau an der Kriegsbergstraße realisiert. Nach der Umsiedlung vieler Abteilungen aus dem bestehenden Funktionsgebäude in den Neubau wird als dritte Bauphase dieses Gebäude umgebaut und saniert.
 
Wie lösen Sie die innere Erschließung? Welche Freiraumqualitäten sind vorgesehen?
Der neue zentrale Haupteingang mit Bushaltestelle und überdachter Taxivorfahrt befindet sich im zentralen Neubau an der Kriegsbergstraße. Über die neue Eingangs- und Verbindungshalle und die mit ihr verbundene Querhalle gelangen Patienten und Besucher auf kurzen, attraktiven Wegen mit einfacher Orientierung in alle Bereiche des Klinikums. In direkter Verlängerung der Verbindungshalle erreicht man die neue Kinder- und Frauenklinik und das darunter liegende Parkhaus. Der Neubau am Hegelplatz ist in Verlängerung der Querhalle über einen natürlich belichteten Weg mit Ausblick ins Grüne erschlossen. Beide Neubauten werden flankiert von der künftigen Grünachse, die als Fußgängerzone die Wohngebiete am Kriegsberg mit der Innenstadt verbindet. An der Grünachse liegen auch die Nebeneingänge und die neue Cafeteria, so dass der mit Bäumen und Wasser gestaltete Freiraum auch kurzen Erholungspausen dient. Teilbereiche der Dächer werden als intensiv bepflanzte, begehbare Dachgärten gestaltet. Im Inneren der Gebäude sorgen die großzügigen und sorgfältig gestalteten Atrien für Tageslicht und Ausblicke ins Freie.
 
 
Welches architektonische Thema war Ihnen besonders wichtig?
Wichtig ist uns ein markantes Erscheinungsbild – die Bildung einer „Adresse“ für das Klinikum Stuttgart am Stadtboulevard Kriegsbergstraße. Gleichwohl wollten wir die Neubauten selbstverständlich in den innerstädtischen Kontext einfügen.
So sind uns die Bildung einer rhythmisierten Raumkante mit Betonung des neuen Haupteingangs an der Kriegsbergstraße und die Schaffung eines architektonischen Akzents am Hegelplatz wichtige Anliegen. Genau so legen wir großen Wert auf die maßstäbliche Einbindung der Gebäude in die umgebenden Freiflächen und auf die Schaffung von spannenden Blickbeziehungen. Schließlich ist uns beim Entwurf die städtebauliche und gestalterische Einbindung der bestehenden Klinikgebäude in das neue Gebäudeensemble wichtig gewesen.
 
Welche Materialstrategie schlagen Sie vor?
Wir unterscheiden zwischen den Sockelbauten und den aufgesetzten, „schwebenden“ Bettenhäusern. Der Sockelbau erhält eine Fassade aus weißen, partiell farbigen, Metall-Glaspaneelen in freier Anordnung. Die darüber „schwebenden“ Bettenhäuser sind horizontal betont. Hier sind die markanten Umgänge zu erwähnen, welche durch die Licht- und Schattenwirkung Plastizität herstellen und eine gewisse „Privatheit“ für die stationären Patienten gewährleisten. Die Eingangs- und Verbindungshalle fügt sich als leichte Stahl-Glas-Konstruktion mit Tageslichteinfall von oben zwischen die flankierenden Gebäude ein. Im Inneren bestimmen Holz, Glas und Naturstein den Raumeindruck. Grundsätzlich streben wir eine helle, natürliche und hotelähnliche Atmosphäre an.
 
Gibt es schon einen geplanten Fertigstellungstermin?
Der Auftraggeber strebt einen Baubeginn im Jahr 2012 und eine zügige Realisierung mit Fertigstellung im Jahr 2015 an. Angesichts der mit dem heutigen Kenntnisstand noch bestehenden Unsicherheiten bezüglich des Bauablaufs bei voll aufrecht erhaltenem Krankenhausbetrieb – vor Allem, was die Umbauphase betrifft – wäre es fahrlässig, zum jetzigen Zeitpunkt eine konkrete Jahreszahl für die Gesamtfertigstellung zu nennen.
 

Die gesamte Wettbewerbsdokumentation finden Sie in wa 09/2010
Zentrum für Innere Medizin und Zentrum für Operative Medizin, Klinikum Stuttgart
Begrenzt offener Wettbewerb mit Bewerbungsverfahren

Jury
Wolfgang Riehle, Vors.
Dr. Detlef Kron
Dr. Eckart Rosenberger
Linus Hofrichter
Oliver Sorg
Prof. Carl Fingerhuth
Angela Wehling
Herr Prof. Lüder F. Clausdorff
Jörg Weinbrenner
Ulrich Klenk
Nils Krause
Jórunn Ragnarsdottir
und weitere Jury-Mitglieder

1. Preis
Arcass Freie Architekten BDA
Stuttgart

2. Preis
Heinle Wischer und Partner
Stuttgart

3. Preis
Arbeitsgemeinschaft
Itten + Brechbühl
Bern
Bodamer Architekten
Stuttgart