Waldhaus

Author
Peter Petz
Published on
Sep 14, 2011

atelier st wird mit dem Projekt Neubau Wirtschaftsgebäude für den Forstbezirk 14 in Eibenstock mit einem „best architects 12“ Award in Gold ausgezeichnet und erhält für den Neubau eines Wochenendhauses im märkischen Kiefernwald das Label „best architects 12“. Silvia Schellenberg-Thaut und Sebastian Thaut beantworten unsere Fragen.
Fenster zum Wald 
Was hat Sie an der Bauaufgabe am meisten interessiert?
Das Grundstück befindet sich mitten im Kiefernwald, in der Nähe zu einem glasklaren See.
Eine Architektur an diesem Ort zu entwickeln, dem aufgrund seiner natürlichen Schönheit eigentlich nichts hinzufügen ist, war das Reizvolle und zugleich Schwierige bei der Entwurfsfindung.
Ursprünglich stand auf dem Grundstück, im Südraum der Stadt Berlin, ein einfaches Sommerholzhaus von 1926.
Dieses zwar äußerlich charmante Häuschen befand sich jedoch in einem so desolaten Zustand, dass eine Sanierung nicht in Frage kam. Jedoch war es der konzeptionelle Ansatz die Atmosphäre des dunklen Waldhäuschens, seine Proportionen und einfache Konstruktionsart in dem neuen Wochenendhaus wiederkehren zu lassen.
So war letztlich nicht die „laute Geste“ das Thema, sondern vielmehr die Gestaltung eines Neubaus, der Zurückhaltung, Geborgenheit und Selbstverständlichkeit ausstrahlt.
Der Reiz lag aber ebenso im Spiel zwischen Zeitgeist und Tradition.
So verweisen große Fassadenöffnungen und extrabreit gerahmte Fenster auf das „Andere Innen,“ welches
gegenüber dem zurückhaltenden Äußeren mit hellen, offenen Raumstrukturen überrascht.
Waldhaus als Teil der ehemaligen Laubenkolonie 
Wie kam es zur Form des Hauses?
Ein eingeschossiges Haus mit Satteldach ist der archaische Urtyp eines Hauses. Vom „Haus vom Nikolaus“ über das „Hexenhaus von Hänsel und Gretel,“ stellen sich Kinder so bildlich ein Haus im Wald vor.
Dieses unterbewusst selbstverständliche und unaufgeregte als auch der Bezug zur ehemaligen Laubenkolonie mit den wenigen verbliebenen Originalhäusern waren die primären Grundlagen der Gebäudeform.
Ebenso war uns jedoch die Eigenständigkeit des Baukörpers wichtig.
Das allseitig, leicht auskragende Dach, mit abknickenden Flächen im unteren Drittel, verleiht der gewöhnlichen Form Eigenständigkeit und Dynamik.
Der große, westliche Fassadeneinschnitt, mit der wettergeschützten, überdachten Freifläche verweist auf die Plastizität des Baukörpers. Und die äußeren, aufgesetzten und extrabreiten, weißen Blendrahmen von Türen und Fenstern akzentuieren die archaische Grundform zusätzlich.
Im Inneren löst sich die kompakte Außengestalt zu Gunsten eines offenen Raumgefüges, mit Lufträumen bis unter das Dach, von außen nach Innen zunehmend auf.
Herzlich Willkommen 
Können Sie uns durch das Haus führen?
Über ein kleines Gartentürchen, das Teil eines Jägerzauns ist, betritt man das Waldgrundstück von Osten.
Weicher, von Kiefernnadeln gesäumter Waldboden führt einen angenehm zum kleinen Wochenendhaus, welches bereits hinter den rauen Kiefernstämmen hervor blinzelt. Bereits zu diesem Zeitpunkt hat man den Alltag hinter sich gelassen und befindet sich im Urlaub.
Küche aus Kiefernsperrholz 
Eine weißgerahmte Tür mit Kassettengliederung führt ins Innere des Häuschens. Die Dielung des Eingangsflurs, in durchgängig weißem Lack lässt zusammen mit Wand- und Deckenschalung in gleicher Farbgebung bereits in diesem kleinen Raum die Großzügigkeit und Offenheit des Inneren spüren und die Charakteristik der folgenden Räume erahnen.
Die Schränke und Regale im Flur sind wie auch die Küche, als Platz sparende Einbaumöbel in Kiefernsperrholz gestaltet. Das Innere des Hauses duftet nach frischem Holz.
Dusche als Raum im Raum 
Eine mit allseitig rot-violettem Rundmosaik verkleidetet Dusche als Raum im Raum prägen das Bad ebenso wie der inszenierte Ausblick in den Wald direkt über der Waschschüssel.
Gegenüber dem Bad scheint durch die Kronen der Kiefern über ein großes Panoramafenster warmes Morgenlicht in die Küche, welches über eine innere Wandöffnung auch den Wohnraum streift.
Diese Durchreiche ist gleichzeitig optisches und akustisches Bindeglied zwischen Wohnraum und Küche.
Man steht in der Küche, kocht, blickt beidseitig in die Natur und kann gleichzeitig mit Personen im Wohnraum, auf der Veranda oder der darüber liegende Galerie kommunizieren.
Das Wohnzimmer selbst betritt man ebenso über den kleinen Flur. In Analogie zur Eingangstür führt eine wiederum kassettengegliederte schlanke Innentür in den Raum. Doch nach den eingeschossigen Räumen, wie Flur, Bad und Küche steht man plötzlich in einem bis unter das Dach reichenden hohen Raum, der komplett mit weißer Verschalung ausgekleidet ist.
Offener Wohnraum mit Blick zur Küche und Stiege zu den Schlafkojen 
Nun zieht man noch den großen, violetten Vorhang der gegenüberliegenden Wand beiseite und wie auf einer Kinoleinwand erstreckt sich die Natur und der Wald über eine Fassadenbreite, untergliederte Verglasung in den Innenraum.
Diese Fassade lässt sich in Form einer Schiebetüre öffnen. Die überdachte angrenzende Veranda, in Fortführung der allseitig weißen Verschalung, dient dabei als „Außenwohnzimmer.“
Vom Wohnraum gelangt man über eine in der Wandverschalung versteckte Türe mit dahinter liegender Stiege in die Dachebene, in welcher sich zwei Kojen für Eltern und Kind befinden. Über die zwei kleinen Dachfenster wird der Blick in den Himmel und die sanft wiegenden Baumwipfel frei. Von der Kinderkoje kann man mittels einer Wandluke auch zur Galerie und in den Wohnraum blicken und schauen, ob zum Beispiel das Essen schon fertig ist.
Und wenn man Abends auf der Veranda sitzt und ganz still ist, hört man wie sich Fuchs und Hase „Gute Nacht “ sagen . . .
Welches architektonische Thema war Ihnen besonders wichtig?
Da es sich bei dem Gebäudetyp um ein Wochenendhaus handelt, war es eines der Hauptanliegen das Gebäude auch exakt für diesen temporären Wohnzweck zu konzipieren.
Und was wünscht man sich im Urlaub mehr als Entspannung, Geborgenheit und Wohlbefinden?
Um diese Sehnsüchte zu befriedigen war es uns vor allem wichtig die Stimmung und Ruhe des Ortes auf die Architektur des kleinen Hauses zu übertragen, anstatt es mit überflüssigem Architektur- und Design-Schnickschnack zu überladen.
So kompakt und unscheinbar sich das Häuschen äußerlich gibt, so offen, hell und komplex ist sein Inneres.
Hier war es unser Ziel auf kleinster Grundfläche ein maximales Raum- und Wohnerlebnis zu gestalten.
Offene Strukturen, mit Raumhöhen bis unters Dach, eine Galerieebene, sowie ein fassadenbreiter Ausblick, stehen im Wechselspiel mit gefassten Raumgliederungen und geschlossenen Wänden.
Im Inneren ergeben sich so zahlreiche Blickbeziehungen zwischen den Räumen untereinander und in den Außenraum, aber immer mit der Wand im Rücken.
Lageplan 
Querschnitt (durch Küche und Wohnraum) 
Grundriss Erdgeschoss, Grundriss Obergeschoss 
Das eMail-Interview führte Peter Petz german-architects.com
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Mehr über den „best architects 12“ Award finden Sie hier


Neubau eines Wochenendhauses im märkischen Kiefernwald
„best architects 12“ Award

Jury
Prof. Piet Eckert | e2a eckert eckert
Zürich
Prof. Peter Sapp | querkraft architekten
Wien
Till Schneider | schneider+schumacher
Frankfurt am Main

Auszeichnung „best architects 12“
atelier st
Silvia Schellenberg-Thaut
Sebastian Thaut
Leipzig

Mitarbeiterin
Marion Mendler

Auftraggeber
privat

Tragwerksplanung
Hörnicke | Hock | Thieroff
Berlin

Entwurf
11/2009 – 06/2010

Fertigstellung
11|2010

Leistungsphasen
1-9

Nutzfläche
62 m²

Bruttorauminhalt
218 m³

Fotografie
Werner Huthmacher
Berlin