Elbphilharmonie in Hamburg von Herzog & de Meuron

Licht für die Musik

Thomas Geuder
20. December 2016
Weithin sichtbar zeigt sich die Elbphilharmonie in der Hamburger HafenCity, bei der das Licht eine wichtige Rolle spielt. (Bild: Iwan Baan)

Projekt: Elbphilharmonie (Hamburg, DE) | Architektur: Herzog & de Meuron (Basel, CH) | Lichtplanung: Ulrike Brandi Licht (Hamburg, DE) | Bauherr: Freie und Hansestadt Hamburg, vertreten durch ReGe Hamburg Project-Realisierungsgesellschaft mbH (Hamburg, DE) | Hersteller: Ludwig Leuchten, Fillipi, Bega, Flos, Flashaar, Erco, XAL, Etap, Wila, iGuzzini, Zumtobel | vollständige Bautafel siehe unten

«Fertig» war vor Kurzem in großen Lettern an der der HafeCity zugewandten Fassadenseite der Elbphilharmonie in Hamburg zu lesen. Für viele – besonders für Initiatoren wie Architekten – war das wohl eine Art Aufschrei der Erleichterung, der da mit dem Licht der Innenräume in die nächtliche Stadtsilhouette geschrieben wurde. Diese Form der gezielten Fassadenbespielung wird zukünftig freilich einzigartig bleiben, auch wenn sich die einzigartige Fassade der Elbphilharmonie dafür bestens eignen würde. Denn das Bauwerk befindet sich quasi inmitten eines Wohngebiets, wo strenge Auflagen durch das Bundesemissionsschutzgesetz genau regeln, wie viel Licht die Umgebung «verschmutzen» darf. Derartige Auflagen waren für die Lichtplanerin Ulrike Brandi (ebenfalls aus Hamburg) jedoch kein Hindernis, für das Gebäude am Ende ein würdiges Licht zu entwerfen. In der HafenCity gibt es genug Streulicht aus der Umgebung, sodass die Elbphilharmonie auch nachts ohnehin weithin sichtbar ist. Wirklich sinnvoll wäre ein Anstrahlen also nur beim Bestandssockel, dem ehemaligen Kaispeicher, gewesen, weil die Glasfassade des Konzerthauses darüber das Licht lediglich in den Himmel gespiegelt hätte. Stattdessen setzte Ulrike Brandi – so ihr Grundgedanke – auf einfache optische Prinzipien, bei denen das Licht eine dienende und zurückhaltende Rolle einnimmt. Akzente in der Außenansicht setzen dabei die Fuge zwischen dem alten und dem neuen Gebäudeteil sowie die beiden großen Bögen, die in die Fassade hineingeschnitten und am Abend beleuchtet sind.

Die linearen Leuchten im Foyer sind zum großen Konzertsaal als dem Zentrum des Bauwerks ausgerichtet. (Bild: Iwan Baan)

Auf die Spielstätte stimmt nach dem Betreten ein 80 m lange Tunnel ein, in dem die Besucher über eine leicht gebogene Rolltreppe nach oben gefahren werden. Die Wände hier sind mit einem matten, hellen Putz versehen, in dem glänzende Punkte das Licht wie Pailletten reflektieren und so für einen feierlichen Auftakt zu einem festlichen Abend sorgen. Die Leuchten im Tunnel sind versteckt neben den Treppen angeordnet und strahlen nach oben. Das ist nicht zuletzt für die Wartung praktisch, denn hier mit Gerüst oder Leitern zu Deckenlampen gelangen zu müssen wäre umständlich. Ein weiterer Grundgedanke in der Lichtplanung war, den Himmel, das Wasser und das Panorama der Stadt auch von innen erlebbar stets zu machen. Für die Lichtplanung bedeutet das, etwa auf der öffentlichen Plaza – der Fuge zwischen Alt und Neu – oder in den Foyers immer nur so hell zu sein, dass der Blick nach draußen nicht behindert und die Stadt spürbar wird. Die künstliche Beleuchtung übernehmen vor allem kugelförmige Leuchten an den Decken, die sich in unterschiedlichen Dichten angeordnet im gesamten Gebäude wiederfinden, mal zu Rhomben gruppiert, mal wie zufällig über die Fläche verteilt. «Sie sind so etwas wie ein musikalisches Grundmotiv, das sich in Variationen immer wiederholt. So entsteht Harmonie, ohne dass es langweilig wird», beschreibt Ulrike Brandi. Nach ihren Plänen wurden über 3.400 Leuchten installiert: 750 speziell für die Elbphilharmonie entworfene Glaskugelleuchten auf der Plaza, 750 lineare Leuchten für das Foyer sowie 650 mundgeblasene Glaskugelleuchten für den großen Saal.

Im lichtdurchfluteten Tunnel werden die Besucher über eine leicht geschwungene Rolltreppe nach oben geleitet. (Bild: Michael Zapf)

Die Lichtstimmung im Foyer, das sich wie ein Ring um den großen Konzertsaal schmiegt, wird von linearen LEDs bestimmt, die strahlenförmig angeordnet sind – ein besonderer Wunsch der Architekten, die den Saal als strahlende Mitte im Gebäude verstehen. Im Konzertsaal dann bringt das Streiflicht der Glaskugelleuchten die Microshaping-Oberflächenstruktur der Wände und Decken erst so richtig zur Geltung. Durch die punktuelle, eher unregelmäßige und wellenförmig angelegte Lichtstimmung entstehen spielerische Effekte, die mit einer großflächigen Allgemeinbeleuchtung nicht möglich gewesen wären. Den Planern ging es darum, die Erhabenheit des hohen Raums mit seinen steilen, laut Architekten nach dem Weinberg-Prinzip angeordneten Rängen herauszuarbeiten, was letztendlich wie eine endlose Welle wirkt, als Referenz an die Musik. Ulrike Brandi dazu nochmals: «Die Beleuchtung ist darauf angelegt, die Terrassierung der Ränge zu unterstreichen. Die Kugelleuchten sind unter deren Decken angebracht, die Brüstungen sind nicht beleuchtet. Alles ist hell, man spürt Weite und kann atmen.» Das Gewölbe über dem akustischen Reflektor ist separat beleuchtet, damit dort kein dunkles Loch entsteht. In der Decke befindet sich schließlich – versteckt in einem eleganten Schlitz – das Bühnenlicht, mit dem auf den Notenblättern der Musiker die für die Musiker benötigten 1000 Lux erzeugt werden kann. «Wenn das Saal-Licht dann zum Konzertbeginn heruntergedimmt wird», schwärmt Ulrike Brandi, «ist nur noch die Bühne beleuchtet. Man sieht die Sicherheitsbeleuchtung für die Treppen, die ein feines, grafisches Muster im Raum zeichnet. Ich freue mich schon sehr auf den Moment, wenn die Musik in diesem Saal zum ersten Mal ertönt.»
 

Die Lichtstimmung in der Fuge zwischen Alt und Neu, der Plaza, ist bestimmt durch Kunst- und natürliches Licht. (Bild: Iwan Baan)

Das Planungsbüro von Ulrike Brandi steht bekanntlich für die Planung von künstlichem in Kombination mit natürlichem Licht. So waren die Fenster integraler Bestandteil der Lichtplanung. Die Gläser (mit einem Gewicht von jeweils bis zu 1,2 Tonnen) sind mit tausenden von Punkten wie gepixelt überzogen, was dem Sonnenschutz dient. Die Pixel allerdings sind nicht wie normalerweise gleichmäßig verteilt, sondern verdichten sich hier zum Rand hin, wodurch die Fassade ihren typisch wolkigen Eindruck erhält. Dadurch soll auch der Blick hinaus interessanter werden. Nach außen sind die Punkte silbrig beschichtet und reflektieren das Sonnenlicht. Nach innen sind sie schwarz, was das Hinausschauen nicht behindert. So ist die Lichtplanung der Elbphilharmonie ganz und gar auf den Bezug zum Außenraum sowie auf eine feierliche Erhabenheit ausgerichtet – meisterlich erreicht im Prinzip mit wirklich einfachen Mitteln.

Von den offenen Bereichen der Plaza aus lässt sich die Stadt aus einer Höhe von 37 m erkunden. (Bild: Iwan Baan)
Punktförmige und lineare Leuchten zonieren die Foyer-Bereiche, die sich um den großen Konzertsaal schmiegen. (Bild: Michael Zapf)
Das Gewölbe über den großen Deckenreflektor wird zusätzlich beleuchtet und mach so die große Höhe des Konzertsaals deutlich. (Bild: Iwan Baan)
Die notwendige Bühnenbeleuchtung ist in zwei eleganten Schlitzen in der Decke versteckt. (Bild: Michael Zapf)
Blick von einem der oberen Ränge: Dank deren steiler Anordnung ist man vom Dirigenten nie weiter weg als 30 m. (Bild: Michael Zapf)
Bild von der Baustelle: Wie bei einem Sternenhimmel sind die kugelförmigen Leuchten an den Decken der Ränge verteilt. (Bild: Johannes Arlt)

360°-Video vom Bau und Interview mit dem Sprecher der Elbphilharmonie Enno Isermann, (N24, 2:55 min.)

Auch in der Nacht reflektiert die Beschichtung auf den Fassadengläsern den leuchtenden Hamburger Himmel. (Bild: Thies Raetzke)
Die Fernwirkung der Elbphilharmonie fügt sich bestens in die Hafenlandschaft von Hamburg mit den Schiffen und Kränen. (Bild: Maxim Schulz)

Projekt
Elbphilharmonie
Hamburg, DE

Architektur
Herzog & de Meuron
Basel, CH

Lichtplanung
Ulrike Brandi Licht
Hamburg, DE

Hersteller Leuchten
Ludwig Leuchten, Fillipi, Bega, Flos, Flashaar, Erco, XAL, Etap, Wila, iGuzzini, Zumtobel

Bauherr
Freie und Hansestadt Hamburg, Kulturgbehörde
vertreten durch
ReGe Hamburg Project-Realisierungsgesellschaft mbH
Hamburg, DE

Generalplaner
Arbeitsgemeinschaft
Herzog & de Meuron und
Höhler + Partner Architekten und Ingenieure
Hamburg, DE

Bau und Betrieb
Adamanta Grundstücks-Vermietungsgesellschaft mbH & Co. Objekt Elbphilharmonie KG.
Subunternehmer
HOCHTIEF Solutions AG
Essen, DE

Nutzer
HamburgMusik gGmbH – Elbphilharmonie und Laeiszhalle Betriebsgesellschaft
Hamburg, DE

Akustikplanung
Nagata Acoustics Inc.
Los Angeles, USA / Tokyo, JP

Gesamtgewicht des Hauses
ca. 200.000 t (entspricht ca. 416.666 Konzertflügeln, 722 Airbus A 380 oder zweieinhalb Queen Mary)

Gesamt Bruttogeschossfläche
ca. 120.000 m² (entspricht ca. 17 Fußballfeldern oder 2/3 der Alster)

Fassade
ca. 16.000 m² aus 1.100 Fassadenelementen

Gesamtkosten
865,65 Mio. €

Fertigstellung
2016

Fotografie
Iwan Baan
Michael Zapf
Thies Raetzke
Maxim Schulz


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