Büro- und Verwaltungsgebäude der Südwestmetall in Esslingen von [fritzen 28] architekten

Haus am Weinberg

Thomas Geuder
14. May 2018
Das neue Gebäude der Südwestmetall in Esslingen ist geprägt von einer stark horizontalen Gestalt der Fassade. (Bild rechts: Christian Eblenkamp / Schüco)

Projekt: Neubau Büro- und Verwaltungsgebäude der Südwestmetall (Esslingen am Neckar, DE) | Architektur: [fritzen 28] architekten (Esslingen, DE) | Bauherr: Arbeitgeberverband Südwestmetall, Bezirksgruppe Neckar-Fils (Esslingen, DE) | Hersteller: Schüco International KG (Bielefeld, DE), Kompetenz: Fassadensystem, Brandschutzfassade, Fenstersystem, Sonnenschutzsystem, Brandschutztüren | weitere Projektdaten siehe unten

Esslingen am Neckar – nur wenige Kilometer südöstlich von Stuttgart – ist wie viele Städte einem steten Wandel unterworfen, der sich hier freilich in vor allem den städtischen Randbereichen vollzieht. So findet in der Esslinger Weststadt seit einiger Zeit eine umfassende Transformation statt, bei der sich der ehemalige der Güterbahnhof sowie angrenzende, frühere Industrieflächen in ein neues Wohnquartier verwandeln. Im Zuge dieser Transformation wurde ein Grundstück frei, das man gemeinhin als schwer bebaubar bezeichnen würde: polygonal, spitz zulaufend, eingeklemmt zwischen der Bahnstrecke Stuttgart-Ulm samt Neckar dahinter auf der einen, einer gut frequentierten Einfallstraße zur Innenstadt auf der anderen Seite sowie einem steil aufragender Weinberg, ein Südhang für hochwertige Württemberger Weine – im Schnittpunkt der Extreme also, zwischen hektischem Verkehr und purer Weinberg-Idylle. Für diesen Ort haben [fritzen 28] architekten (ebenfalls aus Esslingen) einen sinnvollen Weg gewählt: „Die Analogie zu den benachbarten Weinbergen war uns wichtig“, erklärt Hansjörg Schwarz, der das Architekturbüro zusammen mit Katrin Kussinna im Jahr 2003 gründete. Als Grundlage für ihr Entwurfskonzept subsumierten die Architekten die Rahmenbedingungen auf die Frage, was die Raumbildung in der Natur an diesem Ort charakterisiert. Ihre Antwort: vielfältige, organische Strukturen, eine gewisse Komplexität, die Abwesenheit rechter Winkel sowie die Anpassung an die Realitäten vor Ort.

Das polygonale Baugrundstück zwischen Bahnstrecke, Ausfallstraße ist geprägt durch die angrenzenden, steil aufragenden Weinberge und das Neckartal. (Bild: Dieter Blum / [fritzen 28])

Auffälligstes Merkmal des Orts ist die gewisse Unordnung in der Ordnung. Die senkrecht den Hang hinunter verlaufenden Stiege bilden zusammen mit den dem Geländeverlauf folgenden Weinreben-Reihen ein fließendes Muster, ähnlich einem Cluster oder Netz. Formal setzt die Gebäudekubatur dieses Thema fort. Die Gebäudekanten sind nicht statisch und schon gar nicht vom rechten Winkel bestimmt, sondern bewegt und amorph. Auch die Stockwerke sind nie identisch und erzeugen dadurch einen Übergang von der Landschaft in die strenge Blockstruktur dahinter. Ordnung im Entwurf schafft dann die Fassade mit ihrer klaren, horizontalen Ausrichtung, den umlaufenden, schwarzen Fensterbändern sowie den weißen Brüstungsstreifen, die mit einem Wärmedämmverbundsystem und einem Feinputz (0,8 mm Korn) versehen sind. Ergänzt bzw. sogar verstärkt wird die Horizontalität noch durch einen zusätzlichen, schmalen Streifen in der oberen Hälfte des Fensterbands.

Die Horizontalität in der Fassade wird noch verstärkt durch ein weißes Streifen-Element direkt im schwarzen Fensterband, in dem der Sonnenschutz versteckt ist. (Bild rechts: Christian Eblenkamp / Schüco)

Der Grundsatz der fließenden Form und des fließenden Raums setzt sich im Innenraum fort. Direkt nach dem Eintreten gelangt man ins Foyer, das gleichzeitig Empfang, Event-Bereich, Meeting Point und Übergang zu den anschließenden Besprechungsräumen und Büros ist. Charakteristisch ist hier der über alle Etagen reichende Luftraum, der eine erstaunliche Leichtigkeit und Transparenz ausstrahlt. Die Atmosphäre ist hier geprägt durch eine materielle Schlichtheit, erzeugt durch die weißen Oberflächen und den warmen Ton des geölten Bambusparketts. Hier im Innenraum wird auch der eigentliche Zweck des Bauwerks deutlich: Der Arbeitgeberverband Südwestmetall (Bezirksgruppe Neckar-Fils) war bisher auf zwei Standorte verteilt, die nun zusammengeführt werden sollten, um ein zeitgemäßes und effizient konzipiertes Büro- und Verwaltungsgebäude vornehmlich als Ort der Kommunikation zu schaffen.

Im Westen (im Bild rechts) streckt sich das Gebäude dem Ankommenden entgegen. (Bild: Christian Eblenkamp / Schüco)

„Zeitgemäß“ bedeutet für Bauherrn wie Architekten auch, ein hochwertiges Energiekonzept zu installieren, für das die Planer von [fritzen 28] die renommierten Experten von Transsolar aus Stuttgart ins Boot geholt haben. Ihr Konzept ist ein simples, aber gut funktionierendes System aus aktiven und passiven Elementen, mit bauteilaktivierten Geschossdecken, einer Wärmepumpe, kombiniert händischer und mechanischer Belüftung und Abluft über den Luftraum des großzügigen Atriums inklusive Wärmerückgewinnung. Das Kunstlicht wird mit LED-Technologie (Nimbus) gestemmt, bei der sich die Leuchtstärke automatisch präsenz- und tageslichtabhängig einstellt, dezentral für einzelne Leuchtengruppen inkl. der Stehleuchte am Arbeitsplatz, die allesamt über den Funkstandard Zigbee miteinander kommunizieren. Für eine gute Raumakustik sorgen spezielle Schallabsorber in den Decken.

Das polygonale Baugrundstück zwischen Bahnstrecke, Ausfallstraße ist geprägt durch die angrenzenden, steil aufragenden Weinberge und das Neckartal. (Bild: Christian Eblenkamp / Schüco)

Für die Pfosten-Riegel-Konstruktion der Fenster haben die Architekten recht schmale Ansichtsbreiten der Pfosten von nur 50 mm gewählt (Schüco). Wichtig dabei war ihnen der kombinierte Wärme- und Schallschutz. Alle Fenster sind mit einer Dreifachverglasung versehen. Der Sonnenschutz befindet sich im umlaufenden Kastenprofil: ein Raffstore (Warema), der abhängig von der Temperatur bzw. der Sonneneinstrahlung gesteuert wird. Die obere Fläche des recht tiefen, weiß pulverbeschichteten Kastenprofils leitet das natürliche Sonnenlicht in den Raum und erzeugt stets ein indirektes und blendfreies Streiflicht an der Decke, sodass immer ein gewisser Anteil an natürlichem Licht im Raum bleibt. Der Sonnenschutzkasten ist vorgehängt, befestigt in regelmäßigen Abständen und nach statischen Erfordernissen an der Pfosten-Riegel-Konstruktion. Das bringt gestalterisch vor allem den Vorteil, dass der weiße Sonnenschutzkasten von innen betrachtet keine trennende Wirkung erzeugt. Konstruktiv vereinfacht diese Idee den gesamten Aufbau der Fassade enorm. Aber, auch die thermische Trennung von innen und außen ist damit sauberer und klarer gelöst. So haben die Planer von [fritzen 28] architekten ein Gebäude errichten können, das in seiner Gestaltung sich bis ins architektonische Detail zum Ort und der Umgebung bekennt und in der Konstruktion der Fassade mit einfachen Mitteln eine klare Lösung schafft, die auch das Energiekonzept voll und ganz unterstützt.

Lageplan (Quelle: [fritzen 28])
Grundriss 3. Obergeschoss (Quelle: [fritzen 28])
Grundriss 1. Obergeschoss (Quelle: [fritzen 28])
Grundriss Erdgeschoss (Quelle: [fritzen 28])
Detailschnitt Fassade mit Energiekonzept (Quelle: [fritzen 28])
Innen wird man zunächst von einem großzügigen Foyer empfangen, das gleichzeitig Event-Bereich und Meeting-Point ist. (Bild: Martin Duckek / [fritzen 28])
Transparenz wird auch im Bereich der Innenfassade erzeugt, wo die geschlossenen Wände auf den letzten Zentimentern durch ein Glasschwert ersetzt wurden. (Bild: Martin Duckek / [fritzen 28])
Mit ihrem neuen Büro- und Verwaltungsgebäude hat die Bezirksgruppe Neckar-Fils der Südwestmetall einen markanten Auftakt zur Stadt Esslingen am Neckar geschaffen. (Bild: Dieter Blum / [fritzen 28])

Projekt
Neubau Büro- und Verwaltungsgebäude der Südwestmetall, Bezirksgruppe Neckar-Fils
Esslingen, DE

Architektur
[fritzen 28] architekten
Esslingen, DE

Bauherr
Arbeitgeberverband Südwestmetall, Bezirksgruppe Neckar-Fils
Esslingen, DE

Hersteller
Schüco International KG
Bielefeld, DE

Kompetenz
Fassadensystem Schüco FW 50+.HI, Brandschutzfassade Schüco FW 50+ BF, FW60+ BF, Fenstersystem Schüco AWS 90 BS.HI+, Sonnenschutzsystem Schüco Großlamellen ALB, Brandschutztüren Schüco ADS 80 FR 30

weitere Hersteller:
außenliegender Sonnschutz: Warema
Beleuchtung innen: Nimbus

Energiekonzept
Transsolar Energietechnik GmbH
Stuttgart, DE

Fassadenbau
Starz Metallbau GmbH & Co. KG,
Aalen/Ebnat, DE

Fachplaner HLSE
Transplan Technik-Bauplanung GmbH
Stuttgart, DE

Tragwerksplanung
Schneck Schaal Braun Ingenieurgesellschaft Bauen mbH
Tübingen, DE

Bruttogeschossfläche
4.300 m²

Bruttorauminhalt
16.500 m³

Baukosten
9.250.000,00 € netto

Fertigstellung
2016

Fotografie
Dieter Blum
Martin Duckek
Christian Eblenkamp / Schüco International KG


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