Weißes Wohnhaus in Sokcho/Südkorea von AEV Architectures

Fast ganz in Weiß

Thomas Geuder
23. April 2018
Im südkoreanischen Städtchen Sokcho hat der Architekt Woojin Lim von AEV Architectures ein komplett weißes Haus errichtet. (Bild: Yunseok Kwak / AEV Architectures)

Projekt: House [in white] / Haus in Weiß (Sokcho, Südkorea/ROK) | Architektur: AEV Architectures (Morangis, FR) | Bauherr: privat | Hersteller: LG Hausys (Seoul, ROK), Kompetenz: HI-MACS Alpine White | weitere Projektdaten siehe unten

Eine der wichtigsten Eigenschaften, die eine Fassade besitzen muss, ist die Langlebigkeit. Der Witterung und dem Schmutz muss sie möglichst lange standhalten können, ehe eine Renovierung notwendig wird. Gute Architekten wissen das und bauen die Fassade, die etwas strengeren äußeren Bedingungen ausgesetzt ist, klassischerweise aus Materialien wie Ziegel oder Stein. Der Wunsch, am Ende eine weiße Außenhaut zu haben, ist da schon schwieriger zu erfüllen, bringt der schlichte weiße Anstrich einer Putzfassade doch oft nur wenig Freude, wenn er einige Jahre dem Wetter ausgesetzt war. Die Klassische Moderne und die Gebäude des Internationalen Stils wissen davon ein Lied zu singen. Eine praktikable Alternative können da Materialien wie Hi-Macs (aus Acryl, natürlichen Mineralien und mitunter Pigmenten) sein. Mittlerweile ist das Material bereits oft an der Fassade verwendet worden, doch vor allem im Innenraum findet es bei Architekten Anklang wie etwa das Tournesol Schwimmbad in Lingolsheim zeigt, wo das Material in anspruchvollem Klima eingesetzt ist, oder beim SYZYGY Office in Frankfurt am Main.

Die Giebelseiten hat der Architekt mit großen Öffnungen versehen, durch die viel der umgebenden Natur in den Innenraum wirkt. (Bild: Yunseok Kwak / AEV Architectures)

In Südkorea nun ging es für die Planer von AEV Architectures nun darum, ein Atelierhaus für einen Künstler zu bauen. Dessen Bezug zur „Farbe“ Weiß ist naturgemäß ein besonderer, fast schon heiliger. Und: Weiß ist für ihn eine ideale Oberfläche, um die umgebende Natur bzw. deren Farben und jahreszeitlichen Verläufe darin zu spiegeln. So suchte der französische Architekt Woojin Lim – selbst in Südkorea geboren und Partner des in der Nähe von Paris ansässigen Büros – nach einem Material, mit dem sich dieser Bezug des Bauherrn zu der Farbe Weiß baulich umsetzen lässt und das auch und vor allem der Witterung standhalten kann. Der Baugrund für den Neubau befindet sich in Sokcho im äußersten Nordosten von Südkorea, mit herrlichem Blick auf der Seorak-Berg, der dritthöchste Berg Südkoreas und bekannt für seine zerklüftete Felslandschaft. Ein weißes Haus würde in dieser Landschaft einen idealen Resonanzraum bilden, so die Entwurfsidee des Architekten.

Die weiße Haut des Hauses ist quasi eine Reflexionsfläche und wikt wie ein „lebendiges Bild“, passend zum Bauherrn, der ein Künstler ist. (Bild: Yunseok Kwak / AEV Architectures)

So ist das Wohnhaus nun nahezu komplett mit einer weißen Hi-Macs-Haut überzogen. Wichtig für Woojin Lim bei dieser Materialwahl waren jedoch nicht nur die matte Oberfläche, sondern auch die konstruktiven Möglichkeiten, die ihm das Material bot: Die Platten können nahtlos aneinander geschweißt werden, sodass speziell für das Dach eine große, von – für Verschmutzungen anfälligen horizontalen Fugen befreite – Fläche vom First bis zur Traufe gebildet werden konnte. Die Dachneigung hat einen Winkel von 60°, der sich schlussendlich aus einigen Experimenten ergab, mit denen untersucht wurde, bei welchem Winkel Schnee, Regen und Schmutz der Oberfläche am wenigsten anhaben können. Die Regenrinnen konnten durch die nahtlose Haut auf ein Minimum reduziert werden und wurden von Woojin Lim so geplant, dass sie am Ende fast nicht mehr zu sehen sind. Die gesamte Hi-Macs-Hülle ist zudem nicht die eigentliche Gebäudehülle, sondern nur eine vorgesetzte Haut, sodass das Regenwasser entsprechend in zweiter Ebene abgeleitet werden kann (siehe Details). All das führt dazu, dass das Haus als weißer Monolith erscheint, der die umgebende Natur aufnimmt und auch in den Innenraum spiegelt. Dort sind ebenfalls viele Flächen in Weiß, gefertigt zum Teil auch aus Hi-Macs. So bestimmt der Ort wesentlich die Raumwirkung außen wie innen – und wird so zum Taktgeber für die Bewohner des weißen Hauses.

Je nach Verlauf des Tages, der Jahreszeiten, der Farbe des Himmels und der Umgebungshelligkeit verändert das Haus sein Aussehen. (Bild: AEV Architectures)
Sichtbare Regenrinnen und -rohre sucht man an diesem Gebäude vergebens. Das Regenwasser wird hinter der weißen Haut abgeleitet. (Bild: Hyunjune Lee / AEV Architectures)
Grundrisse Erdgeschoss, Obergeschoss und Dachgeschoss (Quelle: AEV Architectures)
Fassadendetails (Quelle: AEV Architectures)
Fassadendetails (Quelle: AEV Architectures)
Fassadendetails und Schnitt durch Innentreppe (Quelle: AEV Architectures)
Die komplett aus Hi-Macs bestehende Fassade ist vollkommen frei von horizontalen Fugen im Material, in denen sich der Schmutz vom Regenwasser sammeln könnte. (Bild: Hyunjune Lee / AEV Architectures)
Im leicht zum Erdgeschoss verdrehten Obergeschoss (der eigentliche Atelier-Raum) ist das Weiß der Hi-Macs-Platten ebenfalls vorherrschend. (Bild: Hyunjune Lee / AEV Architectures)
Die Küche, im Erdgeschoss der größe Raum (hier bei Dunkelheit fotografiert), ist neben dem Atelier drüber der eigentliche Lebensmittelpunkt des Bauherrn. (Bild: Yunseok Kwak / AEV Architectures)

Projekt
House [in white] / Haus in Weiß
Sokcho, Südkorea/ROK

Architektur
AEV Architectures
Morangis, FR

Team
Paris: Woojin Lim, Sylvie Piat, Isabel lecuirot-Murillo, Sangyeop Shin
Seoul: Yunseok Kwak, Hosung Jun, Nayean Kwak, Singeun Lee

Bauherr
privat

Hersteller
LG Hausys
Seoul, ROK

Kompetenz
HI-MACS Alpine White

Landschaftsarchitektur
Yeonmi Park

Grundstücksfläche
848 m²

Wohnfläche
196 m²

Fertigstellung
2017

Fotografie
Yunseok Kwak
Hyunjune Lee
 


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