AfE-Areal, Frankfurt

Diffusionsoffen

Peter Petz
12. October 2016
Hochhausquartier auf dem Kulturcampus

Peter Petz: Auf dem Frankfurter AfE-Areal soll als südlicher Abschluss des Kulturcampus ein Hochhausquartier entstehen. Welche Ausgangs-Situation haben Sie vorgefunden? 
Andreas Moser: Nachdem wir im März 2016 als Sieger aus dem sechs Monate währenden Wettbewerb mit anschließendem Workshopverfahren gegen Ole Scheeren und Prof. Christoph Langhof hervorgegangen sind, freuen wir uns natürlich sehr, jetzt etwas über den Marathon berichten zu können. Zunächst muss man ein paar Worte über den Ort verlieren, an dem gebaut werden soll. Im Jahr 2003 wurde mit dem B-Plan Kulturcampus nach einem städtebaulichen Wettbewerb begonnen, welchen wir als Büro schon zu Beginn unseres Arbeitens verfolgt hatten. Nun, 13 Jahre später, hat am Ende des AfE-Wettbewerbes und des darauf folgenden Workshopverfahrens der B-Plan endlich seine Gültigkeit erlangt. Diesem Umstand musste unbedingt Rechnung getragen werden – das heißt, als Hochbauarchitekt sollte man sich nicht zu weit von den Vorgaben des B-Planes entfernen, beziehungsweise die Vorgaben als gesetzt akzeptieren. Darüber hinaus wurde als Vorbereitung des Wettbewerbs eine profunde Studie eines Frankfurter Kollegen zugrunde gelegt. Dank dieser Studie wurde bereits im Vorfeld des Wettbewerbs die wirtschaftliche Basis des Vorhabens abgesichert.
Wir mussten also nicht auf dem weißen Blatt Papier anfangen. Auch handelte es sich nicht schlicht um einen Fassadenwettbewerb; die Schwierigkeit war, die gewünschte spektakuläre, internationale Architektur in Einklang mit dem B-Plan zu bringen. Uns war während des gesamten Verfahrens klar, dass es sich hier um mehr als einen Fassadenwettbewerb handelte; die unterschiedlichen Kräfte (aus Politik und Wirtschaft) waren durch einen wohldosierten Beitrag in Einklang zu bringen. Betrachtet man unabhängig von allen Vorgeschehnissen den Ort alleine, fällt auf, dass der Kulturcampus aufgrund seiner geringen Flächenausdehnung keine Chance hat aus sich selbst heraus zu bestehen. Unser Pluspunkt im Wettbewerb war, dass wir genau dies zum Anlass genommen haben, den Blockrand offen zu seiner Umgebung zu gestalten. Als Scharnier zwischen Bockenheim und Westend kann das AfE-Areal Bestandteil der Innenstadt werden. Aus einer langen Studienreihe haben wir als Leitmotiv an dem Thema «Diffusion» gearbeitet. Ein offener Blockrand, der die angrenzenden Viertel erweitert und einbezieht, hat uns von Anfang an städtebaulich Pluspunkte in der Gesamtbewertung gebracht.

Wettbewerbsgelände mit dem 2013 gesprengten «AfE-Turm» von der Ludwig-Erhard-Anlage am Messegelände gesehen (Bild: Dontworry via Wikimedia)

Wie fanden Sie zu den vorgeschlagenen Baukörpern?
Ausgehend von der Grundlagenstudie haben wir uns nach städtebaulichen Qualitäten gefragt. Wir wussten, dass ein Platz im Ensemble nördlich des Hybridhochauses keine Aufenthaltsqualitäten verspricht, da er sich im Kernschatten des Hauses befindet. In unseren Untersuchungen haben wir eine Lösung gefunden, die durch die Öffnung des nördlichen Riegels zur Robert-Meyer-Straße, einen besonnten Platz ermöglicht, der die gewünschten Qualitäten für das Ensemble bringt und unserem Leitbild der «Diffusion» entspricht. Die Öffnung des Blockrandes war für uns unumgänglich. Da für alle vier Teilprojekte klare Zieldefinitionen der zu erreichenden Bruttogeschossfläche bestanden, musste eine Umverteilung, unter Wahrung der Einzelinteressen der Teilprojekte, stattfinden. Ausgehend vom ersten Realisierungsprojekt T-Rex, dem Hybridhochhaus, haben wir eine Formensprache entwickelt und auf die angrenzenden Projekte übertragen. Nördlich des Hotel- und Wohnhochhauses grenzt ein Bürohaus an, welches den Blockrand nach Nordosten definiert.
Im Süden soll eine Kita entstehen, die eine, sich über die Breite des Wettbewerbsgebiets ersteckende, zugeordnete Freifläche erhalten soll. Daher war klar, dass eine Fuge zwischen Kita und Hotelsockel keinen Sinn macht, hier war keine Wegeführung vorgesehen. Der letze Baustein im Ensemble, das 100 Meter hohe wurde in Fortführung der vorbestimmten Formensprache so entwickelt, dass möglichst geringe Beeinträchtigungen zwischen Hybridhochhaus und Büroturm West entstehen. 

Lageplan

Welche Nutzungen sind für die vier Bestandteile des Ensembles vorgesehen?
Im Südosten steht das Hybridhochhaus. Auf 15 Etagen findet dort ein 4-Sterne-Hotel mit abschließender Skybar sein neues Zuhause. Darüber werden 300 Wohneinheiten als Businessflats realisiert. Im Nordosten schließt ein 6.000m² großes Bürogebäude an, welches den Blockrand und die Hauptzufahrt zum Ensemble definiert. Im Westen entsteht der Ideenteil; ein Büroturm mit 40.000m² Bruttogrundfläche. Aufgrund dieser Vorgabe kann auf ein sechsgeschossiges Sockelgebäude nicht verzichtet werden. Durch die städtebauliche Öffnung des Sockels nach Norden wird der Kopfbau des physikalischen Vereins als nördliche Platzbegrenzung mit einbezogen. Als Abschluss des Ensembles wird eine achtzügige Kita im Süden auch für die angrenzenden Viertel geplant. 

Hochhausquartier auf dem Kulturcampus

Können Sie uns durch das Hochhausquartier im Kulturcampus führen, als ob es schon fertiggestellt wäre?
Über die Öffnung im Blockrand an der Robert-Mayer-Straße gelangen wir direkt auf den zentralen Platz in der Mitte des Ensembles. Von hier aus haben wir den Überblick über alle Gebäude und nehmen die Eingänge des Hotels, der Bürogebäude und der Kita auf Anhieb wahr. Der Platz ist gegliedert durch Sitzmöglichkeiten und Bepflanzung, Bäume spenden im Sommer Schatten. Besucher der Cafés und Galerien, die sich in den Erdgeschossen der Blockränder befinden, beleben den Platz. Die Fassaden, transparente Glasflächen im Wechselspiel mit Farben und Materialien in warmer Anmutung, halten sich dezent zurück und schaffen eine angenehme Atmosphäre. Beim Blick nach oben, die Fassade entlang, können wir die Dachbegrünung der Blockränder wahrnehmen. Auf den fünften Fassaden sind Dachgärten angelegt, die trotz dichter Bebauung das Mikroklima im Quartier verbessern. Weiter in süd-östlicher Richtung nähern wir uns der Kita und dem davor liegenden angehobenen Vorplatz – von hier aus haben die Kinder die «richtige» Höhe, die Übersicht über den, im Osten, angrenzenden Park und sind geschützt vor dem Trubel der «Erwachsenenwelt». Der leicht erhöhte Platz umschließt und inszeniert eine bestandsgeschützte Platane. Die Erhöhung des Kitaplatzes ist die einzige Abtrennung, eine Geste, die das Private suggeriert, sich aber nicht verschließt zur großen Fläche des Hauptplatzes. Aus der Mitte des Ensembles fällt die Orientierung leicht. Alle Öffnungen im Blockrand haben direkten Bezug zu Fußwegen aus den angrenzenden Stadtteilen.

Grundriss Erdgeschoss

Welches architektonische Thema war Ihnen bei der Ausformulierung des 
Hybridhochhauses besonders wichtig?

Ein Hotel und Wohnungen werden hier unter dem Begriff Wohnhochhaus subsumiert. Das Hauptaugenmerk liegt auf den Geschossen oberhalb des Hotels, ab dem 16. Obergeschoss. Im weitesten Sinnen handelt es sich also um ein Wohnhochhaus.
Diese Typologie erlebt derzeit nicht nur in Frankfurt eine Renaissance. Rein typologisch betrachtet verspricht das Wohnhochhaus eine Problemlösung. Die hohe Nachfrage nach Wohnungen im Innenstadtbereich fordert die zum Teil in Verruf geratene Typologie, die in den 1970er-Jahren bis heute zum Brennpunkt gesellschaftlichen Zusammenlebens geworden ist. Nun soll genau diese Form die Lösung unserer derzeitigen Probleme bringen, wie heute ein Wohnhochhaus in vorbestimmten Preissegement auszusehen hat.
Aufgrund der seit den 1970er-Jahre gestiegenen technischen Anforderungen an Hochhäuser sind die Herstellungskosten gestiegen. Die verhältnismäßig hohen Preise für Wohnen im Hochhaus führen zu einer Gentrifizierung, welche von einigen Mitgliedern der Gesellschaft als undemokratisch bezeichnet wird.
Wir finden, dass es sich um eine gesellschaftliche Notwendigkeit handelt genau diese Bedürfnisse zu befriedigen; anders als in Asien oder den arabischen Emiraten entstehen andere sozialpolitische Bedürfnisse, die befriedigt werden wollen. Hier hat ein individueller Außenraum einen geldwerten Vorteil. Das bedeutet, dass jede Kleinwohnung den Anspruch auf einen eigenen Balkon hat. Die aktuell oft praktizierte Megaform der asiatischen Großstädte mit immensen Smog-Belastungen kann hier nur bedingt eine Vorbildfunktion leisten. Daher mussten wir eine neue alte Idee der Fassadengestaltung heranziehen – eine Transformation der strukturellen, funktionalistischen Fassadengestaltung, die zu Wohnmaschinen in den 1970ern geführt hat, in Überlagerung seiner Vorteile. Modulare Flexibilität garantiert jeder Wohnung einen Balkon. Was viele verkennen ist die eingeschränkte Realisierbarkeit dieser Idee aufgrund einer veränderten Baunutzungsverordnng, die umlaufende Balkone, in den 1970ern noch möglich, nicht mehr zulassen. Wir sind der Meinung, dass unser Fassadensystem eine Neuinterpretation der umlaufenden Balkone mit den aktuellen baurechtlichen Möglichkeiten ist. Wir haben ausgehend von unserem Wettbewerbsentwurf ein modulares System entwickelt, welches konsequent diagonal umlaufend, jeder Wohnung einen Balkon verspricht. Ausgehend von dem, vom Hotel vorgegebenen, 2,10m Raster haben wir im Wettbewerb eine 4,20m Loggia vorgeschlagen, welche wir stets um 2,10m versetzt angeordnet haben.
Als einer der drei Zweitplatzierten wurden wir mit der Frage konfrontiert, wie man eine strukturelle Wohnmaschine vermeiden, die Vorteile einer modularen Flexibilität mit den Anforderungen der Jetztzeit vereinen, und gleichzeitig einen noch nicht festgelegten Wohnungsmix berücksichtigen könne. Wir haben daher unser Loggienmodul, unter Berücksichtigung der baurechtlichen Bestimmungen, überarbeitet und zu Balkonen umgewandelt. Alle übrigen Fassaden wurden ausgehend von diesen Überlegungen folgerichtig entwickelt – vorbehaltlich, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt alle richtigen Antworten gefunden haben.

Ausschnitt Hybridgebäude
Innenraum

Welche Materialstrategie schlagen Sie vor?
Aufgrund technischer und wirtschaftlicher Notwendigkeiten haben wir noch keine detaillierte Vorstellung, wie sich das Hybridhochhaus materialisiert. Aber aufgrund seines Volumens gilt es jetzt die richtigen Entscheidungen zu treffen, die die Typologievorgaben vereinen. Wir sind davon überzeugt, dass durch die hohe Qualität des Entwurfs eine ansprechende Erscheinung gewährleistet ist. Glücklicherweise sehen wir im Ergebnis des Workshopverfahrens eine konsequente Weiterentwicklung des Wettbewerbbeitrages.

Gibt es schon einen geplanten Fertigstellungstermin?
Die Baugrube wird bereits im dritten Quartal 2016 bereits ausgehoben, der eigentliche Baubeginn wird Mitte nächsten Jahres sein. Die geplante Fertigstellung ist auf 2018 terminiert. Wir hoffen aus Erfahrung auf genau diese zeitige Umsetzung.

Hochhausquartier auf dem Kulturcampus

AfE-Areal
Beschränkter Ideen- und Realisierungswettbewerb

Jury
Olaf Cunitz | Martin Hunscher | Jürgen Groß | Frank Junker | Robert Bambach | Prof. Karl-Heinz Petzinka | Prof. Anett-Maud Joppien | Prof. Zvonko Turkali

1. Preis
nach Überarbeitung
Architekt: cma cyrus | moser | architekten, , Frankfurt am Main
Statik, TGA, Fassadenplanung: Arup Deutschland GmbH, Frankfurt am Main
Landschaftsplanung: Kubus Freiraumplanung, Wetzlar
Visualisierung: luminousfields, Hamburg

ein 2. Preis
nach Überarbeitung
Architekt: Büro Ole Scheeren, Beijing , Hong Kong
Landschaftsarchitekt: grabner huber lipp landschaftsarchitekten und stadtplaner partnerschaft mbb, Freising

ein 2. Preis
nach Überarbeitung
Architekt: Langhof Gmbh, Berlin

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