Kleiner Grasbrook im Hamburger Hafen

Wohnungsbaupläne sorgen für Unruhe

Oliver Pohlisch
5. June 2016
Noch steht die Halle des Übersee-Zentrums (Bild: Marek Blahuš via Wikimedia Commons)

Auf dem Kleinen Grasbrook, den die gescheiterten Befürworter von Sommerspielen an der Elbe zum Standort des Olympiastadions und des Olympischen Dorfes auserkoren hatten und der danach in ein neues Quartier mit insgesamt 8000 Wohnungen umgewandelt werden sollte, könnte laut dem Hamburger Abendblatt bald zumindest ein Teilareal für die Errichtung von Wohngebäuden ausgewiesen werden – und zwar dort, wo sich derzeit noch das Übersee-Zentrum befindet.

German-architects.com hatte darüber berichtet, dass Hamburgs Oberbaudirektor Jörn Walter nach der Beerdigung des Olympia-Projekts davon ausgegangen war, dass sich mit der möglichen Transformation des Kleinen Grasbrook erst wieder die nächste Generation von Stadtplanern beschäftigen werde.

Doch im Zuge von Gesprächen zu einer generellen Neuordnung der Hafenverwaltung hatten deren Vertreter zusammen mit dem Senat darüber beratschlagt, was mit dem nahe der Elbbrücken gelegenen Übersee-Zentrum auf dem Kleinen Grasbrook in Zukunft passieren soll. Die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) will nämlich den einst weltgrößten Verteilschuppen für Stückgutladung aus Kostengründen schließen und hat den Willen signalisiert, ihn an die Hafenverwaltung zurückzugeben – knapp zehn Jahre vor Ablauf des Mietvertrags.

Schmaler Streifen an der Wasserkante
Ein Teil der Fläche, auf der die 100.000 Quadratmeter große Halle steht, soll weiter für Gewerbe und hafennahe Nutzung zur Verfügung stehen. Ein schmaler Streifen an der Wasserkante zur Norderelbe könnte aber aus dem Hafengebiet herausgelöst und für den Wohnungsbau umgewidmet werden.

Ein Grund, die mehrfach gegenüber der Hafenwirtschaft wiederholte Zusage von Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos), dem Hafen keine Flächen zu entziehen, zurückzunehmen, könnte das jüngst neu geschlossene Bündnis für das Wohnen sein. Darin verpflichtet sich die Stadt, jedes Jahr 10.000 Baugenehmigungen zu erteilen. Aber auch weil über Dekaden freie Flächen der Errichtung von Bürokomplexen anheimgefallen waren, herrscht in der Stadt inzwischen Mangel an Baugrund.

In der rot-grünen Koalition kam es gar zum Krach wegen des Bündnisses. Umweltsenator Jens Kerstan hatte mit einem Veto gedroht, da er den Erhalt von Grünraum besonders in den Außenbezirken gefährdet sah. Mit der Versicherung von Stadtentwicklungssenatorin Doris Stapelfeldt (SPD), den Fokus auf Verdichtung und Gebäudeaufstockung richten und Ausgleichsflächen für die Neubebauung von unversiegeltem Gelände schaffen zu wollen, konnte der Streit beigelegt werden.

Begrabene Pläne eines post-olympischen Wohnquartiers auf dem Kleinen Grasbrook (Grafik: KCAP/Arup/Vogt/Kunst+Herbert/gmp/Drees&Sommer/WES/ARGUS/bloomimages/on3studio/Luftbilder Matthias Friedel)

Die Opposition kritisiert erwartungsgemäß die Vorstellungen des Senats für den Kleinen Grasbrook. Nach Angaben von NDR-Online sprach Michael Kruse, der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP, von einer «Nacht- und Nebel-Aktion». CDU-Hafenexperte Ralf Niedmers erklärte, Wirtschaftschaftssenator Horch müsse gegenüber der Hafenwirtschaft Wort halten und dafür sorgen, dass der geplante Raubbau an Hafenflächen gestoppt wird.

Der Chef des Unternehmensverbands Hafen Hamburg (UVHH), Gunther Bonz sagte gegenüber dem Hamburger Abendblatt, seine Organisation vertraue unverändert auf die Zusagen von Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) und seinem Kabinett. Die UVHH unterstütze dessen Vorhaben, mehr Wohnraum zu schaffen. Die Hafenflächen würden aber dringend für die Bereitstellung neuer Arbeitsplätze benötigt.

Dagegen begrüßte der Verband norddeutscher Wohnungsbauunternehmen die Kehrtwende. «Wir haben direkt nach dem Olympia-Aus gefordert, Flächen auf dem Kleinen Grasbrook weiterhin für den Wohnungsbau einzuplanen», so Verbandsdirektor Andreas Breitner. «Selbstverständlich muss hier im Drittelmix, also für jeden Geldbeutel, gebaut werden.»

Kostspieliges Vorhaben
Für eine vorzeitige Beendigung des Mietvertrags muss die HHLA entschädigt werden. Womöglich springt der Senat der HPA finanziell bei und holt sich die Millionenbeträge später bei der Vergabe der Flächen an Wohnungsbaufirmen zurück. Doch je höher die Grundstückspreise, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass auf dem Kleinen Grasbrook genügend günstiger Wohnraum für Menschen mit geringem Einkommen entstehen wird. Eingerechnet werden müssen auch die Ausgaben für die Bodensanierung nach Jahrzehnten der gewerblichen Nutzung.

Sollte tatsächlich ein Stück des Kleinen Grasbrook zum Wohngebiet werden, droht es also eher zur exklusiven Adresse von jungen und gutverdienenden Dienstleistern zu werden, die wenig wohnungsnaher Infrastruktur bedürfen. Den Verkehrs- und Gewerbelärm im Rücken nähmen sie für die Aussicht aufs Wasser in kauf. Und sie hätten die Gewissheit, dermaleinst als Pioniere gelten zu können, die dabei mithalfen, «feindliches Territorium» zu domestizieren.

Ausschnitt einer Karte vom Kleinen Grasbrook (Grafik: OpenStreetMap via Wikimedia Commons)

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