Warten auf den Fluss

Gesa Loschwitz
13. June 2016
«Wellenbrecher» von Nevin Aladag (Bild: Thorsten Arendt / Emscherkunst)

Es wird noch voraussichtlich bis 2020 dauern, bis die einst stinkende, 80 Kilometer lange Kloake wieder eine Flusslandschaft für die Menschen im Ruhrgebiet sein wird. Doch schon jetzt ist der Wandel erlebbar. 2010, im Jahr, als das Ruhrgebiet Kulturhauptstadt war, gab es die «Emscherkunst» zum ersten Mal. Als Triennale angelegt, fand die Ausstellung danach 2013 statt und ist jetzt wieder seit dem 4. Juni zu besichtigen – für 100 Tage auf sieben Arealen an der Emscher – von der Emscherquelle bei Holzwickede bis zum Emscherhafen an der Stadtgrenze zwischen Herne und Recklinghausen. 

Die Emscherkunst bietet die Gelegenheit, sich ein Bild vom neu Entstehenden zu machen. Doch auch Brüche werden deutlich – zum Beispiel am Hochwasserrückhaltebecken an der Autobahn zwischen Dortmund und Castrop-Rauxel: Ein Naturparadies für Vögel, aber hier lässt sich noch ahnen, wie es entlang des Kanals früher roch, denn hier ist die Emscher noch der alte Abwasserkanal. Diesen Ort hat sich die Berliner Künstlerin Nevin Aladag für ihre Installation «Wellenbrecher» ausgesucht: 60 über zwei Meter große Ufersicherungen aus Beton setze sie auf dem Gelände. Und dies nicht frei, sondern in Form des Abdrucks der Arche Noah, der 1960 von einem armenischen Piloten auf dem Berg Ararat in der Türkei vermeintlich entdeckt wurde.

«Warten auf den Fluss» von Observatorium (Bild: Roman Mensing / Emscherkunst)

Die aktuelle Ausgabe der Emscherkunst kuratieren Florian Matzner, Katja Aßmann und Simone Zimmerhaus. Sie bringen 24 Kunstwerke ins Ruhrgebiet, 17 davon sind neu. Einige waren bereits 2010 ein Erfolg und werden wiederaufgebaut. Darunter: «Warten auf den Fluss» der niederländischen Künstlergruppe Observatorium. Die Brückenkonstruktion mit Pavillons am Großen Wasserkreuz von Emscher und Rhein-Herne-Kanal in Castrop-Rauxel sehen die Künstler als «gebauten Vorschlag». Bis das neue Emschertal Realität sein wird, dient diese Brücke mit ihren Aufenthaltsräumen dem «produktiven Warten». Genau an ihrem Standort wird in Zukunft die renaturierte Emscher fließen.

Der Schwerpunkt der diesjährigen Ausstellung ist jedoch Dortmund, wo 160 Jahre lang das Stahlwerk «Phoenix» den Takt der Stadt bestimmte. Auf dem Gelände des inzwischen stillgelegten Werks wurde ein großer, künstlicher See angelegt, der Phoenix See. Hier ist die Emscher bereits renaturiert. Und hier haben die Berliner Landschaftsarchitekten vom Atelier le balto einen ganz besonderen Ort für die Besucher erschlossen: Einen großen, verwilderten Haselnusshain nahe eines Autobahnzubringers, aber eben auch nahe der Emscher. Das Innere des Hains erinnerte das Team von Atelier le balto an eine Kathedrale. Diesen besonderen Ort erschlossen sie mit Stegen und machten ihn zu einem Ort der Ruhe und der Pause, einer «Kunstpause», der einlädt, sich Zeit zu nehmen und einen Blick auf die Emscher zu werfen.

«Kunstpause» von atelier le balto für die Emscherkunst 2016 (Bild: atelier le balto)
Haselnusshain und «Kunstpause» (Bild: Roman Mensing / Emscherkunst)

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