Venedig und die Fluten

Manuel Pestalozzi
15. November 2016
Der Markusplatz am 4. November 1966. (Bild: wmf.org)

Es geschah am 4. November 1966: Eine Wassermenge bisher unbekanntem Ausmaßes ergoss sich über Venedig und verursachte große Schäden an der Bausubstanz. Die Weltöffentlichkeit reagierte mit Bestürzung, es kam zu einer der ersten internationalen Kampagnen zur Rettung eines baukulturellen Erbes. Der WMF hieß damals noch International Fund for Monuments. Er engagierte sich sofort und erachtet Venedig als den Ort auf der Welt, mit dem er die nachhaltigste und intimste Beziehung eingegangen ist.

Eine Folge der Katastrophe war die Gründung der Laboratori della Misericordia in einer historischen Schuanlage. Diese Institution wurde mit Unterstützung des WMF ins Leben gerufen, sie befasst sich mit Forschung und Ausbildung rund um die Restaurierung von Bauwerken. Außerdem nahm der WMF verschiedene Konservierungs-Projekte an die Hand, beispielsweise in der Scuola Grande di San Giovanni Evangelista oder der Schola Canton im Ghetto, der nach 1973 im Jahr 2014 eine zweite Rettungsaktion gewidmet war.

Auch der WMF ist sich bewusst, dass Venedig konstant gefährdet ist. Heute denkt man bei der Erwähnung von Fluten vielleicht mehr an Reisende, die aus verschiedenen Massentransportmittel über die Lagunenstadt herfallen, und eine vom Tourismus verursachte Gentrifizierung, welche die sozialen Strukturen strapaziert. Der WMF hat Venedig deshalb im Jahr 2014 in die World Monuments Watch-Liste integriert und verfolgt die Entwicklung mit erhöhter Wachsamkeit.

Leider werfen diese vage «kolonisatorischen» Aktivitäten auch ein Schlaglicht auf die Hilfslosigkeit Venedigs. Einst eine stolze Städterepublik, kontrollierte La Serenissima weite Teile Oberitaliens und des Mittelmeerraums. Heute ist sie nicht nur von Zuwendungen abhängig, es fehlt ihr auch die Kraft, über ihr Schicksal selbst zu bestimmen.

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