ICD/ITKE Forschungspavillon 2016/17 fertiggestellt

Roboter und Drohnen

Carsten Sauerbrei
21. April 2017
Ein 12 m langer, einteiliger Kragarm aus glas- und kohlefaserverstärktem Verbundwerkstoff bildet den Baukörper des neuen Forschungspavillons. (Bild: © ICD/ITKE Universität Stuttgart)

Zuverlässig stellen die Mitarbeiter und Studierenden des Instituts für Computerbasiertes Entwerfen (ICD) und des Instituts für Tragkonstruktionen und Konstruktives Entwerfen (ITKE) der Universität Stuttgart jährlich einen neuen Forschungspavillon fertig. Dabei gilt ihr Interesse einerseits leichten Holzkonstruktionen wie zum Beispiel im letzten Jahr. Andererseits erforschen sie seit dem Pavillon des Jahres 2012 immer wieder auch Konstruktionen aus Glas- und Kohlefasern. Auch in diesem Jahr nahmen sie sich dabei Konstruktionsprozesse aus der Natur zum Vorbild und setzten ein vollautomatisiertes Fertigungsverfahren ein. Diesmal jedoch erstmalig im Zusammenspiel zwischen Industrierobotern und Drohnen, wodurch Beschränkungen von Größe und Geometrie der Konstruktion, die auf Grund des begrenzten Arbeitsraums des Roboterarms bisher vorhanden waren, überwunden werden konnten. 

Zwei stationäre Roboterarme interagierten für das neuartige Herstellungsverfahren mit einer autonom fliegenden Drohne. (Bild: © ICD/ITKE Universität Stuttgart)

Das neuartige Fertigungsverfahren basiert auf den einzigartigen Eigenschaften und Merkmalen des Aufbaus der Faserkonstruktion. Weil Glas- und Kohlefasern leicht sind und eine hohe Zugfestigkeit aufweisen, können Maschinen mit niedriger Nutzlast, geringerer Präzision und großer Reichweite wie Drohnen mit starken, präzisen, aber reichweitenbegrenzten Industrierobotern kombiniert werden. Konkret arbeiteten bei der Fertigung des Pavillons zwei stationäre Roboterarme - je einer an einer der beiden kurzen Seiten des Konstruktionsaufbaus – vollautomatisch mit einer autonom fliegenden Drohne, die das Führen der Faser von einer Seite zur anderen übernahm, zusammen. Durch diese Kombination entstand eine Vielzahl an Möglichkeiten die Fasern auf, über und durch das Tragwerk hindurch abzulegen, was eine Materialanordnung und Tragverhalten ermöglichte, das mit einer der beiden Fertigungsmaschinen alleine nicht zu erzielen gewesen wäre.

Vorbild für Faseraufbau und hängemattenartige Geometrie des Pavillons waren natürlichen Konstruktionsprozesse von zwei Arten von Blattminenmotten. (Bild: © ICD/ITKE Universität Stuttgart)

Zwei Arten von Blattminenmotten, deren Larven seidene «Hängematten» spinnen, waren das Vorbild für Aufbau und Geometrie der Konstruktion aus insgesamt 184 km harzimprägnierter Glas- und Kohlefaser. Der Pavillon besteht aus einem einzigen, langgestreckten Kragarm mit einer Gesamtlänge von 12 m über einer Grundfläche von circa 40 m2 und einem Gewicht von 1000 kg. Da der Konstruktionsaufbau außerhalb des Standorts erfolgte und der fertige Pavillon per Tieflader zum Bauplatz gebracht werden musste, war dessen Größe beschränkt. Das interdisziplinäre Team aus Architekten, Ingenieuren und Biologen erprobte jedoch auch Variationen des Konstruktionsaufbaus für die Vor-Ort-Herstellung, sodass in Zukunft auch größere Spannweiten und Konstruktionen möglich wären. So faszinierend Architektur und Herstellungsverfahren des neuen Pavillons in dem folgenden Video auch erscheinen, bisher sind Bauwerke aus glas- und kohlefaserverstärkten Verbundwerkstoffen vor allem eines: Seltene Experimente.

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