Ratio und Emotio

Ulf Meyer
24. June 2016
Haus Müller, Köln, 1957-58 (Bild: Friedhelm Thomas, © UAA)

Genau fünfzig Jahre ist es her, dass in Berlin die Studentenunruhen begannen, die die Gesellschaft grundlegend verändern sollten – auch die Architekturausbildung. Das Entwerfen galt bald als Knechtschaft des Kapitals und die politisierte Debatte rückte in den Mittelpunkt des Interesses. Genau in dieser Zeit war Oswald Mathias Ungers Professor an der Technischen Universität Berlin – nur, um bald darauf (1969) nach Amerika weiterzuziehen, wo die «68er»-Bewegung zwar ebenfalls erstarkte, an elitären Privatuniversitäten wie Cornell in Ithaca jedoch der Architekturdiskurs nicht abriss.

Als Ungers in den Bundesstaat New York aufbrach, hatte er besonders drei bemerkenswerte Einfamilienhausentwürfe im Portfolio, die seine an Starrsinn grenzende Geradlinigkeit und beharrliche Arbeit an den puren Geometrien der Klassik bereits auf beeindruckend hohem Niveau bewies: Diese drei frühen Hausentwürfe (für die Häuser Steimel in Hennef-Sieg von 1962 , Haus Müller in Köln von 1958 und Ungers‘ eigenes Haus in der Belvederestraße in Köln von 1959) sind nun im Rahmen einer kleinen, aber feinen Kabinett-Ausstellung in eben der TU Berlin zu sehen, der Ungers einst den Rücken kehrte. Schon vor der Berliner Phase hatten Ungers‘ strenge «morphologische Denkansätze» in Italien Interesse und Wohlwollen gefunden. In Italien formierte sich eine wichtige intellektuelle und künstlerische Flanke gegen die zunehmend sinnentleerte Moderne. Aldo Rossi selbst hatte den Kölner Entwerfer schon 1960 den Lesern vorgestellt und für den Neo-Rationalismo vereinnahmt. Auch die Initiative zu dieser Ausstellung stammt aus Mailand: Stefan Vieths vom Politecnico di Milano hat sie als Auftakt zu einer dreiteiligen Ausstellungsreihe zum Schaffen von Ungers kuratiert.

Die Ausstellung »O.M. Ungers – Erste Häuser« ist das Resultat seiner Kooperation mit dem «Ungers Archiv für Architekturwissenschaft (UAA)» in Köln. Sophia Ungers, Leiterin des UAA, sieht in den drei frühen Häusern aus der Anfangsphase ihres Vaters (1957 bis 1962) die Entwicklung seiner Entwurfsauffassung weg vom Funktionalismus der Nachkriegszeit. Architektur versteht Ungers als «autonome Kunst», die in der Lage ist – ausgehend von einem «Konzept» und unter Verwendung eigener Regeln und Themen eine Interpretation der Bauaufgabe und des Ortes zu formulieren. Die architektonische Form als Ganzes aus Raumkomposition und baukörperlicher Fügung steht im Mittelpunkt des Entwurfes. 

Ausstellung
bis 28. Juli, Mo – Do 12 – 16 Uhr
Architekturmuseum der TU Berlin

Modell Haus Ungers, Köln, 1958-59 (Bild: © UAA)
Haus Steimel, Hennef-Sieg, 1961-62 (Bild: Bernhard Becher, © UAA)

Related articles

Featured Project

Sieveke Weber Architekten BDA

Scheune für Lucia und Samuel

Other articles in this category