Wem gehört der öffentliche Raum?

Otello ist schwarz

Gesa Loschwitz
11. April 2016
Das Ensemble und der Intendant der Semperoper Dresden wehren sich in einer Kunstaktion dagegen, als Kulisse für fremdenfeindliche Veranstaltungen genutzt zu werden (Bild: Matthias Creutziger)

Welches Privileg der öffentliche Raum ist, führt die Diskussion um Sicherheit derzeit wieder vor Augen. Nach den Terroranschlägen von Brüssel am 22. März 2016 wurde immer wieder Israel als Beispiel dafür genannt, wie es möglich wäre, (vermeintliche) Sicherheit auf Straßen und Plätzen zu erlangen. Der Preis: Kontrollen vor jedem Einkaufszentrum und jedem öffentlichen Gebäude, Sicherheitspersonal in den Straßen. Der öffentliche Raum wird geschützt aber auch abgeschirmt.

Dass öffentlicher Raum jedoch streitbar ist und auch sein muss, zeigt derzeit Dresden. Seit Monaten marschiert dort die Pediga auf und schwenkt ihre Fahnen vor der Semperoper. Fast schon verschmolzen die Aufmärsche mit dem Opernhaus zu einem Bühnenbild. Der Intendant des Hauses Wolfgang Rothe und das Ensemble wehrten sich schließlich mit einer Kunstaktion: ein Monitor an der Fassade mit Gesichtern und Statements von Mitarbeitern der Oper und der Kapelle, die Position beziehen. Und mit dem Satz «Wir sind kein Bühnenbild für Fremdenhass». Seit Oktober 2015 hängt der Monitor dort. Doch jüngst gab es eine anonyme Anzeige wegen Verstoß gegen den Denkmalschutz. Und dieser schritt auch tatsächlich ein. Doch Rothe beharrt darauf, dass es sich um eine nicht genehmigungspflichtige Kunstaktion handele. Und auch die sächsische Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst, Eva Maria Stange, äußerte sich in der Sendung «Kulturzeit» in 3sat am 29. März erstaunt, dass die Stadt Dresden und das Landesdenkmalamt sich nicht eindeutig hinter die Aktion stellten. Ihr liegt außerdem eine parlamentarische Anfrage der AfD vor, wie die Staatsregierung gedenke, ihren Einfluss zu nutzen und die Oper zur politischen Neutralität zu verpflichten. Doch eine Kunst, die neutral ist, die nicht provoziert, die nicht auch und gerade den öffentlichen Raum nutzt, macht sich selbst obsolet.

Die Antwort auf die Anfrage an die Ministerin liegt inzwischen auch vor: Der Staatsregierung stehe eine Einflussnahme auf das künstlerische Wirken der Sächsischen Staatsoper nach der Verfassung des Freistaates Sachsen und Artikel 5 des Grundgesetzes nicht zu. Unabhängig davon begrüße die Staatsregierung die mit den Mitteln der Kunst zum Ausdruck gebrachten Werte der Weltoffenheit und Toleranz.

Otello, Papageno und Lohengrin im Einsatz für ein fremdenfreundliches Dresden (Bild: Matthias Creutziger)

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