Neue Wege im dichten München

Gesa Loschwitz
22. March 2016
Die Fröttmaninger Heide im Norden von München ist eine der wenigen weiten Feldfluren im Stadtgebiet (Bild: Jörg Koopmann/LHM)

Englischer Garten, Nymphenburger Park, Isar – München in bekannt für seine Parks und Naherholungsgebiete. Daher fällt es auch schwer zu glauben, dass die bayerische Landeshauptstadt gemessen an ihren Einwohnern wenig Grün hat. Und doch ist es so: Hamburg hat mehr als doppelt so viel Freiflächen pro Einwohner. Das liegt daran, dass dort wie in den meisten anderen deutschen Großstädten wesentlich mehr Wälder und Äcker zum Stadtgebiet gehören, die im wahrsten Sinne des Wortes Luft geben. München dagegen ist entgegen seines Rufs, ein Dorf zu sein, dicht besiedelt. Und es ziehen immer noch mehr Menschen nach München. Wohnraum ist knapp. Mieten, die vor 10 Jahren noch unbezahlbar schienen, gelten heute als Schnäppchen. Der Schub nach den Olympischen Spielen 1972 war ein Witz dagegen, was München in den kommenden Jahren an Zuzug erwarten könnte. Und mit dem Druck auf den Wohnungsmarkt steigt auch der Druck auf die Freiflächen: Die Isarufer sind an warmen Sommerabenden kaum noch zu erkennen – der Rauch der Steaks auf unzähligen Grills vernebelt die Sicht.

Sport auf dem Gleisdreieck Daglfing (Bild: Jörg Koopmann/LHM)
Auf dem einstigen Areal der Siemenswerke entsteht seit 2011 das Quartier Südseite mit einem großen Park (Bild: Jörg Koopmann/LHM)

Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung reagierte und beauftrage das Berliner Büro bgmr mit einem Grün-Gutachten. Ende Januar stellte das Büro stellvertretend für das Bearbeitungsteam (bgmr, Freiraumstudio Landschaftsarchitektur, Projektbüro Friedrich von Borries) das Konzeptgutachten «Freiraum München 2030» den Münchnern vor. Diese konnten sich dann bis Anfang März in einer Ausstellung genauer über das Konzept informieren und ihre Ideen loswerden. Einige Schwerpunkte wie zum Beispiel die Dichte wurden während der Ausstellung in Diskussionsforen nochmal näher unter die Lupe genommen. Entschleunigung, Verdichtung, Umwandlung – das sind die Schlagworte, mit denen sich München künftig in seiner Freiraumentwicklung auseinandersetzen wird: Entschleunigung steht für Orte, an denen sich die Münchner bewusst der rasanten Entwicklung der Stadt entziehen können – also große zusammenhänge Parks und Grünflächen wie die Isar, die es zu schützen und weiterzuentwickeln gilt. Beim Prinzip Verdichtung wird das städtebauliche Prinzip auf den Freiraum übertragen, das heißt neue Nutzungen im vorhanden Freiraum werden möglich gemacht, zum Beispiel sollen zunehmend Dächer auch zu Aufenthaltsorten gestaltet werden. Und schließlich die Umwandlung: Hier geht es um ein Umdenken beim Ressourcenverbrauch. Ein Beispiel: die Stadt könnte nicht nur Wasser verbrauchen, sondern auch durch einen anderen Umgang mit ihren versiegelten Flächen dafür sorgen, dass Wasser gewonnen wird und so während Hitzeperioden München kühlen.

Viele Stichworte, die im Konzept fallen wie Aufladen, Aktvieren und Mehrfachnutzen müssen jetzt mit Leben gefüllt werden. Dächer, Schulhöfe, Parkplätze, Gewerbegebiete, sie alle bieten Potenzial für zunächst temporäre Freiraumexperimente. Und genau dies hat die Stadt auch vor. Die Ideen der Bürger aus der Ausstellung werden gerade sortiert, und Schlüsselprojekte festgelegt, anhand derer die Ideen aus dem Gutachten und der Ausstellung konkretisiert werden sollen. Das Ganze wird dann dem Stadtrat vorgelegt. Nach einem Freiraumsommer, in dem nochmal die Öffentlichkeit mit ins Boot geholt wird, soll Anfang 2017 dann das endgültige Konzept beschlossen werden.

Losgehen wird es natürlich nicht erst 2017. Bereits seit längerem arbeitet die Stadt daran, neue Ideen – wie zum Beispiel die Nutzung von Dächern als Grünfläche – in Bebauungspläne einfließen zu lassen. Und auch temporäre Experimente werden bereits angestoßen: In Obersendling soll ein Pilotprojekt initiiert werden, das die Freiräume zwischen Gewerbeflächen genauer unter die Lupe nimmt, um zu testen, was in solchen Räumen entstehen kann. Es kommt neuer Schwung in Münchens Grünkulisse. 

Blick in die Ausstellung Freiraum 2030 (Bild: Leonie Baumeister / LHM)

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