Mannheimer Gebäude Frei Ottos droht der Abriss.

Marode Multihalle

Carsten Sauerbrei
21. June 2016
Die Mannheimer Multihalle, weltweit größte Holzgitterschalenkonstruktion. (Bild: Hubert Berberich / CC BY 3.0)

Um ein Gebäude, entworfen von einem Pritzker-Preisträger werden viele Städte beneidet und Bürgermeister scheuen meist weder Kosten, noch Mühe, um ein solches auch in ihrer Stadt errichten zu können. Nicht so in Mannheim. Hier ist die Multihalle, immerhin größte Holzgitterschalenkonstruktion der Welt und 1975 geplant unter maßgeblicher Beteiligung des damals schon weithin bekannten Frei Otto vom Abriss bedroht, wie die Rhein-Neckar-Zeitung am 11. Juni berichtete. 

Im Vorfeld der damaligen Bundesgartenschau entwarfen die Architekten des Büros Carlfried Mutschler + Partner im Herzogenriedpark einen großen, überdachten Treffpunkt für verschiedene Aktivitäten. Nachdem dafür verschiedenste Tragkonstruktionen diskutiert wurden, unter anderem pneumatische und Leimbinderkuppeln, entschieden sich die Architekten schließlich für eine Gitterschale Frei Ottos. Die Konstruktion, ursprünglich nur als temporäres Bauwerk für für die Dauer der Bundesgartenschau geplant, wurde 1981 erstmalig saniert und dabei die ursprüngliche PVC-Folie durch eine Kunststoffdichtungsbahn ersetzt. Mittlerweile ist auch diese so porös, dass eindringendes Wasser das Holz der Dachkonstruktion beschädigt und die Tragfähigkeit der mehrfach gekrümmten Schale beeinträchtigt. Daher wurde es 2008 nötig, in der Halle ein großes Stützgerüst zu errichten und auch den Dachrand mit Stützen zu stabilisieren. 2011 musste die Halle schließlich gesperrt werden, die Wege unter der Bedachung sind jedoch weiterhin begehbar.

Versagen der Politik
Die Kosten für die Sanierung der Halle, die seit 1998 unter Denkmalschutz steht, werden nach einem durch die Stadt in Auftrag gegebenen Fachgutachten mittlerweile auf 11,6 Millionen Euro geschätzt, nachdem noch 2012 von nur 5 Millionen ausgegangen wurde. Der Mannheimer Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz begründet den Abrissbeschluss des Gemeinderats daher mit den begrenzten Mitteln der Stadt und angeblich fehlenden Nutzungsideen für die Halle, so der Bericht der Rhein-Neckar-Zeitung. Man wolle diese daher mit begleitender Dokumentation zurückbauen. Eine Sanierung sei nur möglich, wenn bis Ende 2017 ein wesentlicher Millionenbetrag zusammenkäme, zum Beispiel durch Crowdfunding, Sponsoring und Zuschüsse der Denkmalpflege. Doch gegen den geplanten Abriss regt sich Widerstand und auch die erste Spende zum Erhalt in Höhe von 10.000 Euro ist bereits eingegangen, berichtete der Mannheimer Morgen am 18. Juni in seiner Onlineausgabe. Das Geld kommt von der Architektenkammer Baden-Württemberg, dessen Präsident Markus Müller die Bedeutung der Halle für Mannheim mit dem des Eiffelturms für Paris verglich und gleichzeitig die unzureichende Instandhaltung des Bauwerks durch die Stadt kritisierte. 

Erhalt durch Crowdfunding
Im Vergleich zu den benötigten Mitteln erscheint die erste Spende gering und dennoch macht sie Mut, dass tatsächlich eine Rettung der Multihalle durch bürgerschaftliches Engagement möglich sein könnte. Crowdfunding-Projekte in der Architektur sind in Deutschland zwar immer noch selten, aber immerhin sammelte 2014 die Galerie «C/O Berlin» innerhalb von eineinhalb Monaten auf der Online-Plattform Startnext über 100.000 Euro für Sanierung und Umbau des Berliner Amerika-Hauses. Es braucht aber vor allem auch deutlich mehr Engagement seitens der Stadt Mannheim, um die weitgehend leerstehende Halle dauerhaft zu erhalten. Immerhin gäbe es bereits konkrete Nutzungsvorschläge, so die Stuttgarter Zeitung. Daher wäre es auch eine große Blamage für die Stadtpolitik und ein nicht mehr wiedergutzumachender, baukultureller Schaden, wenn die in Deutschland einzige Schalenkonstruktion von einem der wenigen, weltweit anerkannten, deutschen Nachkriegsarchitekten, der gerade erst im letzten Jahr posthum den Pritzker-Preis erhielt, für immer verschwinden würde.

Stützen am Dachrand des Durchgangs der Multihalle. (Bild: Hubert Berberich / CC BY 3.0)
Der Dachrand der Multihalle im Herzogenriedpark Mannheim muss seit 2008 zusätzlich stabilisiert werden. (Bild: Immanuel Giel / Public Domain)

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