Freiburger Flüchtlingswohnheim fertiggestellt

Living in a box

Carsten Sauerbrei
2. May 2016
Die fein strukturierte Holzfassade verbirgt die über drei Geschosse gestapelten Holz-Module. Bild: Jochen Weissenrieder

Als einen «Quantensprung» in Hinblick auf Schnelligkeit und bauliche Qualität bezeichnet Jochen Weissenrieder, Architekt des ersten kürzlich eingeweihten Flüchtlingswohnheims in Freiburg-Tiengen, das Ergebnis der intensiven Zusammenarbeit von drei Freiburger Architekturbüros, der Fachplaner, des städtischen Gebäudemanagements Freiburg und mehrerer regionaler Zimmereien. Nicht nur, dass mit der Wahl des ressourcenschonenden Materials Holz eine insgesamt bessere Wohnatmosphäre für die Bewohner als bei den herkömmlichen Stahlcontainern möglich wurde, auch müssten die Modulboxen nicht über Tausende Kilometer herangebracht werden und die Herstellung und Montage sichere regionale Arbeitsplätze, so der Architekt weiter.
 
Holz statt Stahl
Betrachtet man die Bilder des ersten neuen Wohnheims für knapp 100 Bewohner, so kann man ihm nur Recht geben. Schon von außen erscheint das mit einer fein strukturierten Holzfassade verkleidete Gebäude aus dreigeschossig gestapelten Holzboxen wesentlich angenehmer als Unterkünfte aus herkömmlichen Stahlcontainern. Auch der Innenraum der Box aus sechs bis neun Zentimeter starkem, massivem Fichtenholz wirkt sehr behaglich trotz der weitgehend roh belassenen Wände und Decken und des ebenfalls einfach ausgeführten Gussasphaltfußbodens. Jede Modulbox, die flexibel als Schlafraum oder auch als Bad, Küche oder Aufenthaltsraum ausgeführt werden kann, besitzt eine Grundfläche von 16 Quadratmetern und kann für größere Räume wie Wohnküchen oder Familienzimmer mit weiteren Modulen zu einem großen Raum kombiniert werden.

Damit nicht genug der Überraschungen. Es ist schwer zu glauben, dass seit Planungsbeginn im letzten Oktober bis zur Übergabe des ersten von insgesamt vier Standorten nur ein gutes halbes Jahr vergangen ist. Die Erschließung des Grundstücks begann dabei im November und die eigentlichen Bauarbeiten für das Gebäude sogar erst im Januar. Auch die Baukosten inklusive der Grundstückserschließung liegen mit 2000 Euro pro Quadratmeter im Durchschnitt nicht höher als bei herkömmlichen, deutlich weniger Qualität aufweisenden Projekten.
 
Schnelligkeit und Flexibilität
Diese schnelle Planung und Realisierung war nur durch die gute Arbeitsteilung in der Arbeitsgemeinschaft der drei beteiligten Freiburger Architekturbüros «franz und geyer architekten bda», «jochen weissenrieder architekten bda» und «stocker dewes architekten bda» möglich betont Jochen Weissenrieder. Sie entwickelten gemeinsam den Modul-Prototyp, der für die weiteren Standorte von jeweils einem Büro mit unterschiedlichen Fassaden und Erschließungen variiert ausgeführt wird.
 
Flexibilität und Wiederverwertbarkeit sind somit auch zwei wesentliche Vorteile der neu entwickelten Modulbauten, können die Boxen doch nach Ende der aktuellen Nutzung komplett ab- und woanders wiederaufgebaut werden, um zum Beispiel als Unterkünfte für Studenten oder Kindertagesstätte zu dienen. Dies wäre zwar auch mit den üblichen Stahlcontainern möglich gewesen und die Investition für die selbst entwickelten Holzmodule in den ersten fünf Jahren sei sogar höher als die Anmietung eines Wohncontainers, berichtet die Badische Zeitung, dennoch machen der ökologische und architektonische Mehrwert diese anfänglichen Zusatzkosten sicherlich mehr als wett. Die Stadt Freiburg und die beteiligten Büros beweisen mit ihrer Vorgehensweise, dass es gute Alternativen zu den überall gerade entstehenden, provisorischen Containerdörfern gibt. Es bleibt zu hoffen, dass dieses Beispiel Schule macht.

Eine vorgestellte, klar strukturierte Stahlkonstruktion dient der Erschließung. Bild: Jochen Weissenrieder
Holzwände und -decken sowie ein Gussasphaltfußboden als robuste, dennoch behagliche Innengestaltung. Bild: Jochen Weissenrieder

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