Architektur-Biennale in Venedig

«Let’s talk about garbage»

Thomas Geuder
5. July 2016
Müll und der Umgang, damit beschäftigt Hugon Kowalski und Marcin Szczelina auf der Architektur-Biennale in Venedig. (Bild: Hugon Kowalski / Marcin Szczelina)

Recycling ist für uns Mitteleuropäer kein Novum mehr. Im Gegenteil: Die Leidenschaft des Mülltrennens lässt sich hierzulande bis zum Exzess betreiben – nicht selten mit fraglichem Ergebnis, denn ein guter Teil des getrennten Mülls wird am Ende doch verbrannt, damit sich das Verbrennen überhaupt lohnt. Was bleibt, ist – allein deswegen lohnt sich das Trennen wieder – das Bewusstsein für die Umwelt und eine Sensibilisierung für den Umgang mit Materialwerten. Weltweit gesehen allerdings ist Müll nach wie vor ein großes Problem, denn allzu oft ist die Deponierung der einzige Umgang mit dem, was der Mensch wegwirft. Die Folgen daraus sind mitunter katastrophal.

Erkannt haben das auch der Architekt Hugon Kowalski und der Publizist Marcin Szczelina aus Polen, die sich seit Jahren mit der Müllproduktion und dem Umgang mit Müll intensiv auseinandersetzen. In diesem Jahr haben sie damit sogar die Aufmerksamkeit von Alejandro Aravena, Kurator der Architektur-Biennale in Venedig, auf sich gezogen und stellen nun ihre Forschungen und Überlegungen zum Thema in der Arsenale-Ausstellung aus. Hier lernen wir etwa, dass ein Japaner durchschnittlich 1000 kg Müll pro Jahr verursacht, ein Amerikaner immerhin noch 860 kg. In Europa ist Deutschland der Spitzenreiter mit 350 kg pro Jahr. Die rund 75 Millionen Menschen in Europa wiederum produzieren 745 Millionen Kilogramm Müll – pro Tag. Dass der nicht einfach nur «gelagert» werden kann, ist bei diesen Zahlen jedem klar. Deswegen möchten Hugon Kowalski und Marcin Szczelina noch einmal deutlich machen, wie wichtig, ressourcensinnvoll und sogar notwendig das Recycling, aber auch das Upcycling und andere kreative Ideen sind. Das gilt umso mehr für das Bauwesen, wo Produkte und Gebäude auch so geplant werden können, dass sie sich nach Ablauf ihrer Lebenszeit wieder in ihre einzelnen Bestandteile auftrennen und rezyklieren lassen. Man muss es nur wollen.

Besonders sehenswert an der Ausstellung von Hugon Kowalski und Marcin Szczelina ist übrigens die aufwändig recherchierte «kleine Geschichte des Mülls». Hier erfahren wir etwa, dass die erste organisierte Mülldeponie 3000 Jahre v. Chr. eingerichtet wurde, und zwar in der Nähe von Knossos auf Kreta. Ca. 800 v. Chr. wurde in Mohenjo-daro (heute Pakistan) der Müll in Containern gesammelt, eine Art erstes, einfaches Sammelsystem. 500 v. Chr. wurden die Menschen von Athen von der Stadt verpflichtet, jeden Tag die Straße vor ihrem Haus zu fegen, die Kehrwoche sozusagen.Im Jahr 250 wurde in Zentralamerika nicht-organischer Abfall bereits zum Hausbau verwendet, 1031 wurde in Japan Papierabfall zur Produktion von neuem Papier genutzt. Der Ausbruch der Pest Mitte des 14. Jahrhunderts schließlich führte in vielen Europäischen Ländern zu einem radikalen Umdenken im Umgang mit dem Müll und war gleichzeitig Grundlage für vieles, was heute noch Standard ist.

All das und vieles mehr zum Thema haben Hugon Kowalski und Marcin Szczelina auch als Buch zusammengefasst, das noch in diesem Jahr erscheinen soll. Lediglich die Finanzierung ist leider noch nicht ganz gesichert. Die beiden freuen sich also über interessierte Unterstützer.

Wo kommt der Müll her und wo geht er hin – eine Denkmontage. (Bild: Hugon Kowalski)
Recycling wird in vielen Ländern der Welt nicht praktiziert. (Bild: Hugon Kowalski / Marcin Szczelina)
Die Macher der Ausstellung «Let's talk about garbage» zeigen auch gute Beispiele aus der Bauindustrie (Bild: Hugon Kowalski / Marcin Szczelina)
Die kleine Geschichte des Mülls, chronologisch aufbereitet, beginnt im Jahr 3000 v. Chr. und zeigt einige spannende Fakten auf. (Bild: Thomas Geuder)

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