Seilbahn für die IGA 2017 feiert Richtfest

Gondeln im Himmel über Berlin

Oliver Pohlisch
19. March 2016
Erste Stütze der Seilbahn in Marzahn-Hellersdorf, Foto: Leitner ropeways/Dominik Butzman

Während auf dem Hauptstadtflughafen BER auch im Herbst noch keine Passagiermaschine starten oder landen wird, kann man zu diesem Zeitpunkt wohl schon mit der IGA-Seilbahn in die Luft gehen. Und wenn die Gartenschau am 13. April 2017 ihre Tore öffnet, sollen die 64 Gondeln pro Stunde in einer Fahrtrichtung bis zu 3.000 Fahrgäste über das Gelände transportieren.

Zum Richtfest am 16. März wurde auf einer vorgefertigten Stütze ein Satz Rollbatterien eingehoben. Über die soll dann das Seil laufen. Serviert wurde Südtiroler Jausn und hinter dem Stehtisch mit den Mikrofonen für die Redner war eine der künftigen Gondeln drapiert. «Es ist uns eine Ehre so etwas in Berlin zu bauen», sprach Michael Seeber, der Geschäftsführer der Leitner AG. Und der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) preiste die Bahn als «spektakuläre Ergänzung zur IGA».

Bergstation auf 102,2 Meter Höhe
2013 war der Auftrag für den Seilbahnbau in Marzahn-Hellersdorf von der IGA und dem Land Berlin europaweit ausgeschrieben worden. Den Zuschlag bekam Leitner, ein Unternehmen mit Sitz im italienischen Sterzing und 1500 Beschäftigten weltweit. Es wird die 1,5 Kilometer lange Bahn in Marzahn-Hellersdorf auf eigenes Risiko finanzieren und betreiben. Dies sei ein «Musterbeispiel für eine Private-Public-Partnership» betonte Seeber.

Nach Ende der sechs Monate dauernden und höchst umstrittenen, weil kostspieligen IGA soll die Seilbahn zunächst bis 2010 weiterlaufen. Sie wird von der U-Bahnstation «Neue Grottkauer Straße» über den Kienberg bis zum Blumberger Damm führen. Der U-Bahnhof wird komplett umgebaut und in «Kienberg – Gärten der Welt» umbenannt. Von dort aus gelangt man dann mit der U5 direkt zum Hauptbahnhof.

Leitner wirbt mit gläsernen Kabinen und einem einzigartigen Panoramablick für das Projekt. Eine Fahrt wird fünf Minuten dauern. In 30 Metern Höhe geht es über das Wuhletal, hoch auf den 102,2 Meter hohen Kienberg, auf dem bereits der Rohbau der Bergstation thront, und wieder hinunter über die «Gärten der Welt» – mit Blick auf Berlin und das IGA-Gelände.

Als das Parlament der flachländischen Hauptstadt vor mehr als einem Jahrzehnt aufgrund von EU-Vorgaben ein Seilbahngesetz verabschiedete, war ihm Hohn und Spott sicher. Inzwischen aber boomt das luftige Transportmittel im urbanen Kontext auf dem ganzen Globus und Berlin will in Marzahn-Hellersdorf mit dieser Entwicklung Schritt halten. Die Firma Leitner, die seit rund hundert Jahren Seilbahnen und Sessellifte in den alpinen Skigebieten baut, hat auch Linien in New York, Hongkong und Ankara errichtet. Insbesondere mit ihrem Projekt im kolumbianischen Medellin konnte sie international für Aufsehen sorgen. Eine Seilbahn verbindet dort einen Slum auf dem Berg mit dem Stadtzentrum im Tal und die Medien feiern sie als Instrument der Kriminalitätsbekämpfung.

Für den Bau von Seilbahnen werden gerne Kostenvorteile, kürzere Bauzeiten, die Entlastung anderer Verkehrssysteme und ökologische Aspekte ins Feld geführt. Der Raumplaner Professor Heiner Monheim sagte gegenüber der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung, dass in 20 bis 30 Jahren bundesweit «30 bis 40» Seilbahnen in deutschen Städten in Betrieb sein könnten. «Eine Seilbahn braucht weder Berge noch Schnee».

Ablehnung in Hamburg, Ärger in Wuppertal
In Deutschland stießen solche Vorhaben in jüngerer Zeit aber auch auf Widerstand. So kippte im Sommer 2014 ein Volksentscheid im Hamburger Bezirk Mitte die Pläne für eine Seilbahn von St. Pauli zu den am Südufer der Elbe liegenden Musicaltheatern. Das Unternehmen Stage Entertainment wollte mit dem österreichischen Seilbahnbauer Doppelmayr 35 Millionen Euro in die 1,5 Kilometer lange Strecke investieren.

Und in Wuppertal herrscht Streit über eine voraussichtlich 50 Millionen Euro teure Linie, die den Hauptbahnhof im Tal unter anderem mit der auf dem Berg liegenden Universität verbinden soll. Mitglieder einer Bürgerinitiative wehren sich gegen das Vorhaben, weil die Seilbahn über ihre Häuser und Grundstücke schweben wird. Sie fürchten, dass ihre Immobilien an Wert verlieren könnten und ihre Privatsphäre gestört würde. Hier soll nun bis Ende des Jahres ein sogenanntes Bürgergutachten erstellt werden.

Dass das Berliner Projekt überraschend reibungslos die Realisierungsphase erreicht hat, hängt sicherlich mit der Randlage seines Standorts in Marzahn-Hellersdorf zusammen. Was sich dort ereignet, haben die konflikterprobteren Teile der innerstädtischen Bewohnerschaft kaum auf dem Radar. Gleichwohl war im November 2014 in dem östlichen Bezirk ein Bürgerbeteiligungsverfahren initiiert worden, um kritische Einwände zu berücksichtigen. Vier Wochen lang konnten Interessierte die Seilbahn-Pläne einsehen.

Der Kienberg, von der Wuhle aus gesehen, Foto: Andreas Steinhoff via Wikimedia Commons

Umweltschützer bemängeln, dass für die Seilbahn im ökologisch hochsensiblen Wuhletal, einem renaturierten Landschaftsgebiet, großflächig Bäume gerodet werden müssen. Die Anwohner wiederum fürchten Lärm durch den Betrieb, vor allem in den Abend- und Nachtstunden. Der Senat versicherte dagegen, die sensiblen Flächen im Wuhletal würden bei den IGA-Planungen berücksichtigt. Die geplanten Stützen für die Seilbahn lägen außerhalb des Talbereichs und auch außerhalb geschützter Biotope.

Sollte die Seilbahn am Stadtrand erfolgreich sein, kann sich Leitner-Geschäftsführer Steeber auch eine schwebende Stadtbahn zwischen Potsdamer Platz und Zoo vorstellen. Doch im Himmel hängende Gondeln sind keine automatischen Goldesel. Die 2012 eingeweihte und von der Fluggesellschaft Emirates Air betriebene Seilbahn über die Themse im Osten Londons ist ein kommerzieller Flop. Als sie Anfang März wegen Überholungsarbeiten eine Woche lang ihren Betrieb einstellte, wurde sich im Internet darüber lustig gemacht. «Ist das das Ende von London?» wurde ironisch gefragt. Im vergangenen Jahr lag die Zahl der Fahrgäste, die die Seilbahn zum täglichen Pendeln an ihren Arbeitsplatz nutzen, im einstelligen Bereich.

Die von Emirates Air betriebene Seilbahn im Osten Londons, Foto: Oliver Pohlisch

Other articles in this category