Erfolgsformel Architektur und Energie?

Thomas Geuder
19. April 2016
Generalsanierung und Aufstockung eines Wohnhochhauses zu einem Energieeffizienzhaus in Pforzheim, Freivogel Mayer Architekten (Preisträger) (Bild: Dietmar Strauß)

Von «Nachhaltigkeit» sprechen heutzutage eigentlich nur noch wenige. Denn viel moderner ist man, wenn man sich mit dem «smarten» Gebäude beschäftigt. Das klingt irgendwie geheimnisvoll, nach Aufbruch in ein neues Bauen und nach Intelligenz. Ähnlich groß wie seinerzeit um die Bedeutung des Begriffs der Nachhaltigkeit aber ist nun die Verwirrung um die Smartheit (wenn man das Wort überhaupt derart eindeutschen darf). Viele wissen eben nur: Ich will das. Koste es, was es wolle. Die liegt also die Vermutung nahe, dass es ganz nüchtern betrachtet nach wie vor um dasselbe geht, nämlich den sinnvollen Umgang mit der Energie und überhaupt mit sinnvollem Bauen.

Wie sich diese Sinnhaftigkeit dann genau darstellt, will seit 2009 alle zwei Jahre der Europäische Architekturpreis Energie+Architektur zeigen. Er wird ausgelobt vom Zentralverband Sanitär Heizung Klima (ZVSHK) in Kooperation mit dem Bund Deutscher Architekten (BDA), eine Partnerschaft also, die auf eine Art Handwerkerpreis für ordentlich klimatisierte Bauwerke hinweisen könnte. Dass das allerhöchstens die halbe Wahrheit ist, zeigt allein der Blick in die Kriterien, an denen sich die Einreichungen messen müssen. Bewertet werden: die ästhetische Gestaltung, die Einbindung in das städtebauliche Umfeld, die ganzheitliche und nachhaltige Konzeption sowie die Qualität des energetischen Konzepts unter Verwendung und Integration energieeffizienter Technologien in und an Gebäuden sowie die Nutzung erneuerbarer Energien. Das klingt nach mehr als Haustechnik.

Und das muss es auch, denn bei Neubau und Sanierung gehört immer auch die ganzheitliche Betrachtung zur Wahrheit. Barbara Hendricks, Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, in der Dokumentation zum Architekturpreis dazu: «Unser Fokus darf aber nicht nur allein auf eine hohe Energieeffizienz und auf eine Steigerung der Nutzungsanteile erneuerbarer Energien ausgerichtet sein. Energetische Maßnahmen müssen sich in den baulichen Gesamtkontext einbetten, zu dem gerade auch architektonische und baukulturelle Aspekte gehören.»

Die fünfköpfige Jury des Architekturpreis Energie+Architektur bestand dieses Jahr aus:

  • Heiner Farwick, Präsident Bund Deutscher Architekten BDA, farwick + grote, architekten BDA stadtplaner, Ahaus
  • Ritz Ritzer, Architekt BDA bogevischs buero, architekten & stadtplaner gmbh, München, (Preisträger des letzten Awards)
  • MDir Günther Hoffmann, Leiter der Abteilung Bauwesen, Bauwirtschaft und Bundesbauten im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, Berlin
  • Jakob Köllisch, SHK-Unternehmer, stellv. Leiter der Bundesfachgruppe Sanitär Heizung Klima im ZVSHK, Neustadt a. d. Weinstraße
  • Prof. Gerald Lange, SHK-Unternehmer, Mitglied der Bundesfachgruppe Sanitär Heizung Klima im ZVSHK, Professor für Gebäudetechnik an der Fachhochschule Südwestfalen, Hagen

Es haben sich Architekten aus Deutschland, Österreich und Luxemburg mit insgesamt 50 Objekten aus sechs europäischen Ländern für die Teilnahme beworben. Der Architekturpreis wurde unterstützt von CWS-boco Deutschland GmbH, Oventrop GmbH und Co. KG und Viessmann Werke GmbH & Co. KG.

Die Preisträger, Auszeichnungen und Anerkennungen im Bild:

Preisträger: Generalsanierung und Aufstockung eines Wohnhochhauses zu einem Energieeffizienzhaus in Pforzheim, Freivogel Mayer Architekten aus Ludwigsburg (Bild: Dietmar Strauß)

«Das Projekt zeigt in eindrucksvoller Weise, wie die Überformung vorhandener Wohngebäude nicht nur zu verbesserter Wohnqualität führt, sondern vor allem eine beispielgebende energetische Aufwertung gelungen ist», lautet eine der Begründungen für die Preisvergabe der Jury (Auszug). Neben der hochwertigen thermischen Gebäudehülle zeigen die Komponenten aus fassadenintegrierten Absorberflächen und Eisspeicher als Energiepuffer, Niedertemperaturheizsystem mit Deckenstrahlplaetten, kontrollierte Wohnungslüftungen und eine Kleinwindkraftanlage sowie Fotovoltaikmodule zur Eigenstromerzeugung ein ausgefeiltes Energiesystem für Wohngebäude der Zukunft.

Bau der Woche: Morphologische Transformation
Profil: Freivogel Mayer Architekten
 

Auszeichnung: Hof 8 – Umnutzung einer ehemaligen landwirtschaftlichen Hofanlage in Weikersheim-Schäftersheim, Rolf Klärle, freier Architekt BDA aus Bad Mergentheim (Bild: Brigida González)

Die Hofanlage wurde durch eine Sanierung vor dem Abriss bewahrt und ist ein herausragendes Beispiel für den Erhalt ländlicher Strukturen. Durch die Erneuerung der technischen Gebäudeausrüstung, die Verbesserung der Gebäudehülle und die Integration regenerativer Energiesysteme entstand ein Plusenergiehof. Die Nutzung des Hofes besteht aus Wohnungen, einer Praxis und Büro- und Veranstaltungsräumen.
 

Auszeichnung: Illwerke Zentrum Montafon in Vandans/Rodund, Vorarlberg/Österreich, Architekten Hermann Kaufmann ZT GmbH, Schwarzach/Österreich (Bild: Bruno Klomfar, Illwerke)

Das Illwerke Zentrum Montafon (IZM) ist das neue Verwaltungsgebäude des Vorarlberger Stromerzeugers. Es war bei seiner Fertigstellung mit über 10.000 qm Nutzfläche das größte Bürogebäude aus Holz in Mitteleuropa. Die Verwendung einer modularen Hybridkonstruktion aus Holz und Beton führt zu einer sehr ökonomischen und ökologischen Bauweise.

Projekt: IZM Illwerke Zentrum Montafon
 

Anerkennung: Energiebunker in Hamburg, HHS Planer + Architekten AG, Kassel (Bild: Frieder Blickle)

Die Kriegsruine des Flakbunkers Hamburg–Wilhelmsburg ist heute die Energiezentrale für die dezentrale Wärme- und Stromversorgung des benachbarten Wohnquartiers. Innerhalb des Bunkers wurden zusätzlich ein Café, eine Aussichtsterrasse und eine Ausstellung zur Geschichte des Flakbunkers und seiner Umwandlung zum Energiebunker vereint.

Meldung: Vorbildlich nachhaltig
 

Anerkennung: Deutsche Schule in Madrid/Spanien, Grüntuch Ernst Architekten BDA, Berlin, Armand Grüntuch, Almut Grüntuch-Ernst (Bild: Cela de Coca)

Die neue «Deutsche Schule Madrid» besteht aus einer Grund- und Oberschule und einem Kindergarten – mit Mensa und Aula. Besonders ist die Verbindung aus Materialität, Konstruktion und Technik zu einem nachhaltigen und sehr anregenden Kindergarten- und Schulgebäude.

Profil: Grüntuch Ernst
 

Anerkennung: CSD – Centrum für Schlaganfall- und Demenzforschung in München, Nickl & Partner Architekten AG, München (Bild: Stefan Müller-Naumann)

Der Forschungsneubau beherbergt künftig das Partnerinstitut des nationalen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen und das Institut für Schlaganfall- und Demenzforschung. Die eingesetzte Gebäudetechnik, die über ein Energiemanagement verknüpft ist, sorgt in Verbindung mit der energetisch vorteilhaften Kubatur und einer hoch wärmegedämmten Gebäudehülle für die signifikante Unterschreitung der Energieeinsparverordnung und hohe CO2-Einsparungen.

Profil: Nickl & Partner
 

Anerkennung: Schwarzwaldhaus in Schluchsee-Fischbach, Schaller+Sternagel Architekten, Allensbach (Bild: Wolfgang Scheide)

Das Schwarzwaldhaus steht an einem Steilhang am Ortsausgang von Schluchsee-Fischbach, umgeben von einer Kuhweide. Es überzeugt durch eine landschaftsschonende Architektur, eine intelligente Haustechnik und einen geringen Pflegeaufwand zur Aufrechterhaltung der Behaglichkeit.

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