7. Internationale Architekturbiennale Rotterdam

Ein Blick auf die «Next Economy»

Oliver Pohlisch
27. April 2016
Luftaufnahme des IABR-Ausstellungszentrums Fenixloods II, Foto: IABR/Kim Bouvry

Mark Minkjan und René de Boer, Mitglieder der Amsterdamer Forschungsplattform Failed Architecture, gehen hart ins Gericht mit Architekturbiennalen: Zu oft seien diese bloß die Stationen eines Wanderzirkusses von Stararchitekten und -theoretikern, die an jedem Ort dieselbe interne, auf das Ästhetische beschränkte Debatte führten und wenig Konstruktives zur lokalen Situation beizutragen hätten.

Doch geben sie auch zu, dass gerade ein Wandel geschieht. Die sich trotz eines Baubooms verschärfende Wohnungsnot in den großen Metropolen, der Abbau des Wohlfahrtsstaates, die Privatisierung öffentlicher Stadträume, der umweltzerstörende Konsum einer weltweit wachsenden Mittelschicht: All diese krisenhaften Phänomene dessen, was generell als Globalisierung beschrieben wird, seien in den vergangenen Jahren vermehrt auch auf Architekturschauen angeschnitten worden, so Minkjan und de Boer.

Vorreiter-Biennale Rotterdam
Die Internationale Architekturbiennale Rotterdam (IABR) sehen sie dabei in einer Art Vorreiterrolle. Seit ihrer ersten Ausgabe im Jahr 2001 hätten IABR-Direktor George Brugmans und sein Team Architektur und Design zuoberst als das Resultat von sozialen, politischen, technologischen und ökologischen Prozessen verstanden. Auch habe die Schau sich stets mit ihrem unmittelbaren städtischen Umfeld auseinandergesetzt.

Am 23. April ist die mittlerweile siebte Ausgabe der IABR eröffnet worden. Sie dauert bis zum 10. Juli. Ihr Motto lautet «The Next Economy» und sie scheint mehr denn je auf Themen wie soziale Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit zu fokussieren. Die von Maarten Hajer kuratierte Ausstellung zeigt über 60 Projekte, in denen es um partizipative Stadtentwicklung, gemeinnütziges Wirtschaften, eine ressourcenschonende Stromgewinnung oder die Verbesserung von Transportsystemen geht - diesmal mit Schwerpunkt Afrika und China. Teils sind diese Projekte Kooperationen der IABR mit unter anderen lokal- und nationalstaatlichen Stellen. An mehreren Orten, wie Brüssel, Groningen, Rotterdam, Albanien, Utrecht oder auf der Nordsee, sind «Ateliers» installiert worden, um Langzeitstudien durchzuführen, bei denen es etwa um die «Produktive Stadt», die «urbane Gesundheit» oder «neue Energie-Landschaften» geht.

IABR-Ausstellung im Fenixloods II, Foto: IABR/Hans Tak

Ein altes Kaffeelagerhaus wird bespielt
Die IABR 2016 residiert zu großen Teilen in dem ehemaligen Kaffeelagerhaus Fenixloods II auf einer Halbinsel in Katendrecht im Süden Rotterdams. Dementsprechend versuchen ihre Macher, die Entwicklung im sich massiv wandelnden Hafengebiet Rotterdams und der umliegenden Wohnquartiere in den Blick zu nehmen. Wie kann hier die «Next Economy» angeschoben werden und können zugleich die gegenwärtigen Bewohner und ihre Netzwerke gestärkt und vor Gentrifizierungsprozessen geschützt werden? Die IABR 2016 arbeitet mit lokalen Interessenvertretern zusammen, bietet Menschen und Ideen aus Rotterdam-Süd eine Bühne und bewertet die auf diese Gegend ausgerichteten Politiken und Pläne hinsichtlich ihrer Inklusivität und lokalen Wertschöpfung.

Darüberhinaus zeichnet sich die IABR 2016 durch ein zehnwöchiges Programm mit Gesprächen, Stadtrundgängen und Workshops aus. Beiträge liefern etwa die Autorin Keller Easterling, Anab Jain (Superflux), Guardian-Architekturkritiker Oliver Wainwright, Jack Self (REAL foundation), Edgar Pieterse (African Centre for Cities), Kees Christianse (ETH-Zürich) und der staatliche Baumeister der Niederlande, Floris Alkemade. Am 3. Juli soll es eine das Programm zusammenfassende und abschließende Debatte geben.

Mark Minkjan und René Boer von Failed Architecture sind im übrigen dieses Jahr als critics-in-residence zur IABR eingeladen. Zu hoffen ist, dass sie trotz ihres Lobes, das sie im Vorfeld ihres Engagements für die IABR ausgesprochen haben, ihrer selbstgestellten Aufgabe gerecht werden, eine oberflächliche und deskriptive Schilderung der Veranstaltung zu vermeiden. Die ausgestellten Projekte wollen sie mit Projekten andernorts kritisch vergleichen, die Debatten auf der IABR auf eventuelle hohle Rhetoriken abklopfen, das potenzielle Vermächtnis der diesjährigen Biennale ausloten und generell die Rolle von Biennalen als kulturelle Räume ergründen.

IABR-Projektatelier Rotterdam «Produktive Stadt», Foto: IABR/Kim Bouvry

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