Werkschau von Francis Kéré in München

Der Architekt, der Schule macht

Oliver Pohlisch
18. November 2016
Erweiterungsbau der Grundschule in Gando (Bild: Daniel Schwartz/ Gran Horizonte Media)

Bis zum 26. Februar 2017 ist die Ausstellung «Radically Simple» in der Pinakothek der Moderne zu sehen. Auf die Beine gestellt hat sie das Architekturmuseum der Technischen Universität München, kuratiert wurde sie von Ayça Beygo. Und sie macht eins schnell klar: Zugang zu Bildung ermöglichen ist das oberste Ziel von Diédébo Francis Kérés Arbeit.  Kéré wurde 1965 in Gando, einem kleinen Dorf in dem afrikanischen Staat Burkina Faso, geboren. Doch schon um zur Schule gehen zu können, musste er den Ort verlassen. 40 Kilometer legte er täglich zurück, auf dem Weg zwischen Elternhaus und Unterricht. Abitur und Studium absolvierte er schließlich in Deutschland.  Seit 2005 lebt und arbeitet er in Berlin.

Für sein erstes Bauwerk kehrte er in sein Heimatland zurück, er sorgte dafür, dass Gando eine adäquate Grundschule bekam.  In einem Interview mit Deutschlandradio Kultur erklärte Kéré:  «Die Idee, die ich hatte, war - natürlich, weil das Geld immer knapp war - zunächst mit der ganzen Bevölkerung zu arbeiten. Das ganze Dorf hat beim Bau mitgeholfen. Da das Land so warm ist, ist es wichtig, ein Gebäude zu bauen, das sich selbst kühlt.  Zu meiner Zeit habe ich in einem Klassenraum mit mehr als 100 anderen Kindern gesessen und es war immer heiß.»

Kéré gewann für seine Lernstätte 2004 gleich den renommierten «Aga Khan Award for Architecture» und wurde seitdem mit weiteren nationalen und internationalen Preisen ausgezeichnet – für eine Architektur, die vor allem dem sozialen Engagement Raum bietet und die von der Fachkritik zugleich als beispielhaft für ökologisches Bauen und als ästhetisch herausragend gelobt wird.

Für seine Gebäude  in Burkina Faso nutzt Kéré hauptsächlich Lehmziegel, Holz und Stein verwendet er in Maßen, Beton nur sehr sparsam. Wellblech gehört durchaus auch zu seinen Materialien. Mit ihnen schafft er luftige, schwungvolle  Strukturen, die sich dem Klima und der Topographie anpassen und menschliche Proportionen besitzen.

«Lycée Schorge» in Koudougou, Burkina Faso (Bild: Daniel Schwartz/Gran Horizonte Media)

Dank der Anwendung traditioneller Bauprinzipien zur Förderung der Luftzirkulation in einem Gebäude macht Kéré Klimaanlagen auch dort überflüssig, wo man sie sich vielleicht hätte leisten können. Und immer versteht er den Bau auch als gemeinschaftsstiftende Angelegenheit und als Projekt der Aus- und Weiterbildung möglichst vieler Beteiligter.  In seinem Heimatdorf Gando sind mittlerweile mehrere Beispiele seiner Baukunst zu bewundern.

In Burkina Fasos Hauptstadt Ouagadougou plant der Architekt derzeit das neue Parlament. Das alte war 2014 von Demonstranten aus Wut über die mögliche Wiederwahl des autokratischen Langzeit-Präsidenten Blaise Compaore in Brand gesetzt worden. Kéré hat die Volksvertretung als Podest mit Aussichtsplattformen konzipiert, die zugleich auch als Community-Gärten dienen sollen. In Mali errichtet Kéré ein Architekturzentrum und in Kenia realisiert er einen Bildungscampus, gefördert von Mama Sarah Obama, der Großmutter des scheidenden US-Präsidenten.

Geplanter Parlamentsneubau in Ouagadougou (Bild: Kéré Architecture)

In Deutschland wurde Kéré vor allem durch seine Zusammenarbeit mit dem  Regisseur und Künstler Christoph Schlingensief bekannt. Schlingensief hatte sich das Projekt «Operndorf Afrika» ausgedacht, das er bis kurz vor seinem Tod im Jahr 2010 mit Kérés Hilfe in Burkina Faso vorantrieb und das in der Münchner Ausstellung natürlich prominent hervorgehoben wird. Die Oper selbt steht noch nicht, aber die Schule und das Spital des Dorfes sind längst schon in Funktion.

Luftaufnahme des Operndorfes, Laongo, Burkina Faso (Bild: Daniel Schwartz/Gran Horizonte Media)

In der Pinakothek der Moderne wird nicht nur Kérés Wirken in Burkina Faso und an anderen Standorten auf dem afrikanischen Kontinent präsentiert. Vorgestellt werden auch Bauten in China, seine Installationen für Ausstellungen und Entwürfe zur Umnutzung jeweils eines alten Militärgeländes in Münster und in Mannheim, mit denen Kéré die entsprechenden städtebaulichen Wettbewerbe gewinnen konnte.

Zur Austellungseröffnung am vergangenen Mittwoch wartete Kéré dann mit seinem neuesten  Projekt auf: Sein Freund Schlingensief hatte unter anderem mit kontroversen Inszenierungen an der Berliner Volksbühne für Aufsehen gesorgt. Für den geplanten neuen Zweitstandort des Theaters, einem Hangar des ehemaligen Flughafen Tempelhof, der ab Herbst 2017 bespielt werden soll, bastelt Kéré gerade an einer mobilen Raumstruktur.

«Inspiriert von den zahlreichen Spuren der historischen Luftfahrt ist das Satelliten-Theater als bewegliches Objekt gestaltet, das sich gegen die kolossalen Dimensionen des Flugzeughangars behaupten kann», heißt es in der Münchner Ausstellung. Die modulare Bühne soll für experimentale Theater- und Tanzaufführungen, Performances und Konzerte genutzt werden und sich wie ein Flugzeug auch ins Freie schieben lassen. Im Hangar stehend, böte sie bis zu 1000 Zuschauern Platz, draußen wären es sogar noch mehr.

Das provisorische Theater wäre Kérés erster Bau für Berlin und ist sicherlich eine charmante Idee. Allerdings sind in die Hangars von Tempelhof immer noch das zentrale Flüchtlingslager der Stadt, leben dort Hunderte von Menschen unter nicht besonders menschenwürdigen Bedingungen. Und Kérés  Auftraggeber, der designierte neue Volksbühnen-Intendant und Ex-Tate-Modern-Chef Chris Dercon muss überhaupt erst die Finanzierung für das Theater auf Rädern sichern - und jetzt wohl auch noch um seinen eigenen Job bangen.

Seit Mittwoch steht fest, wie die zukünftige Rot-rot-grüne Landesregierung zusammengesetzt sein wird.  Berlin bekommt mit dem Linksparteipolitiker Klaus Lederer erstmals seit 10 Jahren einen Kultursenator und der deutete im Wahlkampf schon an, den Vertrag mit Dercon womöglich wieder aufheben zu wollen. Die Linkspartei hatte sich mit dem jetzigen Volksbühnenpersonal und seinen Unterstützern solidarisch erklärt. Diese befürchten, dass  Dercon das Theater am Rosa-Luxemburg-Platz nach dem Ende der Ära von Frank Castorf in eine «neoliberale Event-Bude» verwandeln werde.


Ausstellung:
16. November 2016 bis 26. Februar 2017
Di bis So: 10 - 18 Uhr
Do: 10 - 20 Uhr
 
Eintritt: 10 €, ermäßigt 7 €, Sonntags 1 €
 
Wo: Architekturmuseum der TU, in der Pinakothek der Moderne,
         Barer Straße 40, 80333 München.

Publikation zur Ausstellung: Francis Kéré. Radically Simple. Hatje Cantz Verlag, Andres Lepik & Ayca Beygo (Hg.), deutsche  Ausgabe, ISBN 978-3-7757-4216-0, 34,80 €.


Mobile Theaterstruktur für den ehemaligen Flughafen Tempelhof (Bild: Kéré Architecture)

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