Berlin, was nun?

Katinka Corts
27. September 2017
Mit Briefmarken-Ruhm zur Eröffnung 1974 (Bild: via wikimedia)

Eigentlich war es so einfach gedacht: Wenn Schönefeld öffnet, schließt Tegel. Das sollte 2011, spätestens 2012 sein. Fünf Jahre später ist der neue Großflughafen BER immer noch nicht betriebsbereit. Und über die Zukunft von Tegel lancierte die Berliner FDP einen Volksentscheid. Am vergangenen Wahlsonntag stimmten dann auch 56,1 Prozent für den Weiterbetrieb des Flughafens.

​Tegel besteht seit 1974, vor der Fertigstellung des markanten Sechsecks war von den Alliierten an selber Stelle ab 1948 eine «erweiterte Luftbrücke» betrieben worden. Heute zieht sich von Spandau über den Flughafen Tegel bis Pankow eine «Lärmschneise», die die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz 2017 kartiert hat. Vom Lärm der 500 startenden und landenden Flugzeuge täglich sind in diesem Gebiet 300’000 Menschen betroffen. Das sind weit mehr als in Frankfurt am Main, fast zehnmal mehr als rund um den BER.

Der Ausgang des Volksentscheids ist ein Sieg für die Berliner FDP, die damit den rot-rot-grünen Senat unter Druck setzen kann – der wiederum kann zu fast gleichen Teilen die Berliner verärgern, je nach finalem Entscheid. Dabei ist der Ausgang des Volksentscheides juristisch gar nicht bindend: Die Betriebsgenehmigung für den Flughafen Berlin-Tegel Otto Lilienthal ist längst widerrufen, der Landesplanungsvertrag sowie verschiedene Landesentwicklungspläne sehen keinen weiteren Flughafen neben dem mächtigen BER vor. Auch ein Grund, warum hier in den vergangenen Jahren die Grundstückspreise stiegen und sich viele Wohneigentum zulegten. Theoretisch wäre es natürlich möglich, die Landesentwicklungspläne wieder aufzurollen, aber das will eigentlich auch niemand. Bislang.

Gründe für das Resultat? Es heißt, die Berliner vertrauten nicht mehr auf die Fertigstellung des BER. Es heißt, den Berlinern sei ein innerstädtischer Flughafen lieb (zumindest denen, die nicht in seiner Nähe wohnen müssen). Und doch – ganz im Einklang mit dem Ausgang der Bundestagswahl – muss dieser Volksentscheid auch in einem anderen Licht betrachtet werden: Zu einem gewissen Teil diente er dem Berliner Protestwähler als Austragungsort, der amtierenden Landesregierung für das BER-Debakel einen Denkzettel zu verpassen. Ob dieses Protestwählertum und die Denkzettelmentalität irgendwohin führen?

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