Neugestaltung des Dortmunder Bahnhofsumfelds

Auf der Nordseite sollen die Bürger mitreden

Oliver Pohlisch
23. September 2016
Dortmunds Hauptbahnhof aus der Vogelperspektive. Im Hintergrund: die Nordstadt, (Bild: Matrixplay via Wikimedia Commons)

Wahlweise als «Problemviertel» oder «sozialer Brennpunkt» wird Dortmunds Nordstadt in den Medien häufig tituliert – im Zusammenhang mit Berichten über Drogenhandel, Kleinkriminalität, Straßenprostitution und sogenannten Schrottimmobilien. Die Arbeitslosenrate des Quartiers ist doppelt so hoch wie die der Gesamtstadt. Und bis in die jüngste Zeit hinein hatte die Nordstadt zudem noch den Ruf, ein Aktionsfeld der erschreckend umtriebigen Dortmunder Neonaziszene zu sein.

Dabei hat das größte zusammenhängende Altbauviertel im Ruhrgebiet eine Geschichte als kommunistische Hochburg. Es ist ein traditioneller Arbeiter- und Einwanderungsbezirk und von seinen heute 60'000 Bewohnern besitzen rund 70,4 Prozent einen sogenannten Migrationshintergrund. Zahlreiche öffentliche Fördermaßnahmen sind in den vergangenen Jahren ergriffen worden, um die Negativauswirkungen der Deindustrialisierung auf diese Gegend abzufedern. Vor Ort leistet eine Vielzahl von Initiativen, Trägern und Vereinen Sozialarbeit und längst hat sich dort auch eine studentisch-alternativ geprägte Kultur- und Kneipenszene etabliert.

Mit dem Eisenbahnbau begann die Existenz der Nordstadt und demnächst wird es wohl wieder die Bahn sein, die signifikante Veränderungen in der Struktur des Quartiers auslösen kann.

Das Gleisfeld des Dortmunder Hauptbahnhofs schließt die Nordstadt an ihrer Südseite ab. In den Neunzigerjahren wollte die Deutsche Bahn AG auf den für sie wichtigen Haltepunkt ein neues Stationsgebäude in Form eines «überdimensionierten Ufos» setzen. Nach Beerdigung dieser hochfliegenden Pläne geschah dann lange nichts. Doch nun soll der Bahnhof tatsächlich ab 2017 rundum modernisiert werden. Fünf Jahre wird die Maßnahme voraussichtlich dauern – bei laufendem Betrieb. Schon jetzt aber machen sich die Stadtplaner Gedanken über das Umfeld des Bahnhofs, das vor allem im Bereich der Nordstadt aus vielen ungenutzten Flächen besteht, seit dort die Güterbahngleise und die Autozug-Station aufgegeben wurden.

Flächenplanung nördlich des Hauptbahnhofs, (Grafik: Stadt Dortmund)

Der Kommune ist bewusst, dass es sich bei dem Areal um einen zentralen und zugleich sensiblen städtischen Entwicklungsschwerpunkt handelt. Deshalb scheint ihr daran gelegen zu sein, die Bevölkerung so früh wie möglich am Planungsprozess teilhaben zu lassen. Während einer vom Büro Pesch & Partner organisierten Planungswerkstatt, die vom 24. bis 28. Oktober stattfinden soll, möchte die Stadt Ideen von Anwohnern der Nordstadt, Grundstückseigentümern, Gewerbetreibenden, Vertretern der Vereine und Initiativen, Schülern aus benachbarten Schulen aber auch Studierenden aus dem Planungsbereich sammeln. «Wir wollen möglichst viele Akteure mit einbinden», äußerte Dortmunds Planungsdezernent Ludger Wilde gegenüber den Ruhr Nachrichten. Inwieweit die Organisatoren der Planungswerkstatt diesem Anspruch gerecht werden, wird sich wohl nicht zuletzt auch am Grad der Teilnahme etwa von Repräsentanten der zahlreichen Migranten aus Osteuropa, die in den vergangenen fünfzehn Jahren in der Nordstadt angekommen sind, zeigen.

Dass die Planungswerkstatt jedenfalls nicht unter dem Radar der Öffentlichkeit bleiben soll, zeigt schon, dass sie von Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD) eröffnet werden wird. Die Deutsche Bahn AG wird im Anschluss über die geplante Umgestaltung des Hauptbahnhofs informieren. An zwei Tagen soll ein moderierter Austausch zwischen allen Beteiligten über die Bühne gehen. Bei Rundgängen kann das gesamte Areal erkundet werden. Danach erarbeiten Arbeitsgruppen zu verschiedenen Themen Planungsvorschläge, die bei einer Abschlussveranstaltung präsentiert werden sollen.

Zusätzlich steuern Experten aus anderen Städten Beiträge zum Thema Entwicklung von Bahnflächen bei. Hier gibt es ja zuhauf Beispiele einer Übereignung solcher innerstädtischen Filetstücke an Privatinvestoren, die dann darauf Büro- und Geschäftsbauten errichten, die sich zu den angrenzenden, aufgrund der Bahnhofsnähe meist ärmeren Vierteln wie abweisende Festungen verhalten. Interessant wird sein, ob auch dieses Phänomen zum Gegenstand einer kritischen Diskussion gemacht wird.

Der temporäre Standort des Dortmunder Busbahnhofs in der Nordstadt, (Bild: Joehawkins via Wikimedia Commons)

In der Nordstadt geht um rund neun Hektar ehemalige Bahnflächen, die neugeordnet werden sollen. Sie reichen vom Umfeld des Burgtors im Osten bis zur Treibstraße im Westen. Gesetzt ist bei den Planungen allerdings schon die Verlagerung des zentralen Busbahnhofs von seinem vorläufigen Standort an der Steinstraße auf das Entwicklungsareal, dass sich dadurch auszeichnet, dass es sich zumeist auf Gleishöhe, also circa sieben Meter oberhalb des Stadtniveaus und somit auch außerhalb der bisherigen alltäglichen Wahrnehmung der meisten Nordstadtbewohner befindet, so das lokale Newsportal Nordstadtblogger.de

Wilde kündigte an, im nächsten Jahr einen städtebaulichen Wettbewerb für das Bahnhofsumfeld zu veranstalten. Danach könnten erste Vorhaben mit einem Rahmenplan und konkreten Bebauungsplänen verfeinert werden. Zu hoffen ist, dass dann die an der Werkstatt beteiligten Bürger erkennen können, dass ihre Ideen auch tatsächlich in die Wettbewerbsvorgaben eingeflossen sind. Noch besser wäre es natürlich, den Anwohnern und Akteuren in der Nordstadt schon jetzt zuzusichern, dass sie auch bei den auf die Werkstatt folgenden Planungsschritte ein Mitspracherecht besitzen werden.

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