Die Bauhäuser

Jenny Keller
4. May 2016
Das gutbürgerliche Wohnzimmer von Walter Gropius. (Bild: Adrian Sauer, «Raum für alle» 2015 ©Pro Litteris, 2015)

Man stelle sich vor, es wäre anders. Statt dem Bauhaus existierten mehrere Bauhäuser nebeneinander. Das ist jetzt zwar sinnbildlich und nicht architektonisch städtebaulich gemeint, ist aber trotzdem schwierig, sich vorzustellen. Denn über das Bauhaus wissen wir Architektinnen und Architekten Bescheid. Wir haben mehrere Ausstellungen darüber gesehen und mindestens ein Buch mit dem Titel «das Bauhaus» im Regal: In Weimar und später in Dessau wurde nach Walter Gropius’ Vorstellungen der neue Typus des Gestalters ausgebildet. Der neudeutsche Designer wurde hier geboren und mit ihm seine Gestaltungsaufgabe, die sich an gesellschaftlichen und alltäglichen Fragestellungen zu halten hatte.

Mehr Bauhaus als das Original: Konstantin Grcic, Pipe Tisch und Stuhl (2009) Sammlung Vitra Design Museum. (Bild: Florian Böhm)

Das stimmt und will niemand anzweifeln, dennoch sei heute klar, dass es mehr als eine Lesart des Bauhauses gebe, erklärt Kuratorin Jolanthe Kugler. Mit der Perspektive des 21. Jahrhunderts wollten sie auf das Bauhaus schauen und verpassten dem Ausstellungstitel als erstes einen Hashtag, der außer dem 21. Jahrhundert nicht viel mehr versinnbildlicht. Kugler erklärt, die postmoderne Kritik am Bauhaus-Stil (geometrisch, asketisch, industriell, kühl) sei schon wieder Geschichte so wie die Postmoderne selbst. Im Katalog zur Ausstellung lesen wir, dass «es nicht nur ein Bauhaus gab, sondern rationalistische, esoterische, experimentelle, sozialistische oder lebensformerische Tendenzen in ‹produktiver Uneinigkeit› (Josef Albers) koexistierten». Viele Exponate, darunter Möbel, Geschirr, Spielzeug, Textilmuster, Bühnenkunst, Film oder Typografie und natürlich Beispiele aus Kunst und Architektur zeigen die unterschiedlichsten Facetten des Bauhauses. Dokumente wie Urheberrechte, Postkarten oder Verträge mit Manufakturen wurden ebenfalls ausgestellt. Darunter auch Beispiele von zeitgenössischem Design aus der Vitra-Sammlung, die man in die Idee des Bauhauses einreihen kann. Das Bauhaus wird in der Ausstellung als eines der großen sozialen Experimente der Moderne dargestellt. Mit der Gegenüberstellung von historischen und aktuellen Exponaten ergibt sich ein neues, differenziertes Bild des Designs am Bauhaus und des Bauhauses selbst: Die Ausstellung räumt auf mit dem Klischee, das so genannte Bauhaus-Design sei primär minimalistisch gewesen, sondern zeigt wie interessiert die Designer am Bauhaus an sozialen Zusammenhängen, Experimenten und Prozessen waren.

So sieht das Bauhaus aus. Meinten wir vor dieser Ausstellung. (Bild: Marianne Brandt, Studierender auf einem Atelierbalkon, Bauhaus Dessau, um 1928/1929 ©Pro Litteris, 2015)

Projekte, die eigens für die Ausstellung angefertigt wurden, hinterfragen das Klischee Bauhaus besonders gut: Der Leipziger Künstler Adrian Sauer hat zusammen mit dem Architekten Wilfried Kuehn von Fotografien bekannte Interieurs des Bauhauses farbig rekonstruiert. Wir sehen dabei einmal mehr, dass die Vergangenheit nicht schwarz-weiß war – die Farbfotografie aber erst nach den 1930er-Jahren breit genutzt wurde. Die Designer Jay Osgerby und Edward Barber schreiben im Katalog zur Ausstellung etwa: «Das Schwarz-Weiß-Foto des Dessauer Gebäudes ist sehr prägnant; daran muss ich sofort denken, wenn ich das Wort Bauhaus höre. Das Bauhausdesign entstand durch künstlerische Sensibilität, und man kann unmöglich nicht an Wassily Kandinsky, Paul Klee, Josef Albers und Johannes Itten und ihren Einfluss auf das Design denken».

Noch nie gesehen? Das ist aber Bauhaus: Alma Siedhoff-Buscher, Bauhaus Bauspiel, 22-teilig ©Naef. (Bild: Heiko Hillig)

Auch Kleinschreibung – Architekten finden noch immer Gefallen daran, es ist ein Rätsel, weshalb – ist ein Bauhaus-Mythos. Sie wurde nicht dort erfunden, sondern hielt mit der Berufung von László Moholy-Nagy in die Reklamewerkstatt des Bauhauses Einzug in den Schriftverkehr der Schule. Kreiert wurde sie von Walter Porstmann, Verfechter der Kleinschreibung aus wirtschaftlichen Gründen und Erfinder der DIN-Norm. Das Bauhaus hat sie lediglich angewendet.

Die Demaskierung der Wagenfeld-Leuchte, die man heute bei Manufactum bestellen kann und als Bauhaus-Design schlechthin gilt, ist der eigentliche Höhepunkt der Ausstellung. Der Architekt Philipp Oswalt untersucht zusammen mit Julia Meer die Leuchte in einer für die Ausstellung angefertigten Videoarbeit – und demaskiert den Fetisch komplett. Ihre Zusammenfassung lautet:

1. Die Bauhausleuchte ist nicht modern
2. Die Bauhausleuchte ist nicht funktional
3. Die Bauhausleuchte ist kein Industrieprodukt

Ihr Vorläufer wurde als Schaustück für die erste (und einzige) Bauhausausstellung 1923 in Weimar entwickelt. Ihre Überarbeitung wurde dann umgehend in Museen, auf Messen und in Musterwohnungen gezeigt. Jolanthe Kugler erklärt, dass die Ausstellung 1923 mit ein Grund für den Mythos Bauhaus ist, denn obwohl man noch nichts zu präsentieren gehabt hätte, wurde für die «Bauhauswoche» produziert und publiziert, um der Landesregierung Thüringen den eingeforderten Rechenschaftsbericht für die weitere Finanzierung vorzulegen. Bilder dieser Ausstellung und unter anderem diese Leuchte haben sich seither mit dem Begriff «Bauhaus» in das kollektive Designgedächtnis eingebrannt.

Zeit also, die anderen Facetten des Bauhaus' kennenzulernen. Die Ausstellung «Das Bauhaus #allesistdesign» ist noch bis zum 14. August 2016 in der Bundeskunsthalle Bonn zu sehen.

Endlich ein Entwurf, den man kennt. Hat leider nicht viel mit dem Bauhaus-Gedanken zu tun. Wilhelm Wagenfeld, Carl Jakob Jucker, Tischlampe ME 1 /MT 9, 1923/1924 (Bild: ©Pro Litteris 2015)

Aktuell
 

  • Kuratorin Jolanthe Kugler im Interview über ihre aktuelle Ausstellung
  • Details zur Ausstellung in der Bundeskunsthalle

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