Tanzender Beton

Manuel Herz Architekten
24. January 2018
Foto: Julien Lanoo
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Normalerweise ist der sogenannte Geschosswohnungsbau das Übereinanderstapeln von gleichen Grundrissen. Hier wollten wir ein Gebäude schaffen, bei dem jede Wohnung ihren ganz eigenen Charakter hat und sich keine Wohnung wiederholt. Der Kölner Stadtteil Bayenthal ist ein heterogenes Wohnquartier. Diese Heterogenität wollten wir durch das Gebäude nochmals verstärken. Es gibt Maisonettewohnungen die wie ein Einfamilienhaus funktionieren, kleine Studio-Wohnungen, ein-etagige Familienwohnungen mit vielen Zimmern und Loft-Wohnungen mit wenigen Wänden. Hinzu kommt noch ein pavillonartiger Bungalow. So entstand – bezogen auf Alter, Einkommen und Familiengröße – ein Wohnhaus mit einer sehr unterschiedlichen Bewohnerschaft, das wie ein Mikrokosmos des Stadtteils funktioniert.

Foto: Julien Lanoo
Foto: Julien Lanoo
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?

Das Gebäude setzt sich mit dem Thema der Bewegung und Drehung auseinander. Dieses Thema sieht man von dem großen, städtebaulichen Maßstab bis hin zu den Details der Balkongeländer. Auf die besondere Lage als Eckgrundstück haben wir reagiert, indem wir eine ‚runde Ecke’ gestaltet haben, die sich auch im Blockinneren wiederholt. Zur Straßenseite hin erzeugt sie eine Drehung des Baukörpers und betont die Ecklage. Nach Innen hin schafft sie eine gute Privatsphäre, da sich die Wohnungen über Eck nicht mehr in die Wohnräume schauen können. Die mäandrierenden Lisenen aus Stahlbetonfertigteilen scheinen fast in Bewegung zu sein. Entlang der runden Ecke gewinnen sie an Tiefe und werden zu raumbildenden Scheiben. Sie erzeugen ein sich ständig veränderndes Spiel von Licht und Schatten. Die Geländer bestehen aus drehbaren eloxierten Aluminium-Lamellen. Mit einer Kurbel können sie so gedreht werden, dass sie sich zum Licht und zur Durchsicht öffnen, oder sie können geschlossen werden um für Intimität und Verschattung zu sorgen. In der Benutzung ergibt sich auf jedem Balkon eine andere Rotation und ein flirrender Effekt von Durchsicht und Reflektion.

Foto: Julien Lanoo
Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?

Der Ort ist der wichtigste Ausgangspunkt für den Entwurf. Das Grundstück liegt exakt an jener Stelle, an der die Stadt von einer Blockrandbebauung in eine Einzelbebauung übergeht. Die Blockrandbebauung steht für die urbane Stadt, die Einzelbebauung repräsentiert die suburbane Stadt. Diese sehr spezifische städtebauliche Situation wird in dem Entwurf aufgegriffen, indem wir an der einen Straße sehr eng an den Bürgersteig anbauen, ihn zum Teil sogar überbauen, und an der anderen Straße den Baukörper zurücksetzen und eine Struktur von Balkonen, Loggien und Terrassen entwickeln, die einen Puffer zwischen öffentlichen Straßenraum, Gebäude und den Innenräumen entstehen lassen.

Foto: Julien Lanoo
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren NutzerInnen den Entwurf beeinflusst?

Es gab eine enge Verbindung zu den zwei Bauherren. Mit einem der beiden hatte ich etwa zwölf Jahre zuvor mein allererstes eigenes Gebäude errichtet, dass sich nur eine Straße entfernt befindet. Den anderen Bauherrn kenne ich aus der Grundschule und bin mit ihm seither befreundet. Das erzeugte ein großes gegenseitiges Vertrauen, was für das Projekt wichtig war. Die Bauherren waren einem unkonventionellen Entwurf aufgeschlossen und ließen mir eine große Entwurfsfreiheit. Gleichzeitig ließ ich auch zu, dass sie sich aktiv in die Gestaltung einbrachten, insbesondere bei den Zuschnitten der Wohnungen und der Materialisierung, bis hin aber auch zu manchen technischen Ausführungsdetails. Manchmal waren die Bauherren-Sitzungen wie ein Gespräch unter drei Planern.

Foto: Julien Lanoo
Welche speziellen Produkte oder Materialien haben zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?

Nicht ganz überraschend war natürlich die Qualität der Betonfertigteile für das Gebäude entscheidend. Der Generalunternehmer zeichnete sich unter anderem dadurch aus, dass er ein eigenes Fertigteilwerk hat. Wir haben von Beginn an viele Tests gemacht bezüglich der Oberflächen, der Betonfarben, der Kanten und anderer Aspekte der Fertigteile. Es war eine ziemliche Herausforderung, ringförmige Elemente in dieser Dimension zu fertigen, die zu allen Seiten hochwertig aussehen müssen und keine Unterscheidung von Schalseite und Einfüllseite aufweisen dürfen. 

Grundriss Sockelgeschoss (Zeichnung: Manuel Herz Architekten)
Grundriss 1. Obergeschoss (Zeichnung: Manuel Herz Architekten)
Arthron
2017
Cäsarstraße 7
50968 Köln (Bayenthal)

Nutzung
Wohnungsbau, Mehrfamilienhaus

Auftragsart
Direktauftrag

Bauherrschaft
ETI GmbH & Co. KG, Köln

Architektur
Manuel Herz Architekten, Basel
Mitarbeiter: Moritz Werner (Projektleiter), Maria Losada, 
Takashi Owada, Moojin Park


Fachplaner
Tragwerksplanung: Pirlet & Partner Ingenieurgesellschaft mbH, Köln
Bauphysik: TOHR Bauphysik GmbH & Co. KG, Bergisch Gladbach
Baumangement: SNK Architekten, Stefan Nippen, Frechen

Ausführende Firmen
Generalunternehmung: Nesseler Bau GmbH, Aachen

Energiestandard
EnEV 2014 und KfW 70

Bruttogeschossfläche
2.980 m²

Gebäudevolumen
9.950 m³

Fotos
Julien Lanoo

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