Ein Name mit vielen Facetten

Autor:
sh
Veröffentlicht am
Juni 6, 2012

Der offizielle Name "Tag der Architektur" verspricht ein zumindest annähernd einheitliches Konzept für diese so wichtige Veranstaltung in Sachen Architekturvermittlung. Doch weit gefehlt. Denn viele der 16 Länderkammern kochen ihr eigenes Süppchen. Die Qualität reicht dabei von einem viel zu bunten Allerlei bis zu einer Speise für den Gourmet.
Ludwig-Börne-Schule in Frankfurt (Bild: lumen / Joppich & Dörr) 
Hunderte Immobilienbesitzer öffnen auch in diesem Jahr zum 18. Tag der Architektur die Türen ihrer Gebäude, um vor allem an Architektur Interessierten und künftigen Bauherren zu zeigen, welch gute "Alltagsarchitektur" sich in Zusammenarbeit mit einem Architekten realisieren lässt. Dies ist zumindest der Grundgedanke dieser mittlerweile bundesweit durchgeführten Veranstaltung, die 1995 in Hessen, Rheinland-Pfalz, dem Saarland und Thüringen – als damaligem "Patenkind" der Architektenkammer Hessen – zum ersten Mal stattgefunden hat. Immer mehr Länderkammern schlossen sich dem Tag der Architektur an, die Ausreißer in Sachen Termin wurden weniger. So halten sich auch in diesem Jahr alle Länderkammern an das letzte Wochenende im Juni und bieten mindestens an einem der beiden Tage ein Programm an. Doch schon bei der Auswahl der Gebäude, die zum Tag der Architektur zugelassen werden, driften Kriterien und Maßstäbe weit auseinander. In Hessen, in Rheinland-Pfalz und im Saarland – die beiden letzten kooperieren für diese Veranstaltung – wird unter anderem Wert darauf gelegt, dass sich das Bauwerk gut in seine Umgebung einfügt. Ein Foto muss dies belegen. Denn was nützt das schönste Gebäude an der falschen Stelle?
Gremien, die alle Bewerbungen sichten und entscheiden, wer in die Liste aufgenommen wird, gibt es mittlerweile in vielen Bundesländern. Dabei kommt es jedoch auf die Besetzung an. Vorbildlich sind auch hier wieder Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland sowie Bayern, die sich für diese Arbeit Externe, darunter auch Medienvertreter, ins Boot holen. Bei einer Auswahlkommission, die nur aus Mitgliedern des Vorstands und den Kammergruppenvorsitzenden besteht, wie in Thüringen, werden Objekte dagegen "aufgrund unzureichender Qualität" sehr selten aussortiert.
Bereits auf Seite 12 der 480 Seiten, die der Katalog der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen in diesem Jahr umfasst, wird es das erst Mal richtig schaurig. (Bild: Martin Bitter) 
Egal, wie diese Gremien besetzt sind, sie verhindern auf alle Fälle ein solches Schreckgespenst wie die "Auswahl" der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen. Wie bereits in den vergangenen Jahren spotten auch 2012 wieder viele der Gebäude jeder Beschreibung. Die Bandbreite reicht von banalen Entwürfen, wie sie in jedem Einfamilienhausgebiet zu finden sind, bis hin zu Häusern, die mit Baukultur überhaupt nichts zu tun haben. Es darf einfach jeder mitmachen, wer dies möchte. So erklärt sich auch die enorme Zahl von 450 bis 550 Gebäuden, die jedes Jahr im Katalog vorgestellt wird. Dort findet sich allerdings auch eine Postkarte, auf der die Besucher nach ihrer Meinung gefragt werden. Machen Sie von dieser Karte bitte regen Gebrauch. Vielleicht ändert sich ja dadurch etwas.
Doch nicht nur im bevölkerungsreichsten Bundesland können Planer Projekte präsentieren, die dem Anspruch nach guter Baukultur und somit dem des Tags der Architektur nicht gerecht werden. Teilweise ist dies auch in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg – trotz eines unabhängigen Gremiums – der Fall. Bei wieder anderen sind die Bildausschnitt in den Flyern und Katalogen so klein, dass sich die Qualität der Architektur damit nicht bewerten lässt.
Der Besucher des Stadtcarrés in Rostock bekommt am Tag der Architektur nicht mehr zu sehen, als jeder Spaziergänger. Denn die Türen bleiben auch während der Führungen verschlossen. (Bild: Bastmann + Zavracky Architekten) 
Viele Gebäude, die im Rahmen des Tags der Architektur vorgestellt werden, können normalerweise von innen nicht besichtigt werden – man denke nur an die zahlreichen Wohnhäuser. Deshalb verlangen die meisten Länderkammern von den Teilnehmern glücklicherweise, dass dies an jenem Tag oder Wochenende gewährleistet sein muss. Denn um sich ein Haus nur von außen anzuschauen, bedarf es keines Tags der Architektur. Das kann jeder Spaziergänger 365 Tage im Jahr. Deshalb sollten sich diesen Grundsatz auch jene Länderkammern auf die Fahnen schreiben, die sich damit zufrieden geben, wenn Bauherr und Architekt eine Besichtigung von außen oder gar einer Führung lediglich rund um das Gebäude anbieten.
Breuninger baut am Karlsplatz mit Behnisch Architekten, am Hospitalhof gewannen Lederer Ragnarsdottir Oei den Wettbewerb. (Bilder: Architekten) 
Ein ebenso uneinheitliches Bild wie bei den ausgewählten Projekten bietet sich dem Architekturinteressierten bei der Präsentation derselben. In Baden-Württemberg beispielsweise gibt es nur am Samstag geführte Touren, die von den 42 Kammergruppen organisiert werden und immer den ganzen Nachmittag dauern. Da bleibt besonders bei den Busrundfahrten aufgrund der begrenzten Zahl der Sitzplätze auch schon mal der ein oder andere außen vor, oder muss – wie bei den Spaziergängen – mit mehr als 200 weiteren Besuchern vorlieb nehmen. Ähnlich verhält es sich in Hamburg, wo man sich für jedes Gebäude einzeln anmelden muss. Wesentlich besser sind da die Regelungen in Rheinland-Pfalz, dem Saarland, Niedersachsen und Bremen, um nur einige Beispiele zu nennen, denn dort sind die Objekte über mehrere Stunden hinweg geöffnet, oftmals sogar am Samstag und am Sonntag. Zusätzlich zu den fertigen Bauten können in Sachsen-Anhalt und Hamburg auch Baustellen besichtigt werden.
Parallel oder manchmal im Vorfeld gibt es in fast allen Bundesländern ein mehr oder weniger umfangreiches Rahmenprogramm. Niedersachsen und Bremen veranstalten gemeinsam die Architekturzeit, in Sachsen ist vor allem die Kammergruppe Chemnitz aktiv, während Rheinland-Pfalz in Edenkoben, Kaiserslautern, Koblenz, Mainz und Trier mit der Woche der Baukultur aufwartet. Die "Neue Architektur in Thüringen" kann seit gestern in einer Wanderausstellung begutachtet werden. In Berlin öffnet das Bauhaus-Archiv an besagtem Wochenende seine Pforten, in Löbau gibt es die Möglichkeit, sich das Haus Schminke von Hans Scharoun von innen anzuschauen.
So vielfältig wie das Programm sind auch die Broschüren zum Tag der Architektur. (Bild: Simone Hübener) 
Damit man sich aus dieser Vielfalt bereits im Voraus seine individuelle Tour zusammenstellen kann, drucken alle Länderkammern einen Flyer und/ oder ein Booklet, in dem alle wichtigen Informationen zusammengefasst sind. In Mecklenburg-Vorpommern und Bayern ist man noch einen Schritt weiter gegangen und befasst sich mit den neuen Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten. Denn erstgenannte Kammer hat auf allen gedruckten Medien einen QR-Code integriert, der den Nutzer eines Smartphones bei Wunsch direkt zur Projektliste leitet. Das manchmal mühselige Eintippen der www-Adresse über die Tastatur bleibt ihm damit erspart. Die Bayerische Architektenkammer investiert in diesen Bereich noch mehr Geld, denn sie bietet seit 2011 eine mobile Version der Webseite und eine App an (leider nur für iPhones). So hat man unterwegs ebenfalls stets alle nötigen Daten parat, ohne im Vorfeld alles ausdrucken zu müssen.
Daran anknüpfend denkt nun auch die Bundesarchitektenkammer darüber nach, für den Tag der Architektur 2013 eine Web-App zu programmieren, an die sich alle Länderkammern anschließen können – eine tolle Idee. Diese Web-App könnte unabhängig vom Betriebssystem des Smartphones benutzt werden, verlangt allerdings permanent nach einem Internetzugang.
Es ist also auch nach 18 Jahren noch viel in Bewegung beim Tag der Architektur. Dadurch hat sich bereits vieles in eine gute Richtung entwickelt, anderes sollte dringend verbessert werden. Denn eines ist klar: Von dieser Veranstaltung können alle nur profitieren. sh