Wohnraum in integrierter Lage

Autor:
Peter Petz | Podest
Veröffentlicht am
Juli 1, 2015

ASTOC Architects and Planners mit Philip Denkinger Landschaftsarchitekten gewinnen den Wettbewerb «Quartiersentwicklung Ehemaliges Sportplatzareal, Karlsruhe». Prof. Markus Neppl und Philip Denkinger stellen sich unseren Fragen zum Wettbewerb.
Morphologie 
Peter Petz: Nach der Umlegung von Ballspielplätzen soll im Stadtteil Daxlanden, zwischen Messe Karlsruhe und Zentrum, östlich der B36 ein zeitgemäßes und nachhaltiges Wohnquartier aus Geschosswohnbauten errichtet werden. In der Planungskonkurrenz mit sechs geladenen Teilnehmern sollen die städtebauliche Planung sowie die Gebäudeplanung auf Grundlage der in der Auslobung dargestellten städtebaulichen Analyse konkretisiert werden. Wie haben Sie die Wettbewerbsaufgabe interpretiert?
Markus Neppl: Der Stadtteil wird in Karlsruhe auch liebevoll als «Königreich Daxlanden» bezeichnet. Das ehemals kleine Fischerdorf in den Rheinauen ist sehr viel älter und traditionsbewusster als die 1715 gegründete Residenzstadt. Das Wettbewerbsgebiet befindet sich jedoch nicht in der Nähe des idyllischen Ortskerns sondern am Rand des heute 12.000 Einwohner großen Stadtteils, umgeben von Siedlungsbauten aus unterschiedlichen Epochen. Daxlanden wurde in den 1930er und 1960er Jahren durch das große Siedlungsprojekt Rheinstrandsiedlung massiv erweitert und in den 1970er und 1980er Jahren nach und nach ergänzt. Durch seine gute Erschließung und seine Nähe zu den Rheinauenwäldern ist der Ort aber nach wie vor ein attraktiver Wohnstandort mit bezahlbaren Wohnungen. Die beiden Sportplätze mit ihrer Vereinsgaststätte spielen in diesem Gefüge eine wichtige Rolle. Sie sind Treffpunkt für die Anwohner und der FV Daxlanden war im Südwesten eine bekannte Größe. Es bot sich die Chance in Kombination mit der naheliegenden Stadtbahnhaltestelle eine neue Mitte für diesen etwas vernachlässigten Teil «des Königsreichs» zu schaffen. Darüberhinaus ist es eine Chance den dringend benötigten Wohnraum in Karlsruhe in einer integrierten Lage realisieren zu können. Also eine knifflige Aufgabe, bei der keine der üblichen urbanen Wohntypologien so richtig schlüssig erscheinen wollte.
Modell 
Welcher Nutzungsmix ist vorgesehen?
Markus Neppl: Es sollten in etwa 40% freifinanzierte und 60% geförderte Einheiten in den üblichen Wohnungsschlüsseln konzipiert werden. Darüber hinaus wurden eine Kita sowie einige Gemeinschaftseinrichtungen gefordert. Im Prinzip ein Standartprogramm welches nahelegte die Zeilentypologien der Nachbarschaft einfach fort zu setzen und die starke Lärmemission der angrenzenden Bundestrasse zu gut wie möglich abzuschirmen. Was in den ersten Schwarzplanskizzen gut aussah, konnte aber in den zahlreichen Arbeitsmodellen nicht überzeugen, da das Areal in dem anonymen Siedlungsgefüge nicht mehr zu identifizieren war. Vielversprechender war die Orientierung an den wenigen Elementen die erkennbar waren: Das Sportlerheim, die stark eingewachsenen Zuschauerränge, das kleine Wäldchen, der Lärmschutzwall und die im Moment wenig einladende Haltestelle. Durch diese vorgefundene «Topographie» ergab sich eine einfache aber robuste Struktur, die durch zwei relativ großmaßstäbliche Wohnhöfe weiter interpretiert wurde. 
Quartierseingang 
Wie sollen die Freiflächen bespielt werden?
Philip Denkinger: Im ersten Hof wird die bestehende Wallanlage des Stadions erhalten. Sie prägt das formale Gestaltungskonzept. Der Zwischenraum zwischen Wall und Gebäuden wird von privaten Gärten bestimmt, die in den Wall münden und so einen künstlichen Horizont erhalten, der die nahe Stadtbahntrasse ausblendet. Der Wall dient der Abgrenzung zwischen privaten und öffentlichen Bereichen und sichert mit dem Baumbestand eine hohe Freiraumqualität schon zu Beginn der Baumaßnahme. Im zweiten Hof werden auch die erhaltenswerten Bestandsbäume mit eingebunden. Der nördliche Eichenhain wird erhalten und die Freifläche bleibt den Anwohnern des Quartiers für naturnahes Spielen und Freizeit vorbehalten. Am östlichen Rand stehen Flächen für die Oberflächenwasserversickerung zur Verfügung. Der innere Bereich beider Höfe dient der Erschließung der Gebäude. Eine Höhenmodellierung ermöglicht Baumpflanzungen in den unterbauten Höfen. Breite Heckenpflanzungen vor den Terrassen bilden eine Pufferzone zwischen gemeinschaftlichen und privaten Bereichen und binden Fahrradstellflächen Müllcontainer und Bänke  ein. Der innere Kern der Höfe bietet Gemeinschaftsflächen für urban gardening, Bikesports sowie Spiel und Aufenthalt der Bewohner.
Lageplan 
Welches architektonische Thema war Ihnen besonders wichtig?
Markus Neppl: Die strukturelle Großmaßstäblichkeit wurde relativiert durch die Öffnungen der Höfe. Diese wichtigen Wegeverbindungen und die dreidimensionale plastische Ausformung der unterschiedlich langen Zeilen vermeiden den Eindruck einer Großform und formulieren für das gesamte Areal ein durchgängiges Thema und ermöglichen eine gemeinschaftlich geprägte Atmosphäre. Die Ausformung der Fassaden folgt den unterschiedlichen programmatischen Anforderungen und versucht eine feine Balance zwischen Individualität und kollektiver Idee. Die entstehenden großzügigen Räume bieten nun genügend Platz für eine Reihe wohnungsnaher Aktivitäten im Freiraum. Das erhaltene Sportlerheim spielt dabei eine wichtige Rolle am Eingang zum Quartier und liegt an der direkten Wegeverbindung zur Stadtbahnhaltestelle. Das Quartier gibt sich offen und bietet auch den Nachbarn Angebote die in  der direkten Umgebung nicht vorhanden sind. Darüberhinaus können hier unterschiedliche Wohnformen und weitere Gemeinschaftseinrichtungen integriert werden ohne die Struktur verändern zu müssen.
Blick in den Hof 
Ist schon ein Rahmenplan in Arbeit?
Ein Rahmenplan in seiner üblichen Unverbindlichkeit wird in diesem Fall nicht weiterhelfen. Das Projekt mit 420 Wohneinheiten und etwa 1200 neuen Einwohnern muss im Stadtteil erst mal «verdaut» werden. Die politischen Gremien begrüßen das Konzept einhellig und auch der Investor, die städtische Wohnungsbaugesellschaft VOLKSWOHNUNG, möchte das Projekt möglichst schnell realisieren. Zunächst müssen aber in der Bauleitplanung die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen und die programmatischen Komponenten überprüft werden. Ebenso wichtig sind aber die Akzeptanz im Stadtteil und der Nachweis der ökonomischen  Realisierbarkeit des gesamten Projektes. Um tatsächlich bezahlbaren Wohnraum an dieser Stelle schaffen zu können, werden erhebliche Anstrengungen von allen Beteiligten notwendig sein. Vielleicht wird es ja letztendlich doch ein schönes und begehrtes Wohnquartier im größer gewordenen «Königreich Daxlanden». 
Überflugperspektive 
Quartiersentwicklung Ehemaliges Sportplatzareal, Karlsruhe
Planungskonkurrenz

Jury
Prof. Jörg Aldinger, Vors.
Michael Obert
Reiner Kuklinski
Sigrun Hüger
Klaus Weindel
Mario Rösner
Christian Laubscher
Anne Segor
Dr. Raphael Fechler
Tilman Pfannkuch

1. Preis
nach Überarbeitung
Städtebau und Architektur.: ASTOC Architects and Planners, Köln
Landschaftsarchitektur: Philip Denkinger Landschaftsarchitekt, Stuttgart, Strasbourg

2. Preis
nach Überarbeitung
Architektur: florian krieger architektur und städtebau, Darmstadt
Landschaftsarchitektur: club L94, Köln