abwechslungsreiche räumliche Situationen

Autor:
Peter Petz | Podest
Veröffentlicht am
Mai 9, 2012

Léon Wohlhage Wernik gewinnt den Wettbewerb Europäische Schule München. Hilde Léon stellt sich unseren Fragen zum Wettbewerb.
Schulhof, Blick auf die Schule 
Welche Vorstellung von Schule und Lernen liegt Ihrem Entwurf zugrunde?
Die Europäische Schule München ist eine Ganztagsschule mit ausgeprägt interkultureller Ausrichtung. Schon in der Grundschule gibt es sieben Sprachsektionen. Unterricht findet oft klassen- oder jahrgangsübergreifend oder in Kleingruppen statt. Deshalb ist der Klassenverband weniger starr, als in anderen Schulen. Der kommunikative Charakter und die didaktische Vielfalt benötigen unterschiedliche räumliche Organisationsformen.

Vor allem handelt es sich um eine sehr große Schule für 1.300 Schüler und Schülerinnen, bei weiteren Bauabschnitten noch mehr. Dieses große Programm hat maßgeblich unser Konzept der fünf einzelnen Häuser mit einem gemeinsamen Rückgrat beeinflusst. In den Zwischenbereichen können so Freiflächen und Erschließungsbereiche als großzügige Begegnungszonen entstehen. Um die Kommunikation zu fördern, finden sich besonders an Kreuzungspunkten Sitzgruppen oder „Aktivitätsboxen“ zur Freizeitgestaltung. Schulöffentliche Nutzungen konzentrieren sich im Erdgeschoss, das sich zur Weite des Schulhofs mit der optimalen Belichtung öffnet.
Modell 
Wie kamen Sie zu den Baukörpern? Wie gestalten Sie sie Freiräume?
Im Osten des Areals befindet sich eine lärmintensive S-Bahnstrecke. Damit der Schulbetrieb davon abgeschirmt wird, windet sich das Gebäude als langgestrecktes, mehrfach leicht geknicktes Rückgrat entlang der Bahn, wodurch ein möglichst großer Freiraum nach Westen entsteht, zu dem sich die Schule mit all ihren Klassenräumen öffnet. Das Haus ist quasi sein eigener Lärmschutz. Die Schule definiert räumlich den neuen Bahnhofsvorplatz der S-Bahn-Station, zusätzlich zum geplanten Quartierszentrum mit Läden, Büros und Wohnungen. An diesem Platz befinden sich auch der Hauptzugang zum Schulgelände sowie die Sporthalle, die auch als Festsaal dienen könnte. Die Freiraumplanung von Atelier Loidl sieht neben einer Schulpromenade entlang des Gebäudes eine Sport- und Freizeitlandschaft aus grünem Tartanbelag, einen Skatepool sowie Podeste und eine hölzerne Freilufttribüne vor. Der zweite Zugang zum Schulgelände liegt am anderen Gebäudeende im Norden. Dort kommen alle Schulbusse, sowie auch die Privatfahrzeuge der Eltern und Lehrer an, sodass die Schule übersichtlich und gleichwertig von beiden Seiten angebunden ist.
Erdgeschoss 
Wie organisieren Sie die Europäische Schule?
Entlang des Schulhofs erstreckt sich die Eingangs- und Pausenhalle mit den fünf Eingängen der Klassenhäuser. Alle schulöffentlichen Bereiche wie Bibliothek, Mensa, Musik- und Werkräume werden von hier erschlossen. Sie gruppieren sich jeweils um kleine Höfe, die auch als Außenklassenräume oder Lesegärten genutzt werden können. Die Nebenräume liegen zur lauten Bahnseite. Die Treppen in die Obergeschosse der Klassenhäuser sind räumlich großzügig gefasst, und werden von oben natürlich belichtet. Rund um diese Treppen organisieren sich die Klassen sowie die „Spielboxen“ mit Sitzgruppen, Tischkicker oder Tischtennisplatten. Die horizontale Verbindung zwischen den fünf Häusern gibt mit Fensternischen zum Sitzen den Blick auf die Bahn frei und dient der unprogrammierten Kommunikation Die am Gang angeordneten Gruppenräume und alle Klassenräume orientieren sich zum ruhigen Schulhof. Das Konzept lässt nach Norden weitere Bauabschnitte zu, die im Programm ausdrücklich gewünscht wurden und für die zukünftige Entwicklung der Schule unentbehrlich sind. Der Kammstruktur würden dann zusätzliche „Zähne“ angefügt.
Nutzungen 
Welches architektonische Thema war Ihnen besonders wichtig?
Wir wollten eine gegenüber der Bahnstrecke abgegrenzte und geschützte Situation schaffen, ohne die Schule in einer unübersichtlichen Bandstruktur zu organisieren. Weil das Gebäude von den Grundschulklassen genutzt werden soll, schien es uns besonders wichtig, abwechslungsreiche räumliche Situationen mit Wiedererkennungswert zu schaffen. Der lange Baukörper ist deshalb mehrfach geknickt. Die zum Hof offene Kammstruktur der Klassengeschosse lässt das Gebäude auf dieser Seite wie eine Abfolge von fünf Einzelhäusern erscheinen, die in verschiedenen Winkeln zum Hof stehen. Die Schüler haben also „ihr“ jeweiliges Haus mit eigenem Eingang, das aber gleichzeitig Teil der gesamten Schule ist. Die Gemeinschaftsräume im Erdgeschoss werden geteilt und in den oberen Geschossen sind die Häuser miteinander verknüpft. Obwohl das Gebäude für 1300 Schüler ausgelegt ist, bleibt es überschaubar, weil man die gesamte Größe nicht auf einen Blick sieht. In der Architektur wollten wir mit einer signifikanten Fassade den Räumen im Innern eine optimale Belichtung geben und nach außen einen unverwechselbaren Charakter zeigen. Freiraum und Gebäude sind sich ergänzende architektonische und räumliche Themen.
Eingangsfoyer 
Welche Materialstrategie schlagen Sie vor?
Die Fassade setzt sich gestalterisch aus aneinander gesetzten Rahmen aus farbigem Kunststein zusammen. Variierte Rahmenbreiten, unterschiedliche Brüstungshöhen, nuancierte Farbwerte und leichte Vor- und Rückspringe lassen die langen Fassaden plastisch erscheinen. Nach Innen und Außen wird das klare System einer Lochfassade spielerisch überhöht. Hierbei war es uns wichtig, einen spielerischen Rhythmus an der Fassade abzubilden und offensichtliche Wiederholungen zu vermeiden. An der Sporthalle und der geschlosseneren Bahnseite treten die Rahmen vereinzelter innerhalb größerer Putzflächen auf. Hier entwickeln sich die Rahmen geradezu zu Erkern, um die räumliche Tiefe der Bahntrasse auch im Innern erfahrbar zu machen.
Detail 
Gibt es schon einen geplanten Fertigstellungstermin?
Die Schule ist sehr beliebt und steht unter hohem Druck, sich räumlich zu erweitern. Die Schülerprognosen gehen davon aus, dass der bestehende Standort der Europäischen Schule ab 2015 zu klein sein wird. Für den erwarteten noch stärkeren Raumbedarf haben wir ja auch schon Erweiterungskonzepte konzeptionell mitgedacht.
Lageplan 

Die komplette Wettbewerbsdokumentation finden Sie in
wa 05/2012
Europäische Schule München
Begrenzt offener Wettbewerb mit Bewerbungsverfahren

Jury
Prof. Ulrich Holzscheiter, Vors.
Prof. Maria Auböck
Norbert Diezinger
Ursina Fausch
Günther Hoffmann
Prof. Dr. Elisabeth Merk
Johannes Nolte
Prof. Jórunn Ragnarsdóttir
Prof. Dr. Thomas Stark

1. Preis
Léon Wohlhage Wernik
Berlin
L.Arch.: Atelier Loidl
Berlin

ein 3. Preis
Bez + Kock Architekten
Stuttgart
L.Arch.: Lohrberg Stadtlandschaftsarchitektur
Stuttgart

ein 3. Preis
bogevischs buero architekten & stadtplaner
München
L.Arch.: Studito B Landschaftsarchitekten
München

4. Preis
fpa frank und probst architekten
München
L.Arch.: el.ch landschaftsarchitekten
München