Alpolic-Messestand auf der BAU 2017 von UNStudio

Von der Platte zum Raum

Thomas Geuder
11. Februar 2017
Auf 90 Quadratmetern hat sich Mitsubihi Plastics auf der diesjährigen BAU in Szene gesetzt – dank der Standarchitektur von UNStudio. (Bild: Laurian Ghinitoiu / UNS)

Projekt: Alpolic-Messestand auf der BAU 2017 (München, DE) | Architektur: UNStudio (Amsterdam, NL) | Bauherr und Hersteller: Mitsubishi Plastics, Inc. (Tokyo, JP), Kompetenz: Aluminium-Verbundplatte Alpolic | vollständige Projekttafel siehe unten

Auf einer Messe kann es mehrere Strategien geben, die vorbeiziehenden Besuchermassen zum Stehenbleiben zu bewegen. Einige Aussteller versuchen es etwa schlicht über Größe, andere mittels besonderer Lichtinszenierung, wieder andere lassen ihre Mitarbeiter proaktiv sprechen. Die Standarchitektur ist selbstredend auch ein probates Mittel, sich ins gute Licht zu rücken. Gut beraten ist da, wer trotz kleiner Standfläche Ansehnliches bieten kann. Ins Auge gesprungen ist auf der diesjährigen BAU in München das Unternehmen Mitsubishi Plastics, das ihrem Produkt Alpolic einen von UNStudio gestalteten Messestand spendierte. Und das bereits zum zweiten Mal nach 2015 – das Aufmerksamkeitskonzept scheint aufgegangen zu sein. Alpolic ist eine Aluminium-Verbundplatte für die Fassade, kratzfest und witterungsbeständig, die gesägt, gefräst, abgekantet und gebogen werden kann. Die farbbeständige, einseitige Beschichtung Lumiflon basiert auf einer resistenten Fluorpolymerbeschichtung, die extrem haltbar ist, weswegen beispielsweise die Flugzeuge der japanischen Airline ANA damit versehen sind.

Die Struktur sichtbar gemacht: Um das Fassadenmaterial sehen zu können, musste der Besucher in die Skulptur hin ein gehen. (Bild: Laurian Ghinitoiu / UNS)

Um diese Eigenschaften in eine wirkungsvolle Standarchitektur zu transferieren, haben UNStudio sich ein besonderes Entwurfsverfahren einfallen lassen. Ziel dabei war eine selbsttragende Struktur, die möglichst dünn ist und ohne zusätzliche tragende Elemente auskommt. Zum Vorbild nahmen die Ingenieure die Natur, wie etwa den strukturellen Aufbau eines Blatts mit seinen unterschiedlich starken Adern, die sehr gewichtseffizient eine Fläche aufspannen. Auch das simple Umkehren eines Kettenmodells stand Pate für die Form. Durch dreidimensionales Ziehen bzw. Verformen einer zweidimensionalen Platte und anschließendes Kappen der Spitzen entwickelten sie so eine Art Grundmodul, das in der Folge nur noch gespiegelt und gedreht werden musste, um schlussendlich zu einer raumbildenden Form zu werden. Die wirkt zunächst sehr freistehend, fast schon skulptural, bildet aber elegant recht unterschiedliche Bereiche aus, von offen für den schnellen Besuch über halboffen für Gespräche bis hin zu abgeschlossen für die eigentliche Präsentation des Produkts. Eine schwarze Wand schließt die Raumskulptur nach hinten ab und bildet zusammen mit einem mattschwarzen Teppichboden, der auch die Akustik im Inneren dämpft, den Hintergrund für die Szenerie. Auffällig und spannend ist Umkehrung des Produktprinzips: Von außen sieht man quasi das Dahinter, die Rückseite und die statische Struktur der Form also, innen dann lässt sich die Fassadenplatten-Oberfläche erkunden, die eigentlich die Außenhaut ist. Die war beim Messestand auf der BAU perlumtfarben schimmernd angelegt, wodurch die Oberfläche beim Vorbeilaufen immer wieder ihren Farbton leicht zu ändern schien – und so die Neugierde des vorbeistreunernden Messebesuchers weckte. Man darf jetzt schon gespannt sein, was sich UNStudio für die BAU 2019 bei Alpolic einfallen lassen wird.

Durch die geschickte Anordnung der dreidimensionalen Elemente entstehen Bereiche mit unterschiedlichen Raumcharakteren. (Bild: Laurian Ghinitoiu / UNS)
Vorbild für die Struktur war für die Ingenieure von UNStudio die Natur, die wie bei einem Blatt etwa sehr gewichtseffizient Flächen gestaltet. (Bild: Laurian Ghinitoiu / UNS)
Entwurfsdiagramm 1: von der Fläche zum räumlichen Element (Quelle: UNS)
Entwurfsdiagramm 2: die Natur als Vorbild für die Struktur (Quelle: UNS)
Entwurfsdiagramm 3: Übernehmen von natürlichen Kräfteverläufen (Quelle: UNS)
«Made in Germany» ist in großen Lettern auf der Konstruktion zu lesen, aus dem der komplette Messestand gebaut wurde. (Bild: Laurian Ghinitoiu / UNS)
Die perlumtfarben schimmernde Oberfläche basiert auf einer Fluorpolymerbeschichtung, die sehr widerstandsfähig ist. (Bild: Laurian Ghinitoiu / UNS)
An einer Standseite kehr die Skulptur ihr Inneres nach außen, um so die vorbeiziehenden Messebesucher hineinzulocken. (Bild: Laurian Ghinitoiu / UNS)

Projekt
Messestand Alpolic auf der BAU
München, DE

Architektur
UNStudio
Amsterdam, NL

Team: Ben van Berkel, Gerard Loozekoot with René Wysk, Filippo Lodi and Alexander Kalachev, Nanang Santoso, Jörg Stanzel, Jung Jae Suh

Bauherr und Hersteller
Mitsubishi Plastics, Inc.
Tokyo, JP

Kompetenz
Aluminium-Verbundplatte Alpolic

Fassadenbauer
Sorba projects BV
Winterswijk, NL

Standbauer
Meplan Gmbh
München, DE

Standfläche
90m²

Volumen
536m³

Fertigstellung
2017

Fotografie
Laurian Ghinitoiu


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