Empfangs- und Bürogebäude in Stühlingen

Ein Bau wie ein Eimer

Thomas Geuder
15. November 2016
«Corporate Architecture im besten Sinne» war das Anliegen von Architekten von Orange BLU beim neuen Empfangs- und Bürogebäude für Sto in Sühlingen. (Bild: Martin Baitinger / Sto)

Projekt: Empfangs- und Bürogebäude von Sto (Stühlingen, DE) | Architekten Entwurf: ORANGE BLU (Stuttgart, DE) | Bauherr: Sto SE & Co. KGaA (Stühlingen, DE) | Hersteller: Sto, Kompetenzen: diverse | vollständige Bautafel unten

Wer von Norden her mit dem Auto oder – besser noch – mit der Sauschwänzlebahn Richtung Stühlingen im Südschwarzwald fährt, passiert am Abzweig zu dem Örtchen Weizen unweigerlich das Gelände des Herstellers für gefühlt alles, mit dem am Bau beschichtet werden kann: Sto. Auffällig neigt sich hier ein Verwaltungsgebäude dem Herannahenden entgegen, das Mitte der 1990er-Jahre von Wilford Schupp Architekten errichtet wurde. Dieses wiederum geht zurück auf einen Masterplan, der quasi zur gleichen Zeit ebenfalls erstellt wurde, ebenfalls von Wilford Schupp Architekten. Er verplant das gesamte Gelände bis ins Jahr 2020 und ordnet es quasi um zwei orthogonal angeordnete Achsen mit klarem Mittel- bzw. Schnittpunkt. Seit der Erstellung des Masterplans ist hier einiges entstanden, nun konnte ein weiterer baulicher Streich fertiggestellt werden. Das neue Empfangs- und Bürogebäude definiert erstmals die Mitte auf dem Gelände und führt gleichzeitig den Besucher direkt ins – zumindest raumplanerische – Herz des Unternehmens. Die Architekten für diesen Bau sind direkt beauftragt worden. Der Bauherr wollte bei der vorherrschenden und gewohnten Architektursprache bleiben und hat den Architekten Manuel Schupp mit der Planung beauftragt. Der firmiert seit 2015 nicht mehr unter dem Namen Wilford Schupp Architekten, sondern – nach Ausscheiden des 1938 geborenen Michael Wilford und anschließendem Zusammenschluss mit zsp architekten | peter vorbeck – mittlerweile unter dem Namen Orange BLU, mit Sitz ebenfalls in Stuttgart. So war es für ihn fast schon eine Ehrensache, den Neubau anhand des fast 20 Jahre zuvor miterstellten Masterplans zu erbauen. Diesem folgend hat er direkt neben dem Kreuzungspunkt der beiden orthogonalen Achsen einen ovalen Bau positioniert, das eigentliche Empfangsgebäude mit großzügigem Foyer, Besprechungs- und Gemeinsachafträumen sowie einer Dachterrasse. Ihm schließt sich ein Büroriegel für bis zu 150 Mitarbeiter in den Obergeschossen und einem Datacenter im Untergeschoss an. Der gestalterische Clou: Ankommende Besucher bewegen sich entlang der schwarzen Fassade des Büroriegels und gelangen so zum Empfangsgebäude, das sich gelb leuchtend in den Vordergrund rückt. Es ist selbstredend kein Zufall, dass diese Farb- wie Formsprache an den allseits bekannten Sto-Eimer erinnert, der ebenso oval und im selben Farbton auf Baustellen auf der ganzen Welt zu finden ist. Die horizontalen Fensterbänder nehmen das Schwarz des Logo-Schriftzugs auf dem Eimer auf. Corporate Architecture fordert eben ab und an einen recht unmittelaren Umgang mit den typischen und allseits bekannten Erkennungsmerkmalen eines Unternehmens.

Beide Gebäude sind als Stahlbeton-Konstruktion ausgeführt und bieten Platz für bis zu 150 Mitarbeiter. (Bild: Martin Baitinger / Sto)

Natürlich wurde der Neubau so weit wie möglich mit Produkten aus eigener Herstellung realisiert und erhielt als Nullenergiehaus im Passivhausstandard schließlich das Gütesiegel in Platin der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB). Einen wesentlichen Beitrag zu dieser Zertifizierung leistet das Energiekonzept, mit dem der Energiebedarf passiv wie aktiv minimiert wird: Auf dem Dach etwa befindet sich eine Photovoltaikanlage mit einer Jahresleistung von 26.400 kWh. Die Südseite des Büroriegels ist mit einem vorgehängten, hinterlüfteten Fassadensystem mit als solche nicht sichtbaren Photovoltaikpaneelen ausgestattet (StoVentec ARTline Invisible), die eine Jahresleistung von 15.800 kWh bringen. Gestalterisch passend dazu sind die drei anderen Fassaden mit schwarzen Glaspaneelen (StoVentec Glass) versehen. Weitere Energie liefert eine Turbine, die vom kanalisiert und dem Gelände verlaufenden Ehrenbach angetrieben wird. Die ovale Fassade des Empfangsgebäudes ist mit einem hinterlüfteten Fassadensystem versehen (StoVentec R), mit biegsamer Putzträgerplatte, organischem, nichtbrennbarem und hoch wasserdampfdurchlässigem Fassadenputz (Stolit), auf dem schließlich eine Fassadenfarbe ohne biozidem Filmschutz aufgebracht ist, die die Putzoberfläche nach Regen oder Taubildung schnell trocknen lässt (StoColor Dryonic). Auch im Innenraum ist das Knowhow des Bauherrn verbaut, etwa beim Akustiksystem (StoSilent Distance A2 und Modular) oder den feuchteregulierenden Putzsystemen (SoCalce Functio). Gekühlt werden die Büro- und die Besprechungsräume sowie das Datacenter durch Quellwasser. Im Frühling und Herbst ist eine natürliche Lüftung über die Fenster angedacht. Die Frischluftzufuhr im Sommer und im Winter funktioniert über eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung, zur Heizung wird im Winter die Abwärme der Server im Datacenter genutzt. Hoch gelegene Fensterstürze und geringe Raumtiefen ermöglichen eine gute Ausleuchtung der Büros mit Tageslicht. Und wenn es doch einmal zu dunkel wird, liefern präsenz- und tageslichtabhängig gesteuerten LED-Lampen die notwendige Helligkeit. All das macht das neue Empfangs- und Bürogebäude bei Sto zu einem technischen Hingucker mit logischer Weiterführung der Architektursprache auf dem Firmengelände des Bauherrn. Umso gespannter darf man auf den nächsten Streich sein.

Als eines der wenigen Gebäude im ländlichen Raum hat der Neubau das DGNB-Zertifikat in Platin erhalten. (Bild: Martin Baitinger / Sto)
Masterplan Mitte der 1990er-Jahre, 2002 und 2020. (Quelle: Sto)
Im Erdgeschoss des Empfangsgebäudes befindet sich ein großzügiges Foyer, in den Geschossen darüber mehrere Besprechungsräume sowie eine Dachterrasse. (Bild: Martin Baitinger / Sto)
Geringe Raumtiefen kombiniert mit hohen Fenstern sorgen für eine sinnvolle Nutzung des Tageslichts. (Bild: Martin Baitinger / Sto)
In der Mitte der beiden Bürospangen sind Nutzungen wie die Teeküche oder der Druckerraum angeordnet. (Bild: Martin Baitinger / Sto)
Das Symbol des Bauherren ist der gelbe Sto-Eimer – hier im Besprechungsraum auf dem Bildschirm im Hintergrund zu sehen. (Bild: Martin Baitinger / Sto)
Die Abwärme der Server im Datacenter wird im Winter zur Heizung der Büroräume verwendet. (Bild: Martin Baitinger / Sto)
Grundrisse (Quelle: Sto)

Projekt
Empfangs- und Bürogebäude von Sto
Stühlingen, DE

Architekten Entwurf
ORANGE BLU
Stuttgart, DE

Ausführungsplanung
Hölzenbein Architekten Planungsgesellschaft mbH
Donaueschingen, DE

Hersteller
Sto SE & Co. KGaA
Stühlingen, DE

Kompetenzen:
Fassade: Sto-Produkte Vorgehängtes hinterlüftetes Fassadensystem (inkl. wärmebrückenfreier Unterkonstruktion) mit Photovoltaikpaneelen (StoVentec ARTline Invisible) und Glaspaneelen (StoVentec Glass), Vorgehängtes hinterlüftetes Fassadensystem (StoVentec R) mit Putzoberfläche (Stolit K) und bionischer Fassadenfarbe (StoColor Dryonic) sowie teilweise mit gefrästen Fassadenplatten aus Verolith (StoDeco Plan)
Innenraum: Feuchteregulierungsputzsystem (StoCalce Functio), Innenbeschichtungen, Wand- und Deckenbeläge, Akustikdeckensystem (StoSilent Distance) und Akustikdeckensegel (StoSilent Modular)
Bodenbeläge- und -beschichtungen: Natursteinplatten (Sto-Fossil SBL), fugenlose Bodenbeschichtung (StoPox BB T 200)

Bauherr
Sto

Bauleitung
Baudis AG
Berlin, DE

Formgewand Architekturstudio
Stühlingen, DE

E. Lasarzick freier Architekt BDA
Stühlingen, DE

Haustechnik
Ingenieurbüro Liebert Versorgungstechnik GmbH & Co. KG
Hüfingen, DE

Elektro- und Fördertechnik
Neher und Butz Ingenieurbüro für Gebäudetechnik GmbH
Konstanz, DE

Tragwerksplanung
Ingenieurgruppe Flösser GmbH
Bad Säckingen, DE

Energieberatung und DGNB-Zertifizierung
ee concept GmbH
Darmstadt, DE

Farb- und Materialkonzept
StoDesign
Stühlingen, DE

BGF
4.300 m²

Kosten
12,5 Millionen Euro

Fertigstellung
2016

Fotografie
Martin Baitinger
Sto


Projektvorschläge
Sie haben interessante Produkte und innovative Lösungen im konkreten Projekt oder möchten diesen Beitrag kommentieren? Wir freuen uns auf Ihre Nachricht!

Die Rubrik «Praxis» ent­hält aus­schließ­lich redak­tio­nell er­stellte Bei­träge, die aus­drück­lich nicht von der Indus­trie oder anderen Unter­nehmen finan­ziert werden. Ziel ist die un­ab­hängige Be­richt­er­stat­tung über gute Lösungen am kon­kreten Pro­jekt. Wir danken allen, die uns dabei unter­stützen.

Andere Artikel in dieser Kategorie