SKF Testcenter in Schweinfurt von Tchoban Voss Architekten

Dynamische Gestalt

Thomas Geuder
28. Mai 2018
Superlativ in Schweinfurt: Das weltweit leistungsfähigste Prüfzentrum für Großlager wurde am 21. Juni 2017 feierlich eingeweiht. (Bild: Hans Jürgen Landes / Tchoban Voss Architekten)

Projekt: Neubau Testcenter für Großlager (Schweinfurt, DE) | Architektur: Tchoban Voss Architekten (Berlin, DE) | Bauherr: SKF GmbH (Schweinfurt, DE) | Hersteller: FDT FlachdachTechnologie (Foliendachabdichtung), Semco (Sonnenschutzglas), Salzgitter (Akustik-Kassettenfassade, Akustik-Trapezblechdach), Rockwool (Mineralwolle-Dachdämmung) | weitere Projektdaten siehe unten

Das Unternehmen SKF ist Architekten möglicherweise kein Begriff. Windanlagenbauern und Konstrukteuren anderer Großmaschinen aber vermutlich durchaus: SKF in Schweinfurt zählt zu den weltweit führenden Anbietern von Wälzlagern, Dichtungen, Schmiersystemen und Mechatronik-Bauteilen, wie sie etwa in Windkraftanlagen verbaut werden. Damit die auch den hohen Standards entsprechen und außerdem so konstruiert sind, den großen Kräften standzuhalten, sind Testreihen unerlässlich. Zu diesem Zweck hat SKF ein Prüfzentrum erbaut, das nun nach Fertigstellung sogar das leistungsfähigste Großlager-Prüfzentrum der Welt ist. Hier können beispielsweise Rotoranalgen getestet werden, die über die Zehn-Megawatt-Klasse hinausreichen, mit Außendurchmessern von bis zu sechs Metern, oder auch Großlager für den Schiff- und Bergbau, die Papierindustrie oder auch den Zement- und Stahlsektor. Die Prüfstände können Kräfte von mehreren Meganewton entwickeln. Es ist also ein Ort, an dem Kraft und Bewegung die zentralen Themen sind. Die Architektur dafür hat das Berliner Büro Tchoban Voss Architekten geliefert, ein Büro, das die für vielfältige Lösungen steht. Ihr vielleicht bekanntestes Beispiel dafür ist das Museum für Architekturzeichnung in Berlin.

Assoziationen mit aerodynamischen Formen und die Anlehnung an die Firmen-Logo-Type durch abgerundete Ecken sollen den Charakter und das Erscheinungsbild des vor rund 111 Jahren gegründeten Unternehmens repräsentieren. (Bild: Hans Jürgen Landes / Tchoban Voss Architekten)

Für SKF hat das Team um (in diesem Fall) Ekkehard Voss ein Gebäude erdacht, das eben diese Parameter des Ortes aufnimmt und im Sinne einer Corporate Architecture sinnvoll übersetzt. Das architektonische Grundmotiv des Neubaus bilden zwei etwa 80 x 20 m große und parallel zueinander versetzte Volumina in abgeschrägter und windschiefer Form. Den scharfen, rechten Winkel findet man hier nicht wirklich: Die Gebäudekanten der Kubatur sind abgerundet, ebenfalls die Fensterecken. Nach Norden hin öffnet sich eine großflächige Verglasgung aus zweischaltigem Bauprofilglas (Semco), auf dem sich das Firmenlogo vor allem in der Nacht der nahegelegenen Schnellstraße unübersehrbar entgegenstreckt. Damit nimmt das Gebäude übrigens einen gestalterischen Dialog zum ebenfalls nachts erleuchteten – und einige Jahre zuvor auch von Tchoban Voss Architekten sanierten – SKF-Hochhaus einige hundert Meter mainaufwärts auf, wodurch auch die städteräumliche Bedeutung des Unternehmens hervorgehoben werden soll. Beherbergt der nördliche und deutlich höhere Gebäudeteil noch die eigentliche Testhalle, befindet sich im südlichen, zweigeschossigen Gebäudeteil größtenteils Bereiche mit diversen technischen Raumfunktionen, Lagerflächen sowie Workshops, außerdem Büroräume, der Control Room, ein Mediacenter mit Seminar- und Konferenzbereich. Die Formsprache, die durch die Gebäudkubatur vorgegeben wurde, wird im Innenraum fortgeführt, etwa in der Gestaltung der Akustikwandverkleidungen, der Deckenspiegel, im Beleuchtungskonzept und zahlreichen anderen Ausstattungsdetails.

Im nördlichen Gebäudeteil befindet sich die Prüfhalle, die durch eine großzügige Verglasung mit viel natürlichem Licht versorgt wird. (Bild: Sven-Erik Tornow / FDT)

Auch im Fassadenmaterial soll der technoide Charakter transportiert werden: Sie ist mit metallisch schimmernden Weißaluminium-Paneelen (Salzgitter) verkleidet, deren vertikales und horizontales Fugenbild das Gebäude vorm optischen Kippen bewahrt. Das Dach beider Gebäudeteile ist abgedichtet mit einer Kunststoff-Dachabdichtung auf Basis von Polyisobutylen als Klettsystem (Rhepanol von FDT), bei dem Klettstreifen auf dem Dach quer zur Dachbahn ausgerollt und mechanisch befestigt werden, die zusammen mit der Kunststoffvlies-Kaschierung auf der Unterseite der Dachbahnen eine feste Verbindung erzeugen. Die beiden SKF Prüfstände wurden vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie bzw. durch das Umweltinnovationsprogramm des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit mit zusammen rund 3,5 Mio. Euro gefördert. Außerdem wurde die von Bauherrn wie Planern angestrebte LEED-Zertifizierung in „Gold“ erreicht.

Die Fassade ist mit reflektierenden Weißaluminium-Paneelen verkleidet. Im Bild: Blick zwischen die Gebäudeteile. (Bild: Hans Jürgen Landes / Tchoban Voss Architekten)
Auch im Inneren setzt sich die aus der Nutzung heraus entwickelte fließende Handschrift konsequent fort. (Bild: Hans Jürgen Landes / Tchoban Voss Architekten)
Im südlichen Gebäudeteil befinden sich neben technischen Raumfunktionen, Lagerflächen sowie Workshops auch Büroräume, der Control Room und ein Mediacenter mit Seminar- und Konferenzbereich. (Bild: Hans Jürgen Landes / Tchoban Voss Architekten)
Lageplan / Schwarzplan (Quelle: Tchoban Voss Architekten)
Grundriss Obergeschoss (Quelle: Tchoban Voss Architekten)
Grundriss Erdgeschoss (Quelle: Tchoban Voss Architekten)
Auf den Dachflächen kam als Abdichtung die weiße Rhepanol fk im Klettsystem zum Einsatz. (Bild: Sven-Erik Tornow / FDT)
Nächtens strahlt das Unternehmenslogo der SKF GmbH Richtung Norden, wo eine Schnellstraße verläuft. (Bild: Hans Jürgen Landes / Tchoban Voss Architekten)

Projekt
Neubau Testcenter für Großlager
Schweinfurt, DE

Architektur
Tchoban Voss Architekten
Hamburg, Berlin, Dresden, DE

Team
Ekkehard Voss (Architekur), Frank Focke (Assoziierter Partner), Stephan Müller (Projektleiter), Annett Neitzel, Daniel Schnettka

Bauherr
SKF GmbH
Schweinfurt, DE

Hersteller
Foliendachabdichtung: FDT FlachdachTechnologie, Rhepanol FK
Sonnenschutzglas: Semco, Semco Klima 500
Akustik-Kassettenfassade: Salzgitter, PSK-A 160/600/1,0
Akustik-Trapezblechdach: Salzgitter, PS-A 160/250/1,25
Mineralwolle-Dachdämmung: Rockwool, Rockwool-Megarock

Bauleitung
Holger Philipp Architekturbüro
Schweinfurt, DE

Statik
Ingenieurbüro Dr. Binnewies
Hamburg, DE

Haustechnik
RMN Ingenieure GmbH
Hamburg, DE

Landschaftsplaner
Wiggenhorn & van den Hövel Landschaftsarchitekten BDLA
Hamburg, DE

Lichtplaner
a·g Licht GbR
Bonn, DE

BGF
5.828,13 m²

Fertigstellung
2017

Fotografie
Hans Jürgen Landes
Sven-Erik Tornow


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