Büro- und Betriebsgebäude Georg Lesch in Schweinfurt

Arbeiten im Schrott

Thomas Geuder
13. September 2016
Rostige Stahlabfälle aus der hiesigen Industrie, Elektromotoren, Stanzabfälle aus der Elektro- und Automobilindustrie dominieren und prägen das Umfeld um den Neubau. (Bild: Stefan Meyer / Euroglas)

Projekt: Büro- und Betriebsgebäude Georg Lesch e.K. Rohstoffhandel (Schweinfurt, DE) | Architektur: Schlicht Lamprecht Architekten (Schweinfurt, DE) | Bauherr: Georg Lesch e.K. Rohstoffhandel (Schweinfurt, DE) | Hersteller: Euroglas GmbH (Halderleben, DE), Kompetenz: Eurolamex S Phon, Silverstar Zero Beschichtung und Gläser | weitere Projektdaten s. unten

«Im alten Gebäude saßen wir hier teilweise mit Ohrenschutz, im Winter war es kalt, im Sommer unerträglich heiß, innen dunkel, und immer dieser Lärm», beschreibt die Bauherrenfamilie Heinlein in Schweinfurt ihren bisherigen Arbeitsplatz, eine metallene Werkhalle aus den 1960er-Jahren mit integriertem Büro, Lagerplatz und Werkstatt, liebevoll «unser Kauderwelsch» genannt. Da ist der Wunsch nach einem neuen Büro- und Betriebsgebäude nur allzu nachvollziehbar. Ein Haus, in dem in Ruhe gearbeitet, organisiert und miteinander kommuniziert werden kann sollte es sein. So gesehen eigentlich etwas ganz Normales. Aber was ist schon normal auf einem Grundstück, das von LKWs donnernd überquert wird, auf dem sich Metallschrott bergeweise türmt und Lärm und Staub die Atmosphäre prägen? Hier wird Altmetall angenommen, sortiert, gepresst und an Stahlwerke und Gießereien abgegeben. An diesem unwirklichen Ort Raum für Büroarbeiten zu schaffen, bedingt ein besonderes Augenmerk auf den Schallschutz, womit im Prinzip ein wichtiger Teil der Bauaufgabe für Schlicht Lamprecht Architekten beschrieben wäre. Und einen Ort zu kreieren, der das Geschäftsfeld widerspiegelt, das wäre schön, meinte die Bauherrenfamilie zu Beginn des Projekts.

Die Fassade des neuen Büro- und Betriebsgebäudes des Schweinfurter Familienunternehmens Georg Lesch e.K. hüllt sich in drei Millimeter dicken Cortenstahl. (Bild: Stefan Meyer)

Das Baufeld indessen ist beengt: links eine Lagerhalle, recht ein Lagerplatz mit LKW-Tankstelle, im Rücken ein Bahngleis und vorn die Auffahrt zum Betriebshof. Für die Außengestalt des Neubaus ließen sich die Architekten vom direkten Umfeld inspirieren, das von rostigen Stahlabfällen, Elektromotoren und Stanzabfällen geprägt ist. So ist die Außenhaut aus Corten-Stahl, ein robustes Material, das den Einflüssen auf dem Hof widersteht, mit ruhiger Ausstrahlung, wehrhaft zugleich. Die großteils geschlossene Fassade öffnet sich mit ornamenthaften Lochbildern, die Einblicke ins Gebäude erlauben. Drinnen schließlich prägen warme und natürlich Materialien die Atmosphäre, die Räume erscheinen erstaunlich offen. Dazu trägt wesentlich ein nach oben offener, kleiner Innenhof bei, zu dem sich die Räume orientieren und der als Pausenbereich, als Patio und als Ruheoase im lärmenden Treiben genutzt werden kann. Ein Blick auf die Grundrissorganisation lohnt sich übrigens auch, denn das Gebäudevolumen haben die Architekten im Prinzip in zwei separat erschlossene Bereich geteilt: die Büros mit Empfang und Besprechungsräumen sowie der Mitarbeiterbereich mit Umkleiden und Duschen. Außerdem findet ein zusätzliches Lager sowie eine Mehrzweckhalle Platz. Ganz oben auf der Dachterrasse schließlich können die Mitarbeiter den Blick über die Umgebung mit dem naheliegenden Main genießen.

Um den begrünten Innenhof, der von warmen Materialien wie Holz geprägt ist, gruppieren sich die Büro- und Betriebsräume. (Bild: Stefan Meyer / Euroglas)

Für den Schallschutz tun die geschlossenen Außenwände mit der drei Millimeter dicken Cortenstahl-Verkleidung schon einiges. Im Bereich der Fenster allerdings mussten die Planer etwas finden, das den besonderen Anforderungen an diesem Ort standhält. Sie entschieden sich daher für ein System mit mehrschichtigem Aufbau aus zwei Verbundsicherheitsgläsern, die mit einer schalldämmenden PVB-Folie (Euroglas, Eurolamex S Phon) verbunden sind. Zum Vergleich: Die Schalldämmwerte verbessern sich bei einem Verbundsicherheitsglas mit normaler PVB-Folie im Vergleich zu einem Floatglas gleicher Dicke um bis zu 2 dB, mit der Schalldämmfolie sogar um 5 Dezibel. Auf dem inneren der beiden VSGs ist außerdem eine Wärmedämmschicht (Silverstar Zero) aufgebracht, die für einen niedrigen Wärmedurchgangskoeffizienten sorgt. Um den verschiedenen, ortsspezifischen Bedingungen und unterschiedlichen Belastungen durch Lärm gerecht zu werden, variiert zudem die Dicke der Basisgläser entsprechend der jeweiligen Anforderungen an den Schallschutz. Die Familie Heinlein samt Mitarbeiter scheinen sich damit wohl zu fühlen und loben ihr neues Domizil: «In den nächsten Jahren ist unser Gebäude auf jeden Fall unsere gebaute Visitenkarte.» Und sollte das Gebäude dennoch einmal in die Jahre kommen und die Bedürfnisse sich ändern, könne zumindest die Hülle weiter verwertet werden, witzelt die Bauherrenfamilie mit einem Augenzwinkern.

Im Gegensatz zum rauen Cortelstahl der Fassade ist der Innenraum (hier der Eingangsbereich mit Empfang) von warmen und natürlichen Materialien geprägt. (Bild: Stefan Meyer / Euroglas)
Lageplan (Quelle: Schlicht Lamprecht Architekten)
Grundriss 2. Obergeschoss (Quelle: Schlicht Lamprecht Architekten)
Grundriss 1. Obergeschoss (Quelle: Schlicht Lamprecht Architekten)
Grundriss Erdgeschoss (Quelle: Schlicht Lamprecht Architekten)
Das VSG wurde mit einer Wärmedämmschicht versehen und anschließend von dem Isolierglasverarbeiter Hoffmannglas zu einem Zweifach-Isolierglas verarbeitet. (Bild: Euroglas)
Inspiration für die teilweise gelochte Fassade aus Cortenstahl waren Stanzabfälle auf dem Betriebshof. (Bild: Stefan Meyer)
Ein Ort, der das Geschäftsfeld widerspiegeln soll, das wäre schön, meinte die Bauherrenfamilie zu Beginn des gemeinsamen Projektes. (Bild: Stefan Meyer)

Projekt
Büro- und Betriebsgebäude Georg Lesch e.K. Rohstoffhandel
Schweinfurt, DE

Architektur
Schlicht Lamprecht Architekten
Schweinfurt, DE

Mitarbeiterin: Barbara Kiesel

Hersteller
Euroglas GmbH
Halderleben, DE

Kompetenz
Eurolamex S Phon, Silverstar Zero Beschichtung, Silverstar Zero Gläser

Bauherr
Georg Lesch e.K. Rohstoffhandel
Inhaber Peter Heinlein
Schweinfurt, DE

Tragwerksplanung
Joachim Ingenieure
Schweinfurt, DE

Isolierglasproduktion
Hoffmann Glas GmbH & Co.
Peine, DE

Fertigstellung
2015

Fotografie
Stefan Meyer


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