Drei Hochpunkte

schneider+schumacher
30. August 2017
Blick über den Main auf das Quartier Inselspitze

Am Offenbacher Hafen soll in prominenter Wasserlage zusammen mit dem «Park in den Dünen» auf einem circa 10.000 Quadratmeter große Areal das «Quartier Inselspitze» entstehen. Welche Ausgangslage haben Sie vorgefunden?
Bei der Inselspitze handelt es sich – wie bei der gesamten Hafenentwicklung – um eine Konversionsfläche: Die ehemalige Funktion des Areals, der Warenumschlag unterschiedlichster Güter, ist an dieser Stelle aufgegeben worden. So konnte in der Folge Raum geschaffen werden, für einen attraktiven neuen Stadtteil in zentrumsnaher Lage. Insgesamt profitiert das Areal von seinem zweiseitigen Wasserbezug und den interessanten visuellen Bezügen zu seinem Umfeld.
Das auf der Mole vorherrschende Wohnen wird auf unserem Baufeld im Sinne eines ganzheitlichen Quartiers komplettiert. Es entstehen Nutzungen wie ein Hotel, Büros, Läden, Gastronomie, Werkstätten, Fitness- und Freizeiteinrichtungen sowie ein öffentliches Parkhaus. Der von Ramboll Studio Dreiseitl konzipierte Landschaftsraum wird von der Spitze her durch diesen neuen Stadtraum bis an die – ebenfalls durch unser Büro vor Jahren geplante – Hafenbrücken geführt und verschmilzt mit diesem baulich-landschaftlich zu einer prägnanten Einheit. 

Bestand – Blick Richtung Frankfurt

Welche städtebauliche Körnung schlagen Sie vor?
Auf den Vorgaben des Bebauungsplans aufbauend haben wir ein Ensemble mit drei Hochpunkten und zwei flacheren Gebäudeteilen entwickelt. Die neue Baustruktur muss nach Norden zu den Hafenbetrieben auf der anderen Mainseite hin akustisch abgeschirmt werden. Das Hotel markiert mit dem höchsten Baukörper das westliche Ende der Molenbebauung. Daran anschließend startet ein flacherer Bau, der ein Fitnessstudio, Werkstätten, Läden, ein Eingangsfoyer für die Büros und das öffentliche Parkhaus aufnimmt. In der Flucht der Zufahrtsbrücke liegt ein auskragender Büroblock auf diesem Flachbau.
Im südlichen Teil bestimmt der landschaftliche Übergang zum Park in den Dünen die Gestaltung: Ein Hochhaus mit Büronutzung in den Obergeschoßen liegt auf einem Sockel, der im Westen aus der Topographie heraus entwickelt wird. Darin befinden sich Foyer-, Gastronomie- und Konferenz-, beziehungsweise Veranstaltungsnutzungen.
In der Komposition der drei Hochpunkte wurde darauf geachtet, dass diese sich untereinander in ihren Blickrichtungen nicht behindern und der dazwischen liegende öffentliche Raum bestens mit Licht, Luft und Sonne versorgt wird.

Wie erschließen Sie das Areal und welche Freiraumqualitäten schlagen Sie vor?
Unser Ziel war es, dass das neue bauliche Ensemble als Teil der Freiraumgestaltung empfunden wird. Die Molenstraße knickt vor dem Areal ab, lediglich Taxivorfahrten, Anlieferungen und die Zufahrten zum Parkhaus sowie für Rettungsfahrzeuge sind auf dem Areal zugelassen. Demzufolge verändert sich die Oberflächentextur des Freiraums, wobei auf eine Differenzierung zwischen Verkehrsstraße und Fußwegen zu Gunsten einer einheitlichen, großzügigen Platzfläche bewusst verzichtet wird. Die Erdgeschoßnutzungen wie Foyers, Gastronomie oder Läden an den Begrenzungsflächen des öffentlichen Raumes stellen die nachhaltige Attraktivität des neuen, lebendigen Quartiers sicher. Der südliche Sockel geht zur Molenspitze hin in die Landschaft über und bietet über alle Jahreszeiten hinweg zahlreiche Möglichkeiten der öffentlichen Bespielung. Die Kante des Molenbeckens wird mit einer großzügigen Treppenanlage gestaltet. Der öffentliche Weg am Main hat dagegen durch die räumliche Disposition und die Bepflanzungen einen eher kontemplativen Charakter.

Lageplan

Welches architektonische Thema war Ihnen besonders wichtig?
Unser Architekturverständnis folgt im besten Sinne einem nachhaltigen Grundsatz, wobei für uns nachhaltig – jenseits aller damit immer wieder in Verbindung gebrachten Normen – in der untrennbaren Verbindung aus dauerhaft und schön besteht: Beide Eigenschaften müssen zugleich erfüllt sein, damit Gebäude ihren zeitgemäßen Beitrag auch zukünftig noch unter Beweis stellen können…
Die neuen Gebäude sollen dabei – der Geschichte des Ortes mit seiner vormals industriell geprägten Nutzung entsprechend – robust, fast ein wenig rau erscheinen. Die Positionierung der Gebäudekörper folgt klaren, einfachen stadträumlichen Regeln. Das neue Quartier wird sich selbstverständlich und selbsterklärend in sein Umfeld integrieren. Bei den Materialien legen wir größten Wert auf haptische Qualität und Alterungsfähigkeit: Heller Beton bzw. Fertigteile aus Werkstein wechseln sich mit hellen Ziegeln ab und ergeben mit den transparenten Glaselementen und luftigen Holzkonstruktionen eine atmosphärisch angenehme Komposition.

Blaue Stunde
Ausblick über Inselpark und Main

Ist schon ein Rahmenplan in Arbeit?
Bereits im Vorfeld des Auswahlverfahrens hat die Stadt einen genauen Bebauungsplan festgelegt. Auf der Grundlage dieses Plans wird das «Quartier Inselspitze» entstehen. Auf die Entwicklung eines speziellen Rahmenplans konnte dementsprechend verzichtet werden und es kann direkt mit der weiterführenden Umsetzung des Entwurfs begonnen werden.

Quartier Inselspitze Hafen Offenbach
Investorenauswahlverfahren mit städte- und hochbaulicher Studie

Auslober/Bauherr: Mainviertel Offenbach GmbH & Co. KG, Offenbach am Main
Betreuer: OPG Offenbacher Projektentwicklungsgesellschaft mbH, Offenbach am Main

Jury
Prof. Zvonko Turkali, Vors. | Markus Eichberger | Horst Schneider | Peter Freier | Daniela Matha | Bernhard H. Hansen

Gewinner
Architekt: schneider+schumacher, Frankfurt am Main, Wien, Tianjin
Landschaftsarchitekt: Ramboll Studio Dreiseitl, Überlingen, Singapur, Beijing, Hamburg
Bauherr: Gustav Zech Stiftung Heidelberg GmbH, Bremen
Projektentwickler: Deutsche Wohnwerte GmbH & Co. KG, Heidelberg 

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