Debatte um Frankfurter Altstadtrekonstruktion

Populär oder populistisch?

Carsten Sauerbrei
7. Mai 2018
Historisierende Dachlandschaft des Dom-Römer-Areals im April 2017. (Bild: DomRömer GmbH)

Die angesichts der gesellschaftlichen Bedeutung der gebauten Umwelt oft allzu apolitische Betrachtung von Architektur beendet zu haben, kommt aktuell Professor Stephan Trüby, Lehrstuhlinhaber für Architektur und Kunsttheorie an der Universität Stuttgart zu. Er hat in seinem FAZ-Beitrag vom 8. April die politischen Hintergründe und die Entstehungsgeschichte des Frankfurter Dom-Römer-Projekts kritisch analysiert.

Trüby weist in seinem akribisch recherchierten Beitrag nach, dass es Claus Wolfschlag war, 1966 geborener Autor der Neuen Rechten, der 2005 den Antrag formulierte, mit dem in der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung der Weg für die nun nahezu abgeschlossene Altstadtrekonstruktion freigemacht wurde. Dies allein ist schon Anlass genug, um dieses Projekt und andere ähnliche kritischer zu betrachten, als es gemeinhin geschieht.

Instrumentalisierung durch Neue Rechte
Beachtet man außerdem, welch wichtigen, kulturpolitischen Stellenwert rechtsextreme und rechtspopulistische Bewegungen Rekonstruktionen zumessen, dann erscheint es geradezu als ein Muss, jede Unternehmung dieser Art auf Aussage und Intention zu hinterfragen. Dass Architektur ein Schlüsselmedium der Neuen Rechten für das Erreichen ihrer Ziele ist, zeigt unter anderem – wie Trüby detailliert ausführt – Wolfschlags architekturtheoretischer Beitrag für den geschichtsrevisionistischen Sammelband «Opposition für Deutschland», aber auch die ausdrückliche Verknüpfung von Schlossrekonstruktionen mit der Forderung nach einer «erinnerungspolitischen Wende» durch AfD-Rechtsaußen Björn Höcke in seiner sogenannten Dresdner Rede.

Rekonstruktionen und Neubauten entlang des Frankfurter Krönungsweges. (Bild: DomRömer GmbH)

Die wütenden und diffamierenden Reaktionen auf Trübys Beitrag ließen nicht lange auf sich warten. Von der Reaktion des Mit-Initiators der Frankfurter Rekonstruktion und Ex-AfD-Mitglieds Wolfgang Hübner im Blog Politically Incorrect war sicher keine sachliche Auseinandersetzung zu erwarten. Dass jedoch Dankwart Guratzsch, Feuilletonredakteur der WELT, mit seiner Antwort auf Trüby vom 23. April ebenfalls den populistischen Konflikt zwischen elitären Modernisten und traditionsverbundenen Bürgern beschwört und mit keinem Wort ernsthaft auf Trübys Recherche eingeht, offenbart, wie wenig viele Befürworter traditioneller Architekturkonzepte bisher bereit sind, ihre Position zu hinterfragen.

Offener Brief wider den Architekturpopulismus
Um Trübys Anliegen zu größerer Öffentlichkeit zu verhelfen, hat die Redaktion der ARCH+ am 2. Mai einen Offenen Brief veröffentlicht. Dieser wendet sich an die vielerorts einflussreichen Stadtbild-Vereine und fordert einen «Rekonstruktions-Watch». Wer sich den 50 namhaften Erstunterzeichnern anschließen möchte, kann dies hier tun.

Luftbild Dom-Römer-Areal im Dezember 2017. (Bild: DomRömer GmbH)

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