Mit Sonnenschirm und Blumentrog

Ulf Meyer
17. Juli 2017
(Bild: Christian Richters)

Dieses Gebäude ist ganz Balkon: In Rhombenform umgeben Balkone das neue Wohnhaus in der «Europa-City» im Zentrum von Berlin auf allen Seiten. Vor vier Jahren haben léonwohlhage (Berlin) (damals noch Léon Wohlhage Wernik) mit ihrem Entwurf für einen sechsgeschossigen Riegel mit 120 Eigentumswohnungen einen Mini-Wettbewerb gewonnen: Die geknickte Fassade soll eine «kristalline Gestalt bilden, in der sich die Umgebung, einem Vexierbild ähnelnd, spiegelt», so Hilde Leon. Keine Etage gleicht der anderen. Die prägenden Balkonbrüstungen bestehen aus Glas und wurden nur unten mit einem «champagner-farbenen» Punktraster bedruckt.

(Bild: Christian Richters)

Es ist ein klassischer Konflikt zwischen Architekt und Bewohner: Während Architekten von «aufgeräumten» Fassaden träumen, sind Bewohner dafür bekannt, Balkone auch als Abstellflächen zu nutzen und damit «Spiel» in die Ansichten zu bringen. Die Architektin hat weder Pflanzmöglichkeiten noch Sonnenschutz vorgesehen und lädt damit zur individuellen «Aneignung» der Balkone ein. Die Ansichten werden schon bald «lebendiger» aussehen. Das Wohnhaus ist der erste bewohnbare Baustein des nördlich des Hamburger Bahnhofs geplanten Neubauviertels. Es heißt «KunstCampus». Ein solcher ist jedoch nirgendwo zu sehen: Ob im Erdgeschoss jemals Nutzungen unterkommen, die Bezug zur Kunst haben, muss sich erst zeigen. Die Atelier- und Galerienszene ist nicht dafür bekannt, in teure Neubauviertel ohne Laufpublikum zu streben. Für die Apartments liegt der «durchschnittliche Quadratmeterpreis bei 5000 Euro», so der Bauherr Groth, der die Galeriemieten auf fünf Euro/m² deckeln will, damit sich Interessenten finden. Bedauerlich ist, dass der Bauherr, bisher für stockkonservative Luxuswohnhäuser bekannt, für das Foyer mit Margit Flaitz eine Innenarchitektin beauftragt hat, deren Gestaltung sich dem architektonischen Entwurf nicht anpassen will.

(Bild: Christian Richters)

Zum Berlin-Spandauer-Schifffahrtskanal zeigt sich das Haus mit einer blanken Rückseite: Eingänge zu privaten Fahrrad- und «Kellerersatzräumen» können die Promenade nicht animieren und bieten Passanten nichts. Eine schöner gestaltete Uferpromenade am Kanal wird gerade gebaut, von der versprochenen Fußgänger- und Radfahrer-Brücke an dieser Stelle ist leider noch nichts zu sehen. Selbst die benachbarten Rieckhallen (von Kuehn Malvezzi für die kontroverse Flick-Collection umgebaut) könnten abgerissen werden, wenn der Nachfrageboom nach teuren Wohnimmobilien in Berlin anhält.

(Bild: Christian Richters)

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